Fußball

17 Jahre nach Double mit Violett: Daum über Austria und Stronach

Er gilt als einer der extremsten Trainer seiner Zeit. Über 1000 Spiele, mehr als 500 Siege, viele Titel in Deutschland, der Türkei und Österreich sowie ein Absturz, der seinesgleichen sucht. Das ist die Geschichte von Christoph Daum, bekannt auch für sein Dauerflackern in weit aufgerissenen Augen. Der größte Fehler seines Lebens, die Kokain-Affäre, gerade als er 2000 deutscher Teamchef werden sollte, verfolgt den 57 jährigen bis heute. „Es hat mich schon immer gereizt, das unmögliche zu wagen“, steht am Beginn seiner Autobiographe, die „Immer am Limit heißt“. Den vom Ullstein-Verlag vorgeschlagenen Titel „Schnee von gestern“ lehnte Daum ab. Im zweiten Teil des Buchs, der sich mit Weg zurück ans Limit beschäftigt, gibt es ein 16 Seiten langes Kapitel über die Saison 2002/03 bei der Wiener Austria mit dem Double. Unter dem Titel „Kalaschnikows im Kofferraum“ erinnert er sich an  Gespräche mit Austrias Mäzen Frank Stronach,

Daum war in Brasilien bei Topmanager Juan Figer, als er von einem Angebot von Ukraines Spitzenkub Schachtjor Donezk erfuhr. Der Klub sagte ihm nicht viel, Figer klärte ihn auf: „Der Präsident ist Rinat Achmetow. Er ist steinreich, zählt zu den mächtigsten Männern der Ukraine. Mit dem würde ich mich sofort treffen!“ Achmetow schickte Daum einen Learjet, der seine Frau Angelica und ihn von Köln nach Donezk brachte. Am Rollfeld warteten zwei Limousinen. Ein kräftiger Fahrer nahm Daum das Gepäck ab, öffnete den Kofferraum, in dem zwei Kalaschnikows lagen. Daum ging der Arsch auf Grundeis. Im Hotel dauerte es nicht lange, bis jemand anklopfte: „Ich öffnete die Tür und blickte in das Gesicht eines Mannes, der mit breitem österreichischen Akzent sagte: Servus, i  bin´s, der Svetits Peter! Ein waschechter Österreicher in der Ukraine. Jetzt kam ich mir vor wie in einer schlechten Komödie!“

Svetits war Sportdirektor von Austria Wien, wollte Daum verpflichten und in Donezk, da die Austria dort im UEFA-Cup spielte. Daum ging mit Svetits auf die Straße, weil er Sorge hatte, das Zimmer sei verwanzt. Svetits fragte, wie viel Donezk biete, Daum nannte eine astronomische Summe. Svetits nickte, begann nach einer Weile wieder zu reden: „So viel können wir nicht bieten. Aber wir kommen in die Nähe. Ich melde mich wieder!“ Angelica Daum war sofort Feuer und Flamme für Wien, auch dem Gatten gefiel der Gedanke: „Austria zählte zwar nicht gerade zu Europas Beletage, wäre aber ein idealer Club für einen Neustart“. Zur Pause des Spiels, das Austria nach dem 5:1 von Wien 0:1 verlor, erfuhr Daum am Handy von seinem Anwalt, dass ein konkretes Svetits-Angebot eingetroffen war, das dem von Donezk nahe kam. Achmetow erhöhte seines nach dem Spiel nochmals, als er Daum auf seinem Schloss empfing. Daum unterschrieb nicht, bekam den Zorn von Achmetow zu spüren: Rückflug nicht mehr im Learjet, sondern in einer Frachtmaschine auf Aluminiumsitzen ohne Polsterung, die statt in Köln in Bremen landete.

Einen Tag nach der Rückkehr aus der Ukraine flog Daum weiter nach Wien. Inzwischen mit dem Wissen, dass die Austria noch einen Trainer hatte. So lange Walter Schachner in Amt und Würden war, wollte Daum nicht konkret verhandeln. Daums Schilderung über das erste Treffen mit Stronach: „Er besaß eine Art Landsitz, nicht annähernd so mondän wie das Schloss von Achmetow. Er stellte sich als Frank vor und grinste breit. Hallo Christian, sagt er, schön, dass sie hier sind. Ich dachte, ich höre nicht richtig. Christian? Hatte er mich gerade Christian genannt? Das war sicher nur ein Versprecher, redete ich mir ein. Ich sprach mein Problem an. Solange Schachner noch Trainer war, würde ich nicht verhandeln. Stronach lehnte sich lässig im Stuhl zurück, wischte mit der Hand durch die Luft, seufzte: Du Christian, wenn ich den Schoko Schachner jetzt hierher bestelle, um ihn zu entlassen, dann ist er morgen noch nicht hier. Der würde mein Haus nicht mal mit Navi finden. Es war nicht zu glauben, Stronach dachte ernsthaft, dass ich Christian heiße.

Svetits hatte den Ärger mitbekommen, sagte: „Christoph oder Christian ist doch scheißegal. Hauptsache, du wirst unser Trainer.“ Am nächsten Tag war Schachner entlassen. Als Tabellenführer trotz guter Leistungen. Daums Erinnerung: „Die Zeitungen nannten Stronach menschenverachtend und größenwahnsinnig. Das interessierte ihn überhaupt nicht. Ihm hatte die Überzeugung gefehlt, mit Schachner Meister zu werden, Christian Daum war für ihn die Titelgarantie!“

Stronach bekam den Titel, sogar das Double, doch Daum gibt selbst zu: „Ich vermute, dass auch Schachner mit der Austria die Meisterschaft gewonnen hätte. Die Schlagzeilen am Ende der Saison taten mir dennoch gut. Nach langer Zeit wieder positive Headlines und gegen diese Lobeshymnen war ich natürlich nicht immun. Aber dennoch gab es etwas, was mich belastete. Die Sache kam von außen. Irgendwann holt mich der Mist mit dem Koks wieder ein. Ich wurde immer wieder mit meiner Vergangenheit konfrontiert. Ich erinnere mich, wie die Fans von Rapid ein höhnisches Lied sangen: Wir singen Christoph, Christoph, jeder kennt ihn, den Kokser aus Wien. Es fällt mir bis heute schwer, solche Situationen richtig zu verarbeiten. Ich winkte den gegnerischen Fans und tat so, als würde ich sie dirigieren, Ich fand das nicht wirklich witzig, aber was hätte ich sonst tun sollen? “

Aber das war nicht der  Grund, warum er nach dem Double ging: „Stronach war natürlich nicht begeistert, als ich ihm davon erzählte, den Club nach nicht einmal einem Jahr wieder verlassen zu wollen. Ich ließ mich von ihm nicht zum Bleiben überreden, Ich spürte, dass ich weiterziehen musste. Es war an der Zeit, den nächsten Schritt zu gehen!“ Er wechselte zu Fenerbahce Istanbul, blieb dort drei Jahre. Austria holte Jogi Löw als Nachfolger. Stronach entließ ihn im März 2004 als Tabellenführer. Die Austria wurde am Ende Zweiter hinter dem GAK, der das Double gewann. Mit Walter Schachner als Trainer.

Zehn Jahre nach dem Rauswurf von Wien wurde Löw mit Deutschland Weltmeister, sinnierte nach dem 1:0 gegen Argentinien im Maracana-Stadion von Rio de Janeiro: „Vielleicht wär das alles ohne Stronach nicht passiert!“

 

Foto: Agency People Image .

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