Das Geburtstagsspiel am Mittwoch Abend gegen den deutschen Bundesligaaufsteiger Union Berlin rückt Österreichs ältesten Fußballverein erstmals wieder in den Mittelpunkt, obwohl der First Vienna Football Club derzeit nur Aufsteiger in die Wiener Liga, die vierte Leistungsstufe ist. Am 22. August, am 125. Geburtstag, wird das nochmals passieren. Gedenken an den 22. August 1899, als im Döblinger „Gasthaus zur schönen Aussicht“, aktuell der „Pfarrwirt“, die Vienna gegründet wurde. Von Baron Nathaniel Rothschild aus der Bankiersdynastie. Mit den Klubfarben blau und gelb.
Persönlich sind mit der Vienna rund 60 Jahre Erinnerungen verbunden. Es begann in Zeiten, als die Kinderkarte für Staatsligaspiele zwei Schilling kostete. Ende der Sechzigerjahre war es, als der Bruder meiner Mutter, ein begeisterter Vienna-Fan, mich erstmals auf die Hohe Warte mitnahm. Die Vienna schlug damals im Spitzenspiel die Wiener Austria 3:2. 1955 war sie unter Trainer Leopold Hofmann zum sechsten und bisher letzten Mal Meister geworden Mit Spielern aus dem Nationalteam, das bei der WM 1954 Platz drei belegt hatte. Dem legendären Tormann Kurt Schmied, dem Mittelfeldmotor Karl Koller. Die bewunderte jetzt ein achtjähriger Fan ebenso wie den jungen Stürmerstar Hans Buzek, den aus Graz geholten „Rackerer“ Helmut Senekowitsch, einen Otto Walzhofer, mit dem ich mehr als ein Jahrzehnt später als Journalist in Kontakt kommen sollte, als er Viennas Trainer war, den „Tscharry“ Grohs. In Erinnerung blieb auch die köstliche Knackwurst an der Kantine. Deren Betreiber Willi Schmaus, einer der großen Vienna-Namen aus den Dreißigerjahren, hieß. Als die Vienna 1931 erstmals Meister und dazu Mitropokalsieger war, mit Fritz Gschweidl ihr Stürmer zum berühmten österreichischen Wunderteam gehörte, die Hohe Warte 85.000 Zuschauer fasste, zu den größten Stadien Europas zählte.
Was in den Sechzigerjahren folgte, erlebte ich als Fan mit. Dass der Filmregisseur Franz Antel Vienna-Präsident war, mit Pele ein brasilianischen Weltstar ein Vienna-Spiel auf der Hohen Warte besuchte, wo 1965 ein Meister gekürt wurde. Für den Fan damals leider nicht der Heimverein, sondern der LASK als erster Klub aus den Bundesländern durch ein 2:0 gegen die Blau-Gelben. Der Abstieg unter Koller als Trainer, der den Job von der Rapid-Legende Alfred Körner übernommen hatte aber nichts mehr retten konnte, passierte 1968 nach 69 Jahren. Der Saison in der Regionalliga Ost verdankte ich als Mittelschüler meinen ersten journalistischen Einsatz für „Die Presse“. Beim Döblinger Lokalderby zwischen dem Nussdorfer AC und der Vienna, die sich für die Regionalliga mit einem bei der Austria nicht mehr gefragten bulligen Stürmer, der große Spiele im Nationalteam geliefert hatte, verstärkte. Sein Name: Horst Nemec. Im Tor stand Willi Schroiff, der Tschechien bei der WM 1962 in Chile bis ins Finale gehext hatte,
Die Vienna stieg auf, das Sagen hatte als Sektionsleiter Rudi Röckl, der grimmige, von den Gegnern gefürchtete Abwehrchef aus der Meistermannschaft 1955. Ähnlich grimmig agierte er bei Transfergesprächen und Vertragsverhandlungen. Im Sekretariat sass das Vienna-Urgestein Curt Reinisch. Als der Jung-Journalist der „Presse“, mittlerweile Maturant und angehender Jus-Student, schrieb, der Aufsteiger Vienna habe nicht das nötige Geld, um die Mannschaft entscheidend zu verstärken, rief Reinisch empört an: „Wie kannst Du das schreiben. Wenn´st noch einmal auf die Hohe Warte kommst, hau ích Dir das Kreuz ab!“ Ich kam und trug keinen gesundheitlichen Schaden davon. Röckl engagierte auf einen Tipp des damaligen Teamchefs Leopold Stastny den Slowaken Ernst Hlozek als neuen Trainer. Dem gelang es, aus den vorhandenen Möglichkeiten das Optimum herauszuholen, Platz vier in der Saison 1970/71. Bald wechselte er nach Hütteldorf zu Rapid. Auch einige Himmelstürmer wie Alfred Gassner oder Rainer Schlagbauer waren nicht mehr zu halten. Die Konkurrenz aus der Südstadt, sprich Admira, und Hütteldorf, zahlte viel mehr. Bemerkenswert in dieser Zeit: Gernot Fraydl, Tormannheld von Austria und des Nationalteams, bestritt nach Legionärsjahren in den USA und Deutschland bei Hertha BSC Berlin und 1860 München 1971/72 seine letzte Saison in einer obersten Spielklasse bei der Vienna.
1974 musste die Vienna wieder absteigen. Aus Reformgründen. Die Zehnerliga kam. In der war für die Vienna als dritter Wiener Klub hinter Austria und Rapid kein Platz. Bis 1986 pendelte die Vienna ständig zwischen Zehnerliga und zweiter Liga. Obwohl in der Saison 1979/80 ein absolutes Highlight gelang: Präsident Heinz Werner Krause, der Boss von Sponsor Rank Xerox, holte vom FC Barcelona Hans Krankl auf die Hohe Warte. Der „Goleador“ in Döbling, unvorstellbar. Möglich geworden durch einen Krach von Krankl mit Barcelonas Trainer Joaquin Rife. Daher wenige Monate nach dem Europapokalsieg mit Barcelona für ein halbes Jahr in Döbling. Eine Weltsensation. Zu ihm holte der Deutsche Krause auch mit Gustl Starek einen Ex-Teamspieler. Mit Hans Pirkner war ein anderer bereits da. Aber trotz 13 Krankl-Toren stieg die Vienna ab. Das erste sorgte übrigens gleich für einen 1:0-Auswärtssieg gegen seinen Ex-Klub Rapid im Hanappi-Stadion. Nach dem Aufstieg 1984/85 trug Werner Gregoritsch, jetzt Österreichs erfolgreicher U 21-Teamchef, für eine Saison den blau-gelben Dress.
1986 die nächste Weltsensation: Mario Kempes, 1978 mit Argentinien Weltmeister und Torschützenkönig der WM, kam von Hercules Alicante zur Vienna. Eingefädelt vom damaligen Manager Josef Schulz, der dafür auch die nötigen Sponsoren auftrieb. Der langhaarige Kempes war damals 32. Zum damaligen Schlager im mittleren Play-off um den Aufstieg zwischen der Vienna und dem Sportklub, bei dem mittlerweile Krankl spielte, kam die ganze Wiener Schicki-Micki-Szene auf die Hohe Warte, die mit 12.000 Zuschauern restlos ausverkauft war. Die Vienna gewann 1:0, stieg in Folge auf. Aber erst als Ernst Dokupil Trainer wurde. Er überzeugte Präsident Walter Nettig und dessen Vize Heinz Havelka, dass der alternde Kempes für Vienna nicht gut sei. Man sollte lieber jüngere Spieler holen. Von Vorwärts Steyr kam Peter Stöger, aus Kapfenberg Kurt Russ, von Rapid konnte der hochtalentierte Andi Herzog ausgeliehen werden. Vienna machte Furore. Das Mittelfeld mit Stöger, dem Ex-Austrianer Gerald Glatzmayer und Herzog, begeisterte. Das Problem: Rapid beorderte nach einem halben Jahr Herzog wieder zurück. Die Kaufgespräche zwischen Nettig und Rapid-Boss Heinz Holzbach im Gourmettempel „Steirereck“ scheiterten. Obwohl Nettig einen Aktenkoffer mit einer Million Schilling in bar mitgebracht hatte.
Dokupil brachte zwischen 1987 und 1992 die Vienna zweimal in den UEFA-Cup, blieb bis 1994. Danach führte er Rapid aus Schutt und Asche zum Cupsieg, Meistertitel und bis ins Brüsseler Europacupfinale 1996 und in die Champions League. Mit der Vienna ging´s bergab. Ein Highigth gab´s noch 1997 mit dem letzten Trainercoup von Senkowitsch. Er bracht den Zweitligisten ins österreichische Cupfinale, eliminierte Meister Austria Salzburg mit Heribert Weber als Trainer und Adi Hütter, nunmehr Erfolgstrainer bei Eintracht Frankfurt als Spieler, im Semifinale auf der Hohen Warte nach Elfmeterschießen. Zeljko Radovic, jetzt Trainer der zweiten Mannschaft Rapids, brachte die Vienna durch einen Elfer in letzter Minute ins Nachspiel. Im Elferschießen traf unter anderem Thomas Hickersberger, jetzt Co-Trainer bei Rapid. Den entscheidenden für Salzburg verschoss Tormann Herbert Ilsanker, jetzt beim Meister für seien Nachfolger zuständig. Das Endspiel im Happel-Stadion ging gegen Sturm Graz 1:2 verloren. Das frühe Führungstor des Steirer erzielte mit Ivo Vastic ausgerechnet einer, dessen Österreich-Karriere 1991 bei Vienna begonnen hatte.
Vier Jahre später passierte 2001 Abstieg aus der zweiten Liga in die Regionalliga Ost, erst acht Jahre später wieder Aufstieg, als Peter Stöger Trainer war, der jetzige ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel am Saisonende ins Management kam. Beide waren wieder weg, als es fünf Jahre später 13 Punkte Abzug wegen Verstoß gegen die Lizenzbestimmungen und damit den Abstieg setzte. Damit begannen dunkle Zeiten. 2017 Konkurs, damit Zwangsabstieg. Da gab es schlechte Ratgeber, die dazu rieten, den ÖFB zu klagen. Danach fand sich die Vienna in der zweiten Wiener Landesliga wieder. Zum Glück stieg mit der „Uniqa“ ein Sponsor als Retter ein, der schon siebenstellige Beträge investierte, um die Vienna wieder dorthin zurückzuführen, wo sie hingehört.
Derzeit ist es die Wiener Liga. Für die eigentlich die Hohe Warte mit 7500 Zuschauern zu groß ist. Gegen Union Berlin wird sie es nicht sein. In Vienna steckt derzeit etwas von Rapid. In Person von Trainer Peter Hlinka, des spielenden Sportchefs Markus Katzer, von Ex-Teamspieler Ümit Korkmaz und Mario Konrad. Mittwoch Abend werden sie in Dressen mit der Aufschrift 125 Jahre spielen. „Ümit, Ümit, Ümit-Sprechchöre“ wie früher in Hütteldorf ertönen jetzt auch in Döbling.