Eine Stunde nach der EM-Auslosung in Hamburg mehrten sich die Stimmen, die Österreich trotz Hammerlos den Aufstieg ins Achtelfinale prophezeiten. Auch durch die Experten von Servus TV: „Kein Grund, sich zu verstecken“, behauptete Sebastian Prödl (Bild), der zu aktiven Zeiten in seinen 73 Länderspielen weder 2008 bei der Heim-EM gegen Kroatien, Polen und Deutschland wieder kam noch acht Jahre später in Frankreich gegen Ungarn, Portugal und Island, weiter gekommen war. Das erste Spiel gegen den schwersten Gegner, Frankreich, zu bestreiten, empfand er nicht als Nachteil: „Wir sind als Kollektiv weiter als Frankreich und Holland. Die leben von herausragenden Einzelspielern. Ich hoffe, das wird der entscheidende Faktor sein“, meinte Prödl. Für Florian Klein sind Frankreich und Holland genau die Gegner, die Österreich braucht, um seine Stärken wie Pressing und aggressives Spiel nach vorne zur Geltung bringen zu können.“ Als Österreich-Fan outete sich einmal mehr Ex-Rapid-Legionär Jan Age Fjörtoft: „Österreich ist besser als Holland und kommt weiter, weil die Entwicklung stimmt“, prophezeite der Norweger. Ebenso eine deutsche Startniederlage gegen Schottland am 14. Juni in München.
Fakt ist aber, dass Österreich bei der letzten EM im zweiten Gruppenspiel gegen Holland beim 0:2 chancenlos war. Allerdings in Amsterdam, als wegen Corona nur 15.000 Zuschauer in die Johan Cruyff-Arena durften. David Alaba verschuldete damals einen Elfmeter, den Memphis Depay verwandelte, das zweite Tor erzielte Verteidiger Denzel Dumfries. Mit einigen der damaligen Sieger wie Dumfries, Matthijs de Ligt, Martien de Roon, Barcelona-Legionär Frenkie de Jong, Ryan Gravenberch (jetzt Liverpool) oder Donyell Malen wird es in Berlin für Alaba, Philipp Lienhart, Marcel Sabitzer, Christoph Baumgartner, Xaver Schlager, Konrad Laimer und Michael Gregoritsch, den die UEFA Samstag wegen seines Hattricks bei Freiburgs 5:0 gegen Olympiakos als „Europa League-Spieler der Woche“ auszeichnete, ein Wiedersehen geben. Dazu kommen „neue Stars“ wie Liverpool-Stürmer Cody Gakpo oder Xavi Simons von Leipzig. Auch der Teamchef wird ein anderer sein. Ronald de Boer trat wenige Wochen nach dem Sieg über Österreich wegen des Scheiters im Achtelfinale gegen Tschechien zurück, im Jänner dieses Jahres begann nach der WM in Katar die zweite Ära von Roland Koeman. Die erste des 50 jährigen zwischen 2018 und 2020 war durchaus erfolgreich, aber dann reizte ihn der Trainerjob bei seinem Ex-Klub Barcelona. Nach der Beurlaubung im Oktober 2021 pausierte er, ehe er wieder die „Elfdal“ übernehmen. In seinem 30 Spielen als Teamchef mit 17 Siegen hat er einen Punkteschnitt von 1,87. Unwesentlch besser als der von Ralf Rangnick nach zehn Siegen in 18 Partien mit Österreich (1,83). In der Qualifikation verlor Koeman mit Holland beide Spiele gegen Frankreich. In Paris gab es eine 0:4-Abfuhr, in Amsterdam ein 1:2.
Frankreich auch deshalb der klare Gruppenfavorit. Während der Hamburger Auslosung schlug Österreichs Teamkapitän Alaba im Real Madrid-Dress mit einem möglichen EM-Gegner, mit Linksverteidiger Ferland Mendy, Granada 2:0 und blieb Tabellenführer. Die Klasse der großen Namen Frankreichs, allen voran Kapitän Kylian Mbappe, lernte Österreich vor einem Jahr in der Nations League gut kennen: Beim 1:1 in Wien glich Mbappe erst in der 87. Minute Österreichs Führung durch Andreas Weimannn zum 1:1 aus, beim 2:0 in Paris schoss er Frankreich in Führung, dann traf noch Olivier Giroud. Der Milan-Oldie ist weiter dabei. Ebenso Antoine Griezmann. Auch ein Spieler von AS Monaco, dem Klub von Adi Hütter, könnte in der EM ein Gegner sein: Mittelfeldmotor Youssuf Fofana. Den Hinweis auf die Chancenlosigkeit beim 0:2 im Stade de France ließ Rangnick nach der Auslosung nicht gelten: „Düsseldorf ist ein neutraler Boden, da werden genau so viele österreichische Fans wie französische im Stadion sein. In Paris spielten wir außerdem nicht komplett.“
Die Auslosung brachte es mit ich, dass es nächstes Jahr in Düsseldorf und Berlin zahlreiche Klubduelle geben wird. Von Real Madrid zwischen Alaba und den Franzosen Mendy, Eduardo Camavinga und Aurelien Tchouameni. Von Bayern München zwischen Konrad Laimer, der wegen der Absage des Spiels gegen Union Berlin sich auf die Auslosung konzentrieren konnte und die mit „da ist noch etwas Schönes zusammen gekommen“ kommentierte, den Franzosen Dayot Upamecano und Kingsley Coman sowie dem Holländer De Ligt. Von Borussia Dortmund zwischen Marcel Sabitzer und dem Holländer Donyell Malen, von RB Leipzig zwischen Schlager, Baumgartner und Nicolas Seiwald gegen Hollands Senkrechtstarter Xavi Simons und den Franzosen Castello Lukeba, von Lens zwischen Kevin Danso und Frankreichs Teamkeeper Brice Samba, von Inter Mailand, falls es Marko Arnautovic in den EM-Kader schafft. Dann würde er auf zwei französische Mitspieler (Benjamin Pavard, Marcus Thuram ) und vielleicht auf drei aus Holland (Denzel Dumfries, Stefan de Vrij, Davy Klaasen) treffen.
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