Fußball

Atromitos wie Altach: Ist Canadi in Athen ein anderer Trainer geworden?

Bei Rapid erlebte es  Damir Canadi in seiner kurzen, sechsmonatigen Trainerära nie, dass nach einem Auswärtsspiel hunderte begeisterte Fans auf die siegreiche Mannschaft bei der Heimkehr warteten und mit ihr feierten. Da endete praktisch alles in einer Aussprache mit den Fans auf einem Autobahnparkplatz in Oberösterreich nach einem Rapid-unwürdigen  0:3-Debakel in Ried. Was Canadi jetzt in Griechenlands Superleague mit dem kleiner Athener Klub  Atromitos gelingt, muss Balsam auf eine doch etwas verwundete Trainerseele sein: Erstmals in der 95jährigen Klubgeschichte Tabellenführer. Das hätte keiner erwartet als Canadi im Juni dort anheuerte. Atromitos ist nach acht Runden ungeschlagen,hat vier Speile gewonnen, erst drei Tore kassiert, erst neun erzielt. Und es gelangen historische Auswärtssiege. Jeweils 1:0 gegen Serienmeister Olympiakos Piräus und letzten Montag gegen Austrias Europa League-Gegner AEK Athen. Nach der Rückkehr aus dem Olympiastadion stieg in dem Athener Vorort die große Sensationsparty.

Der 47jährige Canadi erlebte schon einiges in Athen. In der Wohnung, als die Familie aus Vorarlberg zu Besuch war, betäubt und ausgeraubt. Aber das war der einzige Misston. Ansonst klappt es. Ist Canadi in der griechischen Hauptstadt ein anderer Mensch oder Trainer geworden? Lockerer als zu seiner Hütteldorfer Zeit soll er sein, was viele auch auf den Assistenten zurückführen. Der Ex-Austrianer EricOrie gilt als Stimmungskanone, der Holländer fand einen guten Draht zu der Multi Kulti-Truppe, die  im Sommer völlig neu zusammengestellt wurde. In der Startelf beim Sieg über AEK standen je ein Bosnier, Argentinier, Ägypter, Franzose und Nigerianer. Der Afrikaner namens Abiola Dauda, zuvor in Holland bei Vitesse Arnheim, erzielte auch mit dem einzigen Torschuss von Atromitos im ganzen Match das goldene Tor zum Sprung auf Platz eins. Der Ballbesitz der Sieger lag bei nur 40 Prozent. Was wohl eines aussagt: Canadi kann Aussenseiter wie früher Altach oder jetzt Atromitos perfekt einstellen und organisieren, also Mannschaften, die als Aussenseiter mehr reagieren als agieren. Bei Rapid hätte es umgekehrt sein müssen. Als er Altach wegen des Angebots  von Grün-Weiß verließ, lagen die Vorarlberger punktegleich mit Tabellenführer Sturm Graz auf Platz zwei.

Atromitos war bei den intensiven Verhandlungen im Sommer perfekt auf Canadi vorbereitet. Das erzählt Mario Weger, der Tiroler Berater des 47jährigen Wieners: „Atromitos ist sozusagen das Altach von Griechenland, nur mit mehr Budget“, behauptet Weger. Die Griechen hatten sich über Canadis Wirken in Altach genau erkundigt. Über Aufstieg, Klassenerhalt, Höhenflug nach Rückschlag in der zweiten Saison, welche Spieler er bevorzugt und einkaufte. Alles wussten sie. Und so entstand das  griechische Atromitos-Wunder. „Er hat noch immer die gleiche Methodik wie bei Altach und Rapid. Jetzt funktioniert´s halt zum Unterschied von Wien,“ versichert Weger. Und daher hat Atromitos so wie früher Altach auch oft in der letzten haben Stunde mehr Kraftreserven als der Gegner, die dann entscheiden.Vielleicht ist´s doch einfachere, mit einem Außenseiter zu überraschen als einen Traditionsverein aus der Krise zum ersten Titel seit neun Jahren zuführen.

Bei Österreichs 3:2 gegen Serbien schaute Canadi vor drei Wochen im Happel-Staadion interessiert zu. Als Realist weiß er, dass die Tabellenführung zwar wunderschön, aber doch nur eine Momentaufnahme ist. Die ersten neun in Griechenland liegen derzeit innerhalb von sechs Punkten, die Superleague „lebt“ derzeit davon, dass Olympiakos ungewohnt schwächelt. Der Meister hat aber finanziell ganz andere Möglichkeiten als Atromitos. Das gilt auch für Panathinaikos, AEK oder PAOK Saloniki: „Wenn wir unter den ersten fünf landen, wäre das gewaltig“, behauptet Canadi. Derzeit hat Atromitos einen Punkt mehr als Paok, je zwei mehr als Panionios Athen, AEK und Olympiakos. Letzte Saison hatte es nur zu Saison acht gereicht, die ersten vier spielen in Griechenland nach 30 Runden in einem Play-off um den Meistertitel. Daran denkt er  jetzt noch nicht: „In vier Runden kann alles anders aussehen“, gibt er zu bedenken. Sonntag verteidigt Atromitos Platz eins in Xanthi beim Werksklub der Griechenland-Niederlassung der Automarke Skoda. Dort war vor 20 Jahren ein bekannter Österreicher Trainer: Kurt Jara. Als er eine Saison zuvor kurz den VfB Mödling trainierte, hieß einer von Jaras Spielern Canadi.

Foto: Instagram.

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