Talenteförderung und Infrastruktur. Das sind die Tagesordnungspunkte des ÖFB-Präsidiums am Freitagnachmittag, vor der Weihnachtsfeier in den Sophiensälen. Ob es dabei zum Beschluss kommen wird, den geplanten Bau des Kompetenzzentrums in Aspern in Angriff zu nehmen? Mit Sicherheit wird es kein einstimmiger. Bestenfalls wird es nur Enthaltungen geben, realistischer sind Gegenstimmen. Denn die Skepsis gegenüber den vorliegenden Plänen für das 70 Millionen-Projekt wird sich erneut zeigen. Unter anderem, weil einige glauben, die Stadt Wien benutze den ÖFB, profitiere vom Bau. Selbst wenn das stimmt, steht dagegen, dass von der Stadt bis zu 25 Millionen Baukostenzuschuss zugesagt sind. Diese Summe nicht zu nützen, wäre geradezu Hochstapelei.
Leiten würde den Bau das Institut für Sportstättenförderung in Person von Harry Gartler. Der genug Erfahrung durch seine Tätigkeiten beim Bau des Allianz-Stadions von Rapid in Hütteldorf und der neuen Arena in Linz hat, beide Projekt erfolgreich abwickelte. 20 Standorte wurden geprüft, ehe Aspern als einziger mit einem U-Bahn-Anschluss in der Nähe den Zuschlag bekam. Fünf Trainingsplätze (einer mit Kunstrasen), ein Bürogebäude für die ÖFB-Geschäftsstelle und 60 Zimmer sind geplant, in denen die mittlerweile zehn Nationalmannschaften bei Lehrgängen wohnen sollen. Für die Zimmer-Variante statt des ursprünglich geplanten Halle hatten zuletzt auch Teamchef Ralf Rangnick und Sportdirektor Peter Schöttel (Bild oben) plädiert. Auch gegen diese Variante gibt es Einwände. Die Zimmer würden sicher über einen längeren Zeitraum leer stehen und trotzdem Kosten verursachen. Das Gegenargument klingt sehr plausibel: Die Unterbringung der Mannschaften in Hotels kommt noch teurer. Ein Zimmer in dem Fünfsternehotel an der Ringstraße, in dem das Nationalteam seit Jahren logiert, kostet pro Nacht trotz „Sonderpreis“ mehr als 100 Euro.
Man kann nicht ausschließen, dass Freitag die Abstimmung auch durch die Situation um ÖFB-Präsident Gerhard Milletich beeinflusst wird, zum Teil eine Stimmung herrschen wird, einfach gegen alles zu sein, das Milletich befürwortet. Unter dem Vorwand, die Betriebskosten für das Zentrum in Aspern wären auf Dauer finanziell nicht zu stemmen. In den letzten Tagen wurde als ein Grund für Marokkos WM-Sensation genannt, dass der Verband seit drei Jahren über das größte und modernste Trainingszentrum in Afrika verfügt. Seit drei Jahren. 2019 wurde der nach dem regierenden König genannte 30 Hektar große „Mohammed VI. Fußball-Komplex“ eröffnet. Mit sieben Plätzen, Ärztezentren, Orten zur Erholung, einem Auditorium für Vorträge. Dort bereiten sich alle Nationalmannschaften auf ihre Spiele vor. So war es auch vor der Weltmeisterschaft. Die Kosten für die Akademie betrugen 65 Millionen US-Dollar, nach aktuellem Kurs rund 61 Millionen Euro. Für Aspern sind neun Millionen mehr geplant.
Foto: ÖFB/Christopher Kelemen.