Fußball

Das Unmögliche versuchen: Der letzte Sieg gegen Italien gelang 1960

Man muss das Unmögliche versuchen, um das Mögliche zu erreichen. Das meinte Teamchef Franco Foda in einem Interview mit der „Kleinen Zeitung“. Einen österreichischen  Sieg gegen Italien am Samstag Abend im Londoner Wembley-Stadion umgibt derzeit wirklich die Aura des Unmöglichen. Nicht nur wegen der imponierenden Bilanz der Italiener unter ihrem Teamchef Roberto Mancini,  die ihre letzte Niederlage am 10. September 2018 in Portugal bezogen, 30 Spiele ungeschlagen sind. Warum sollte diese Serie ausgerechnet im Achtelfinale der Europameisterschaft enden? Noch dazu gegen eine Mannschaft, gegen die Italien letztmals vor 61 Jahren, im Jahr der ersten Europameisterschaft, verlor, von den letzten zwölf Duellen neun gewann, dreimal sich mit einem Unentschieden begnügen musste? Sechs Teamchefs, Leopold Stastny, Helmut Senekowitsch, Branko Elsner, Josef Hickersberger, Herbert Prohaska und Karel Brückner, schafften es nicht, einen Sieg gegen Italien zu feiern. Ob es Foda besser gehen wird? Im Fußball hat man in einem Spiel immer eine Chance.

Der 10. Dezember 1960 ist der Tag des letzten österreichischen Siegs über Italien. Als es noch kein Farbfernsehen gab, nur Schwarz-Weiß-Bilder über die TV-Schirme flimmerten.  Vom 2:1 (1:1) aus dem Stadio Sao Paolo in Neapel. Im strömenden Regen musste Österreich schon nach 12 Minuten den Nummer eins-Tormann Kurt Schmied, den WM-Helden von 1954, wegen einer Gehirnerschütterung durch den damals 19 jährigen Debütanten Roman Pichler ersetzen. Es war der vierte Sieg hintereinander in der  Erfolgsserie der Ära von Teamchef Karl Decker. Alle Torschützen sind tot. Erich Hof brachte Österreich in Führung, die erst vor kurzem verstorbene Juventus-Legende Giampiero Boniperti glich aus. Für Österreichs Siegestreffer sorgte Ernst Kaltenbrunner, der ältere Bruder des späteren Rapid-Präsidenten, nach 55 Minuten. Er ersetzte nach einer halben Stunde den verletzten Hans Buzek, letzten Samstag Gast der Vienna bei der Feier zu 100 Jahren Hohe Warte (Bild oben, vorne links). Nur er und Pichler sind von den damaligen Siegern noch am Leben.

Darauf folgten vier Italien-Siege in Serie. Am 11. Oktober 1962 und am 9.Juni 1963 im Wiener Stadion, Zunächst 2:1 (0:0), dann 1:0 (0:0) durch ein Tor von Giovanni Trapattoni, späterer Trainerstar bei Juventus, Bayern München und Red Bull Salzburg. 0:1 verlor Österreich auch am 14. Dezember 1963 in Turin. Da traf der berühmte Gianni Rivera eine Viertelstunde vor Schuss. Danach war sieben Jahre Pause. Das nächste Duell zwischen Österreich und Italien gab es erst am 31. Oktober 1970 im Wiener Prater. Das erste, das ich auf der Pressetribüne live verfolgte wie die folgenden acht bis zum bisher letzten am 20. August 2008 in Nizza. 1970 kam Italien als Vizeweltmeister zum EM-Qualifikationsspiel nach Wien. Österreich  hielt trotz 1:2 (1:2) durchaus mit. Sandro Mazzolas Tor knapp vor der Pause sorgte nur deshalb für den Sieg, weil „Buffy“ Ettmayer fünf Minuten vor Schluss mit einem schlecht geschossenen Elfmeter an Tormann Enrico Alberto gescheitert war. Ettmayer gelang trotz Offensivqualitäten  in all seinen 30 Länderspielen kein Tor. Das Match lieferte auch durch den Beinbruch, den Italiens Topstürmer Gigi Riva, bei einer Attacke von Norbert Hof erlitt, Schlagzeilen.

Ein Jahr später, am 20. November 1971, feierte Riva  beim „Retourspiel“ in Rom sein Comeback. Mit dem 2:2 (1:1) gewann Österreich an Prestige dazu. Nach Toren des jungen Kurt Jara und Robert Sara führte Österreich bis zur 76. Minute sogar 2:1.  Drei Jahre später kam Italiener zur WM-Generalprobe nach Wien. Mit allen Stars wie Dino Zoff, Giacinto Facchetti, Mazzola, Rivera, Fabio Capello. Österreich  schaffte am 8. Juni 1974 ein 0:0, Italien scheiterte danach bei der WM in Deutschland krachend. Vier Jahre später gab´s ein Wiedersehen bei der  Argentinien-WM. In der Zwischenrunde. Österreich verlor am 18. Juni 1978 im  Stadion der Boca Juniors in Buenos Aires vor 66.700 Zuschauern 0:1 (0:1), weil Paolo Rossi nach 14 Minuten einen missglückten Rückpass von Heinrich Strasser zum goldenen Tor nützte. Danach hielt Italiens Catenaccio, Hans Krankl biss bei Claudio Gentile und Gaetano Scirea auf Granit. Drei Tage später schoss er Titelverteidiger Deutschland aus der WM.

Nach acht Jahren Pause gab es ein Wiedersehen in aller Freundschaft. Österreich führte am 26. März 1986 beim Weltmeister mit seinem legendären Teamchef Enzo Bearzot durch ein schnelles Tor von Toni Polster bis zur 57.Minute verlor aber am Ende  1:2 (1:0). Zu den Verlierern zählte damals als rechter Verteidiger Leo Lainer. Sohn Stefan könnte Samstag den Vater auch mit einem Sieg über Italien übertreffen. Drei Jahre später hielt Österreich am 25. März 1989 im Wiener Stadion ein 0:0, ehe Inter Mailands Star Nicola Berti traf. 0:1 hieß es auch ein Jahr später am 9. Juni 1990 im Eröffnungsspiel bei der WM vor 72.303 Zuschauern im Olympiastadion von Rom. Für das goldene Tor sorgte nach 78 Minuten, als es schon zarte Hoffnungen auf ein 0:0 gab, „Toto“ Schillachi mit einem Kopfball. Die Flanke kam von Gianluca Vialli. Peter Schöttel, jetzt ÖFB-Sportchef, blieb in seiner Rolle als defensiver Mittelfeldspieler diskret.

War acht Jahre später im Stade de France von Paris vor 72.303 Zuschauern im letzten Gruppenspiel der WM  stand Schöttel im Abwehrzentrum schon mehr im Blickpunkt. Österreich geriet am 23. Juni 1998 knapp nach der Pause durch Christian Vieris Kopball in Rückstand, wurde danach vom englischen Referee Paul Durkin benachteiligt, der einen klaren Elfmeter übersah. In der 90. Minute traf Roberto Baggio zum 2:0, in der Nachspielzeit verwandelte Andi Herzog einen Elfmeter. Mt dem 1:2 (0:0) verabschiedete sich Österreich nach zwei Unentschieden gegen Kamerun und Chile von der WM. Die ORF-Kommentatoren vom Samstag waren am bisher letzten WM-Auftritt von Rot-Weiß-Rot beteiligt: Herbert Prohaska als Teamchef, Roman Mählich im Mittelfeld. Sie dürfen doch aus Wembley berichten. Für Österreichs Medienvertreter gibt es doch eine Ausnahmegenehmigung ohne Quarantäne. Der ÖFB bot einen Charterflug von Wien nach London und zurück an. Den österreichischen Fans geben die englischen Behörden diese Möglichkeit definitiv nicht.

Das letzte Duell gegen Italien gab es 2008 nach Österreichs frustrierender Heim-Europameisterschaft. Am 20. August 2008 rund um die italienische Ferragosto-Zeit in Nizza, weil Italiens Stadien renoviert werden. Italien mit Marcello Lippi als Teamchef war regierender Weltmeister. Emanuel Pogatetz und Marc Janko bezwangen zwischen der 14. und 39. Minute  Tormannlegende Gianluigi Buffon, Italien kam noch vor der Pause ran. Ein Eigentor von Keeper Ramazan Özcan verhinderte nach 62 Minuten Österreichs ersten Sieg gegen die Squadra Azzura seit 1960. Gelingt der am Samstag? Xaver Schlagers Devise: „Mit verstecken werden wir nicht weit kommen.“

Foto: FotobyHofer/Christian Hofer.

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