Fußball

Ein „Panenka für Arme“ leitete Stanis Ende ein

Zunächst England in Samara mit zwei Kopftoren zum 2:0 (1:0) gegen  Schweden und ins Semifinale, dann drei Kopftore zwischen Russland und Kroatien in Sotschi beim 2:2 (1:1, 1:1) nach der vierten Verlängerung dieser Weltmeisterschaft, der das vierte Elfmeterschießen folgte. Für beide war es bereits das zweite in sieben Tagen. Aber nur für Kroatien gab es das zweite Happy End,  Das russische Sommermärchen von „Stani“ Tschertschessow ging mit einem Drama zu Ende, bei dem sozusagen auch der Teamchef mit letztem Einsatz kämpfte. Als er sein Team aus der Coaching Zone ständig pushte, von den rund 45.000 russischen Fans unter den 48.000 Zuschauern im Olympiastadion mehr Unterstützung, mehr Lärm forderte. Es war  unglaublich, wie viele Kraftreserven die Russen in ihrem fünften Spiel noch mobilisieren konnten. Schon in der ersten Hälfte liefen sie vier Kilometer mehr als die späteren Sieger.

Spanien-Legionär Denis Cheryshev brachte mit dem einzigen Tor der letzten zwei Viertelfinalspiele, das mit dem Fuß erzielt wurde, für die russische Führung. Ein Abwehrfehler ermöglichte Mario Mandzukic, noch vor der Pause, Hoffenheim-Stürmer Andrej Kramaric den Ausgleich auf den Kopf zu legen. Im Nachspiel köpfelte Innenverteidiger  Domagoj Vida Kroatiens Führung, die Russlands eingebürgerter Brasilianer  Mario Fernandes ebenfalls per Kopf ausglich. Also Elfmeterschießen.

Anders als gegen Spanien begann Russland. Wie letzten Sonntag im Luschniki-Stadion von Moskau schoss Fedor Smolov den ersten. Aber er traf nicht wieder, sondern vergab. Fast aufreizend. Er versuchte mit einem Heber in die Mitte den kroatischen Elferhelden Danijel Subasic (Bild oben) der am Ende der regulären Spielzeit unter Krämpfen litt und fast raus musste, auszutricksen. Die Variante, die der spätere Rapid-Publikumsliebling Antonin Panenka erfunden und damit 1976 das Europameisterschaftsfinale für die damalige Tschechoslowakei gegen Deutschland in Belgrad gewonnen hatte. Aber Smolov war nur ein „Panenka für Arme“, weil er den Ball nicht in die Mitte hob, sondern in Richtung Subasic, der noch die linke Hand an den Ball brachte. Sein vierter gehaltener Elfmeter. Das Entsetzen auf den Rängen wich Riesenjubel, als Russlands Kapitän Ikfor Akinfeev den zweiten kroatischen Elfer von dem in Linz aufgewachsenen Mateo Kovacic hielt. Aber rasch wieder Entsetzen, als Mario Fernandes den Ball neben das Tor jagte. Akinfeev hatte den Penalty von Kroatiens Kapitän Luka Modric noch auf der Hand, aber von dort ging er via Innenstange ins Netz. Kroatien führte wieder. Den letzten zum 4:3 verwandelte wie gegen Dänemark Barcelona-Star Ivan Rakitic.

Wie es ihm seine Frau Raquel Mauri prophezeit hatte. So wie letzten Sonntag Kaspar Schmeichel schickte Rakitic auch Akinfeev ins falsche Eck. „Wir sind eine goldene Generation“, kommentierte er Kroatiens zweite WM-Semifinale nach 1998. Kroatien ist die erste Mannschaft seit Argentinien 1990, die bei einer WM zwei Elfmeterschießen gewann. Aber Argentinien wurde damals nicht Weltmeister, sondern Deutschland. Tschertschessow verabschiedete sich nachher im ARD-Interview in allere Ruhe. Sagte zunächst schmunzelnd, jetzt könne man ihm nicht mehr nach großem Druck fragen: „Der Druck ist jetzt weg. Wir haben das ganze Land auf den Kopf gestellt, aber nichts gewonnen. Es gibt nur einen Pokal, den man holen, die Chance darauf ist weg.“ Und zum Abschied sagte der Wahl-Tiroler „servus Deutschland“. Auch ohne Pokal ist er ein Sieger dieser WM.

Mit der Lufthoheit und drei Mega-Reaktionen von Tormann Jordan Pickford in der zweiten Hälfte schaffte es England erstmals seit 1990 unter die letzten vier,insgesamt zum dritten Mal. Beide Treffer zum 2:0 (1:0) gegen die Schweden fielen per Kopf. Das erste nach einem Eckball von Ashley Young durch den ersten Treffer des 25jährigen Innenverteidigers ´Harry Maguire im Teamdress. Da fällt fast unter das Kapitel vom Stoff, aus dem die Träume sind. Vor drei Jahre spielte Maguire noch in der dritten Liga bei Wigan. Vor zwei Jahren feuerte er  einige, mit denen er Samstag die Schweden eliminierte, bei der Europameisterschaft in Frankreich noch als Fan von der Tribüne an. Etwa Kyle Walker, den zweiten Torschützen Dele Alli, der eine Flanke von Jesse Lingaard per Kopf verwertete, Raheem Sterling, Harry Kane, Eric Dier oder Marcus Rashford.

Vor einem Jahr stieg Maguire mit Hull aus der Premiere League ab. Dennoch verpflichtete ihn Leicester um 13,7 Millionen Euro. Jetzt steht sein Marktwert bereits auf 25. Dass es weh tut mit einem Koloss wie Maguire  zusammenzuprallen, bemerkten beim Training in Leicester mitunter auch zwei Österreicher, Aleksandar Dragovic und Christian Fuchs. Bei seinem Tor setzte sich der 1,94 Meter große und 100 Kilometer schwere Maguire  im Luftkampf gegen den 15 Zentimeter kleineren und 26 Kilo leichteren  Emil Forsberg durch.

Zur gleichen Zeit passierte in England etwas völlig unerwartetes: Sir Bobby Charlton, der große Mittelfeldstar der englischen Weltmeistermannschaft von 1996, drückte nicht vor dem TV-Schirm die Daumen, sondern sass im Tennis-Mekka  Wimbledon auf der Tribüne, als die Deutsche Angelique Kerber ins Achtelfinale aufstieg Unglaublich.  Für das Semifinale am Mittwoch gegen Kroatien kündigte Londons Bürgermeister Sadiq Khan hingegen das erste Public Viewing am Trafalgar Square und im Hyde Park an

Foto: © FIFA.com (Getty Images).

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