Fußball

Ein Schiedsrichterfehler kann keine Begründung für ein historisches 1:6 sein

Tiefschlag für Rapid drei Tage nach dem Glücksgefühl gegen die Glasgow Rangers: Das höchste Debakel in der Bundesliga in einem Wiener Derby gegen die Austria, das 1:6 (1:4) in der nicht ausverkauften Generali-Arena, bedeutet das Scheitern im Kampf um die Meisterrunde. Sechs Punkte Rückstand auf Sturm Graz, je sieben auf Austria und Wolfsberg sind in den letzten vier Spielen des Grunddurchgangs im Frühjahr zwar theoretisch, aber nicht mehr praktisch aufzuholen. Zumal der erste Gegner am 23. Februar Red Bull Salzburg heißt. Rapids Trainer Didi Kühbauer kündigte zwar Veränderungen im Winter. Aber so viel kann sich gar nicht ändern, dass Rapid den herausragenden Meister, der als erste Mannschaft in der Bundesliga im Herbst kein Pflichtspiel verlor, in zwei Monaten schlagen kann. Selbst daheim in Hütteldorf nicht.

Wer zum Derby in die Generali-Arena fuhr, der fühlte sich im faschen Film. Hubschrauber kreisten um den Verteilerkreis, viele Polizeiautos mit Blaulicht und Folgetonhorn  fuhren durch die Gegend. Alles verursacht laut Polizei durch unverbesserliche, gewaltbereite Rapid-Fans. Drei Tage zuvor verdiente der grün-weiße Fan-Sektor Lob, als er mehr als 82.000 Euro für das Sozialprojekt „Wiener Kinderherzen“ spendete. Aber Sonntag Nachmittag musste man den Kopf schütteln: Einige warfen vom Übergang zum Stadion Gegenstände auf die Tangente, trafen damit fahrende Autos. So etwas kann ganz schlimme Folgen haben. Also kannte die Polizei verständlicherweise kein Pardon. Sperrte die Tangente für 15 Minuten, kreiste mit einem Großaufgebot diese Fangruppe ein, nahm von 1500 die Personalien auf und ließ sie nicht mehr zum Derby. Im Gegenteil, einige wurden aus der Sicherheitszone rund um die Generali-Arena gebrachet.

So blieb der im Prinzip ausverkaufte Gästefansektor zu mehr als zur Hälfte leer. Aber auch auf den violetten Tribünen blieben Lücken unübersehbar. Die sogannte „Rechtshilfe Rapid“ widersprach der Polizei-Version: Eine geplante Aktion der Exekutive, die viele Rapid-Fans bis lange nach Spielschuss auf engstem Raum zwischen  Tangenentübergang und Gästetribüne unverantwortlich und gefährlich eingekesselt und festgesetzt habe. Die Sperre der Tangente wäre schon vor dem Erscheinen der grün-weißen Anhänger geschehen. Das Thema wird noch für einigen Gesprächsstoff sorgen.

Nachher blätterten viele in den Geschichtsbüchern. Suchten nach ähnlichen Ergebnissen. Höher verlor Rapid in den letzten Jahrzehnten nur am 11. Oktober 1969 mit 0:6 (0:4) im Praterstadion, Bei Austria hieß der Trainer damals Ernst Ocwirk, bei Rapid sass wie gestern Fredy Bickel ein Schweizer auf der Bank. Auch als eine Art Sportchef. Karl Rappan hieß er. Drei Tore für Violett erzielte Josef Hickersberger, später mit Rapid sowohl als Spieler wie auch als Trainer Meister. Sein Sohn Thomas litt Sonntag bei Rapid als Co-Trainer mit Kühbauer ganz schlimm. Rapid schlug die Austria nie mehr als mit drei Toren Differenz. Gelang unter Hans Krankl, Peter Pacult und Zoran Barisic, bei ihm sogar zweimal auswärts. Beim 5:2 im Herbst 2015 fielen vor der Pause vier Tore, gestern waren es sogar fünf. Dass für die ersten drei Treffer Spieler mit einer Sturm-Vergangenheit sorgten, nämlich der ehemalige Rapid-Amateur  Christian Schoissengeyr, Marvin Potzmann und James Jeggo, bedeutete eine Derby-Premiere.

Nur hätte der Australier zu diesem Zeitpunkt nicht mehr am Platz stehen dürfen. Das ist der Fehler, den man Österreichs Topreferee Harald Lechner anlasten muss. Die rote Karte wäre die einzig richtige Konsequenz gewiesen, als der Australier ohne Chance auf den Ball, nach vier Minuten abräumte. Das wirkte sogar wie mit Vorsatz. Gelb war die falsche Entscheidung. Jeggo hatte damit Erfolg. Murg ließ sich einschüchtern, von ihm sah man danach nur noch wenig. Aber dieser Fehler des Schiedsrichters darf keine Ausrede oder Begründung für dieses historische Debakel sein. Die rote Karte für Dejan  Ljubicic (Bild oben), dem Goldschützen gegen die Rangers,  nach 33 Minuten beim Stand von 1:1 für ein Torraubfoul am davonstürmenden Bright Edomwonyi war nämlich korrekt. Das erste Mal in dem 328. Derby, dass Rapid als Auswärtsmannschaft in Konter lief. Aber nicht das letzte Mal.

Kühbauer überrascht  mit der Aufstellung. Ein Offensivspieler mehr als beim 0;0 gegen Sturm Graz oder dem Aufstieg gegen die Rangers. Anfangs schien die Marschroute aufzugehen, denn Rapid bestimmte mit fast 60 Prozent Ballbesitz das Geschehen. Steckte auch die überraschende Führung der Austria nach einer Standardsituation weg, glich aus. Ließ aber dann den Raum für die schnellen Austria-Spieler zu weit offen. Dass aus dem Freistoß nach dem Ljubicic-Rotfoul die Austria-Führung fiel, mag glücklich sein. Aber dann noch zwei Tore so zu kassieren, wie in den fünf Minuten danach, darf nicht passieren. Wie Kapitän Stefan Schwab mit einem leichtfertigen Fehlpass den schnellen Austria-Konter zum 3:1 durch Christoph Monschein einleitete, kann man nur als grob fahrlässig bezeichnen. Und das 4:1 bedeutete den dritten Treffer, den die Austria nach einer Standardsituation erzielte. Wobei Kapitän Florian Klein den Ball mit links zuvor in seiner Karriere wahrscheinlich nie so perfekt getroffen hat. Und man bezweifeln darf, dass ihm dies nochmals gelingen wird. Aber Rapid muss das besser verteidigen.

Damit war das Derby gegessen, ssah man nichts mehr von der verbesserten Rapid-Mentalität, die Kühbauer nach dem Aufstieg gegen die Rangers gelobt hatte. Sein Assistent Manfred Nastl verlor offenbar etwas die Nerven, musste die Betreuerbank verlassen. Sollte auch nicht sein. Mit der Derbyerfahrung würde er manches wohl nicht mehr so sagen wie Donnerstag und Freitag. Brutal, so rasch auf den schlimmen Boden der Tatsachen zurückgeführt zu werden. Man muss sogar annehmen, dass Rapid nicht mehr unter die ersten sechs kommt, wenn aus den Spielen gegen Salzburg, in St.Pölten und Mattersburg und daheim gegen Hartberg das Punktemaximum mit vier Siegen gelingt. Ganz bitter und unwürdig für Grün-Weiß, nicht zu akzeptieren. Das wird sich ab April auch in sinkenden Zuschauerzahlen zeigen.

Um sich wieder für den Europacup zu qualifizieren, wird Rapid entweder den Uniqa-Cup gewinnen müssen oder im Frühjahr die Qualifikationsgruppe. Dann den  Fünften der Meisterrunde im Allianz-Stadion besiegen und sich danach in zwei Spielen gegen den Vierten für die Qualifikation zur Europa League qualifizieren. Auch dazu werden Änderungen  im Winter definitiv notwendig sein. Austria hat jetzt die angenehmere Weihnachtszeit als Rapid. Keine Diskussionen um Trainer Thomas Letsch, der immerhin nach 17 Runden erstmals darauf kam, dass Thomas Ebner als linker Verteidiger wie mitunter letzte Saison bei Admira die beste violette Lösung sein könnte. Es ehrt Letsch, dass er trotz des historischen Siegs eingestand, dass Platz fünf zu wenig für Austria ist.

Schon vor dem Derby brachte der Sonntag hohe Siege. Von Tabellenführer l Salzburg mit 5:1 (5.0) im Spitzenspiel gegen den Dritten St. Pölten. Mit sieben Umstellungen gegenüber der Gala bei Celtic Glasgow. Die erste Hälfte verdiente einfach das Prädikat wertvoll. Smail Prevljak, als Torjäger nicht die erste Wahl, traf dabei in 38 Minuten viermal, zog mit dem Führenden der Schützenliste, gleich, Der spielt auch bei Salzburg und heißt Munas Dabbur. Salzburgs Reservisten sind also torgefährlicher als die Stürmer der anderen Klubs. Der letzte Salzburg-Spieler, der vor dem Bosnier in einem Bundesligamatch vier Tore erzielte, war vor neun Jahren Marc Janko.

Noch höher gewann Altach gegen Hartberg.  Das 6:1 (2:0) mit zei Toren des eingewechselten U 21-Teamstürmers Adrian Grbic kam nach den letzten Runden unerwartet. Trainer Werner Grabherr fühlte sich danach wieder ganz fest im Sattel, riskierte bei „Sky“ mit dem Sager, dass einige Spieler „verkopft“ gewesen seien, eine flotte Lippe. Sofern dies  eine Attacke gegen Präsident Karlheinz Kopf gewesen sein soll.

 

 

 

 

 

Foto: © ORF.at Mediathek.

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