Jubelszenen bei Bosnien, beim umsichtigen Innenverteidiger Toni Sunjic, der vor dem Goldtor von Edin Dzeko den Ball gegen Marko Arnautovic eroberte, wenn auch irregulär mit der linken Hand, und Salzburg-Legionär Darko Todorovic. Hingegen Betroffenheit bei Österreichs Leistungsträgern über das 0:1 zum Start in die Nations League, über die Niederlage im ersten Pflichtspiel unter Franco Foda. Die Bilder von Dienstag Abend aus Zenica. In Kreisen von Sturm Graz erzählt man sich, dass Foda auf unnötige Niederlagen ungemütlich regieren kann. Abwarten, wie seine Reaktion auf ein komisches Spiel sein wird, nach dem er sofort eingestand: „Wir hätten uns den Sieg nicht verdient, nur ein Unentschieden.“
Von Beginn an wirkte einiges irritierend. Es begann beim neuen Kapitän. Wann gab es das schon jemals zuvor, dass er beim Abspielen der Bundeshymne zu Boden blickte wie Marko Arnautovic und danach eigenartige Bewegungen machte? Vielleicht beschäftigten ihn die Pfiffe der bosnischen Fans wegen seiner serbischen Wurzeln doch mehr als er zugeben wollte. Es gehört zu den Dingen passend, dass Arnautovic nachher mit Dzeko in Sarajevo noch feiern ging. Zum „Captain´s Dinner“ sozusagen. Da flog auf, weil Bosniens Kapitän ein Fotoauf Instagram postete. Der Standpunkt von Foda: „Marko ist erwachsen genug, er muss wissen, was er tut.“
Die 95 Minuten von Zenica lieferten den Beweis, dass Österreich auch dann schlecht spielen kann, wenn es keine Diskussionen über die Position von David Alaba gibt, wenn er auf seiner starken linken Seite agiert. Aber viel zu wenig ins Spiel kommt. Das war eine der Schwächen. Stefan Lainer auf der rechten Seite betrieb den größten Aufwand, war diskussionslos der aktivste Österreicher, von denen man nachher fast ausweglos selbstkritische Töne hörte. Auch von Tormann Heinz Lindner, der glaubte, an einem guten Tag hätte er Dzekos Schuss gehalten.
Diskussionen über die Aufstellung sind im nachhinein überflüssig, weil sie nichts bringen. Hätte doch Aleksandar Dragovic wegen seiner Erfahrung und Ruhe im Abwehrzentrum beginnen sollen? War die neue Offensivvariante mit Valentino Lazaro und Michael Gregoritsch irgendwie der berühmte Schuss ins eigene Knie? Auffallend, dass Joker Louis Schaub zehn Minuten reichten, um sich einmal gefährlich im Strafraum in Szene zu setzen. Andere schafften das nicht in 95. Man kann es drehen und wenden, wie man will: Es gibt nicht nur in Österreich ein Problem, das beim Nationalteam ungelöst auf dem Rasen liegt: Es gibt keinen klassischen österreichischen Mittelstürmer mehr. Keinen Knipser, keinen Vollstrecker oder Stoßstürmer. Egal, wie man es nennen will. Einer wie früher Hans Krankl und Toni Polster, wie zuletzt 2014 und 2015 in der erfolgreichen EM-Qualifikation Marc Janko.
Man muss sich nur die Torschützenkönige der Bundesliga ansehen. Der letzte Österreicher war Philipp Hosiner vor fünf Jahren. Seit damals nur Legionäre: Dreimal Jonathan Soriano, je einmal Olewaru Kayode und Munas Dabbur. Die 14 Tore in den acht Spielen der Ära Foda erzielten acht verschiedene Schützen. Darunter kein Mittelstürmer. Denn Arnautovic ist genauso wenig einer wie Gregoritsch, Guido Burgstaller oder Sabitzer. Das sind offensive Mittelfeldspieler, die am liebsten rund um die vorderste Spitze agieren.
Dzeko ist so ein Mittelstürmer, der Klasse hat. Der von zwei Chancen eine nützt. So einer ist in Österreich keiner in Sicht. Am ehesten wäre dies Deni Alar. Ein „Schleicher“ mit Torinstinkt. Aber es kann passieren, dass er nicht trifft. Dann braucht er das Vertrauen des Trainers. Foda kennt ihn ja aus der gemeinsamen, erfolgreichen Sturm-Zeit: „Ich habe nicht alles schlecht gesehen. So wie ich auch in den erfolgreichen Testspielen nicht alles gut gesehen habe.“ Ein Stürmerproblem erkannte er nicht: „Burgstaller und Gregoritsch erzielen in der deutschen Bundesliga einige Tore, Arnautovic in England. Unsere Schwäche war, in der Zone, in der es vor dem Tor eng wird, zu viele falsche Entscheidungen zu treffen.“ Aber das könnte doch auch mit der Stürmerpersonal zu tun haben. Der Teamchef sieht sich in der Prognose, dass in der Nations League die Entscheidung erst am letzten Spieltag im November fallen wird, wenn Österreich in Belfast gastiert, bestätigt: „Noch ist nichts verloren. Wenn wir in den drei Partien, die folgen, unsere Leistung abrufen, ist Platz eins trotzdem noch möglich.“
Die Vorgaben erfüllt, perfekt umgesetzt _ das konnte am Dienstag nicht Foda sagen, sondern Werner Gregoritsch in Gibraltar. Nach dem 5:0 (1:0)-Pflichtsieg der U 21 auf Kunstrasen, der vor den letzten zwei Gruppenspielen in Serbien und gegen Russland in St. Pölten zu Platz zwei verhalf, da Russland gegen Serbien 1:2 verlor. Damit lebt die Chance, als einer der vier besten Gruppenzweiten ins Play-off zu kommen. Die Gegenwehr war natürlich geringer als die von Bosnien. Die U 21 hat mit Mario Kvasina den Typ des Stoßstürmers, aber für die Entscheidung sorgten die drei Tore von Holstein Kiel-Legionär Matthias Honsak, eigentlich ein Flügelspieler. Gregoritsch setzte den“Blitz aus Stadlau“ aber im Zentrum hinter Kvasina ein, fand mit Kelvin Arase nach der Pause den Joker, der über die Flügel für neuen Schwung sorgte. Der wahre Härtetest war aber erst die Rückreise am Mittwoch: Abfahrt vom Hotel knapp vor vier Uhr früh, Flug von Malaga nach Barcelona, dort Wartezeit, dann nach Wien.