Fußball

Das Wunder geht weiter und überstrahlt drei Enttäuschungen

Die  Frauen machen derzeit mehr für das Renommee von Österreichs Fußball als die Männer. Mit der Art und Weise, wie sie bei ihrer erster Europameisterschaft als Gruppensieger vor Frankreich, der Nummer drei der Weltrangliste, unter die letzten und besten acht in Europa kamen. Drei Spiele, sieben Punkte, nur ein Gegentor.  Vor eineinhalb Wochen galt noch ein Punkt als Erfolg, jetzt spielen die Frauen Sonntag ab 18 Uhr im Viertelfinale von Tilburg gegen Spanien. Mit dem 3:0 (1:0) gegen Island geht das Wunder weiter. Die neuen Heldinnen der Nation, egal ob Manuela Zinsberger, Carinna Wenninger, Verena Aschauer, Sarah Zadrazil, Laura Feiersinger, Lisa Makas, Nina Burger, Sarah Puntigam,  Viktoria Schnaderbeck, Nicole Billa oder Stefanie Enzinger, wussten nachher aus der lauten 100 km-Busfahrt zurück von Rotterdam ins Quartier nach Wageningen so wie zuvor beim Jubeltanz am Rasen des Sparta-Stadions oder durch die Mixed-Zone noch immer nicht so richtig, ob alles real oder nur ein Traum ist. Es ist wunderschöne Wirklichkeit Auch weil Teamchef Dominik Thalhammer offenbar der optimale Frauenversteher sein muss. Zu der Entwicklung darf sich auch Sportchef Willi Ruttensteiner gratulieren.

Peter  Hackmair erinnerte im ORF-Studio am Wiener Küniglberg alles an die U20-WM vor zehn Jahren in Kanada, bei der er selbst mitgespielt hatte. Als damals die rot-weiß-rote Fußballnation mit den Hoffnungen mitfieberte, der damalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer nach dem Viertelfinalsieg über  die USA in Toronto spontan am Handy von Teamchef Paul Gludovatz anrief. Mittwoch taten die Frauen genau das, wozu sie Bundeskanzler Christian Kern bei der Verabschiedung in der Hofburg aufgefordert hatte: Sie machten es gegen Island besser als die Herren. Die hatten aber in Paris keinen Helfer bei Island, die Frauen im Dauerregen von Rotterdam in Person der isländischen Torfrau Gudbjörg Gunnarsdottir, die bei den ersten zwei Toren von Zadrazil und Burger innerhalb von acht Minuten vor der Pause  gar nicht gut aussah. Am Ende applaudierten auch die 2500 isländischen Fans unter den 4120 Zuschauern nach ihren „Huh“-Rufen den verdienten Siegerinnen.

Vor zwei Wochen wäre es undenkbar gewesen, dass tagelang  Bilder der Fussballdamen auf Seite eins von Österreichs größten Tageszeitungen aufscheinen. Oder das spontane Angebot des Reisebüros des Fußballbunds für Busfahrten zum Viertelfinale nach Tilburg. Von Samstag Abend bis Montag früh. Mit dem Luxusreisebus von Wien mit Zusteigemöglichkeit auf den Autobahnraststätten bei St. Pölten und Linz-Ansfelden. Preis 179 Euro. Apropos Viertelfinale: „Das wird unglaublich eng“, prophezeite Thalhammer zum Duell gegen Spanien. Bisher lag er mit seinen Einschätzungen immer richtig: „Ich hoffe, dass dieser schöne Schmetterling noch ein paar Tage fliegt.“ Er glaubt, dass die rot-weiß-roten Erfolgsfrauen auch die Mittel haben, um den Spanierinnen, die Donnerstag beim 0:1 gegen Schottland dreimal nur Aluminium trafen, das Leben schwer zu machen. Vielleicht wird es sogar das Semifinale wie damals in Kanada.

Das Wunder ging weiter, überstrahlt drei  Enttäuschungen bei den Herren. Es begann vor den Damen wieder einmal in der  Qualifikation zur Champions League. Nämlich Salzburgs 1:1 (0:1) im Heimspiel gegen Kroatiens Meister NK Rijeka vor den Augen von Red Bull-Chef Didi Mateschitz. Trainer Marc Rose gab zu, dass man sich ein anderes Ergebnis gewünscht hätte. Er musste zur Pause in der Kabine laut werden, um die Mannschaft aufzuwecken. Das gelang zwar, weil Rose ein richtiger Deutscher ist, wie Valon Berisha nachher bemerkte. Aber es reichte nur zum Ausgleich, nicht zu mehr. Sicher stimmen die Einwände, dass die vielen Verkäufe des letzten Jahres ihre Suren hinterließen. Aber die Mannschaft, die Mittwoch am Platz stand, kann es besser und aggressiver, als sie es zeigte. Etwa der Brasilianer Paulo Miranda: National eine Macht, international aber fehleranfällig im Abwehrzentrum. Und so manche personelle Ressource blieb ungenutzt. Etwa die schwarze Perle Amadou Haidara. Vielleicht könnte auch die Routine von Christoph Leitgeb  nächsten Mittwoch beim Retourspiel in Rijeka helfen. Salzburg muss sich deutlich steigern, sonst scheidet der Meister erstmals nach einem 1:1 im Heimspiel aus. 2009 war Salzburg nach diesem Ergebnis zweimal auswärts aufgestiegen. Gegen Bohemians Dublin und Kroaten-Meister Dinamo Zagreb. „Wir können mit dem 1:1 gut leben“, versicherte Alex Gorgon, der Österreicher bei NK Rijeka, „im Rückspiel haben wir die Unterstützung  von fast 8000 Fans, das ist eine kleine Festung.“ Die letzte Heimniederlage bezog Rijeka am 16. Juli 2015.

Sicher kein Thema ist Valentino Lazaro. Sein Fehlen bedeutete den ersten Tiefschlag. Das seit dem Cupsieg am 1. Juni in Klagenfurt lädierte Sprunggelenk erfordert zumindest eine dreiwöchige Pause wie nach einem Besuch beim deutschen Sportarztguru Hans Wilhelm Müller-Wohfahrt in München feststeht. Der bezeichnete die Verletzung zwar nicht als gefährlich oder dramatisch, empfahl jedoch dringend, sie komplett auszuheilen. Sonst könnte sie chronisch werden. Daran hielten sich sowohl Rose als auch Lazaro. Ob dadurch der ausgehandelte Vierjahresvertrag mit Hertha BSC Berlin wackelt, konnte Lazaros Berater Max Hagmayr  noch nicht abschätzen. Gegen das Abschiedsspiel von Lazaro für Salzburg am Mittwoch hätte Hertha keine Bedenken gehabt, aber jetzt gibt´s eine neue Lage.  Die ungewöhnlich lange Verletzungsliste des 21jährigen war schon Thema in den deutschen Medien: 2012/13 zwei Mittelfußbrüche in kurzer Folge, später Bänderriss im Sprunggelenk und langwierige Oberschenkelblessur. Hertha-Sportchef Michel Preetz will auf Nummer sicher gehen, einige Untersuchungen stehen noch aus.

Die Fortsetzung von Salzburg lieferten Donnerstag Sturm und Austria am Donnerstag in der Europa League. Sturm ließ vor ausverkaufter Heimkulisse gegen Fenerbahce die Chancen nach der schnellen 1:0-Führung aus, den Vorsprung zu vergrößern, lag bis zur Pause 1:2 zurück, konnte dies trotz  guter Chancen nicht mehr ausgleichen. Damit wird nächsten Donnerstag im Sükrü-Saracoglu-Stadion im asiatischen Teil von Istanbul nichts zu holen sein, obwohl man den Türken anmerkte, noch nicht im Meisterschaftsrhythmus zu stehen. Noch enttäuschender das 0:0 der Austria gegen AEL Limassol. Auch wenn die Kulisse im Happel-Stadion mit 5900 Zuschauern nicht animierend war, da hätte mehr Tempo und Leidenschaft kommen müssen. Bezeichnend für die derzeitige Stimmung, dass während der schwachen Nullnummer auf der Werbedrehbande eine Einschaltung von Wettanbieter Admiral mit den Worten „Wir gratulieren Österreichs Frauenteam zum Aufstieg ins Viertelfinale“ lief.  Jetzt lauft der zuvor sicherste Aufstiegstipp Austria Gefahr, ähnliche schlechte Erfahrungen mit einem zypriotischen Gegner zu machen wie  der Erzrivale Rapid, der 2008 in der Qualifikation zur Champions League an Anorthosis Famagusta gescheitert war.

Keine Enttäsuchung, sondern als einziger Klub positiv und über den Erwartungen Altach mit dem 1:1 bei Belgiens Meisterschaftsdritten Gent. Nach dem siebenten Pflichtspiel hintereinander ohne Niederlage unter Trainer Klaus Schmidt und seinem Assistenten Thomas Hickersberger reicht nächsten Donnerstag  in Innsbruck sogar ein Austria-Resultat (0:0) zum sensationellenAufstieg ins Play-off. Der wäre gegen den derzeitign österreichischen Männer-Trend.

 

 

 

Foto: Instagram.

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