Fußball

Deutschland in Angst vor schlimmster Gewalt-Saison

Die Vorfälle beim Wiener Derby, die dazu führten, dass Schiedsrichter Alexander Harkam das Match im Finish für fünf Minuten unterbrach, werden ein Nachspiel haben. Die Bundesliga leitete ein Verfahren gegen Rapid ein. Logisch, weil ja aus dem Fansektor Rapid Wurfgeschosse gegen Austria-Spieler kamen, eines auch den Referee traf. Offizielle Worte des Bedauerns fehlten von Rapid am Tag danach, ebenso die Distanzierung von den Übeltätern. Was viele in Ihrer Meinung, die grün-weiße Chfetage um Präsidenten Michael Krammer  und Wirtschaftsvorstand Christoph Peschek sei in Sachen Fans zu nachsichtig, bestärkte. Sportvorstand Fredy Bickel gestand nach dem 2:2  gegenüber „Sky“ immerhin, dass bei einigen wenigen  Fans, so hervorragend sie die Mannschaft auch unterstützen, mitunter Dinge passieren, die nicht passieren sollten. Die Austria kritisierte  am Montag deplatzierte Meinungen einiger Rapid-Spieler, wollte nicht einsehen, dass „Opfer“ Raphael Holzhauser nicht ein bisschen auch Täter, sprich Provokateur war, meinte nicht zu Unrecht, im  Europacup würden solche Aktionen wenn nicht zu einer Stadionsperre zumindest zu einer des Sektors mit den Übeltätern führen. Passierte Rapid ja vor zwei Saisonen schon im Happel-Stadion. Vorstand Markus Kraetschmer, zugleich Vizepräsident der Liga, warnte, eine kleine Gruppe könnte alles zum Kippen bringen. Was geschieht diesmal? Eine  fünfstellige Geldstrafe, die Rapid kommentarlos zahlen würde, oder mehr?

Am Dienstag meldete sich Peschek, distanzierte sich von den Vorfällen, kündigte für die Übeltäter Konsequenzen an, verband dies mit Kritik an Referee Harkam und Vorwürfen gegen die Austria. Deren Fans bei drei Derbys im Allianz-Stadion durch Vandalimismus laut Peschek für einen Schaden in Höhe von 70.000 Euro sorgten. Die Ankündigung der Konsequenzen klingt aber wenig glaubhaft, wenn der Fan-Ordner, der an der Hektik im Finish nicht unwesentlich beteiligt war, eine bewegte Vergangenheit hinter sich hat: Mit einer Stadionsperre, weil er 2011 am Platzsturm beim Derby im Hanappi-Stadion beteiligt war.

In Deutschland ist die Fanszene auch ein Riesenthema, noch bevor die Bundesliga wieder losgeht. Dort geht die Angst vor der bisher schlimmsten Gewalt-Saison um, seit es  in einem Hass-Song eines  Ruhrpott-Rappers namens „M.I.K.I“ praktisch eine Kriegserklärung an den Verband, den DFB gab. Der Rapper, der bürgerlich Michel Puljic heißt, Amateurspieler und Fan von Borussia Dortmund, schreit vor einer Feuerwand, Pyros, die Ultras-Fans in den Stadien abfackeln, seinen Hass heraus. Es brodelt im Weltmeisterland hinter der Fassade. Die Hardcore-Fans, sprich Ultras, sagten zu viel Geldgier, zu viel Kommerzialisierung, zu wenig Liebe zum aus ihrer Sicht „wahren Sport“, den Kampf an.  Als ihre Zielscheiben gelten der DFB, vereinsuntreue Spieler, Manager und Berater. Eine Zeile des bedrohlichen und teils beleidigenden Liedtext heißt: „Ich schrei, Krieg dem DFB, weil ihr mein Liebe zerstört.“ Oder: „Wie sie gern die Fans verarschen und das ganze Land betrügen. DFB, Berater, Spieler, überall korrupte Affen. Die nur Kohle seh´n und leider auf den Fußball kacken!“

Wie zur Bestätigung sorgten 45 Chaoten von Aufsteiger Hannover 96 Samstag in England für einen Abbruch des Tests  gegen Burnley, als sie den Burnley-Block stürmen wollten, Sessel aus ihrer Verankerung rissen. Schon beim  Hannover-Trainingslager am Wörthersee in Velden fiel ein Hannover-Fan mit dem Hitlergruß während des Tests gegen Konyaspor ganz schlimm auf. Den Hannover-Ultras ist auch Langzeit-Präsident Martin Kind  ein Dorn im Auge, weil er die Mehrheitsanteile des Klubs übernehmen will. Jetzt droht Hannover beim Heimstart gegen Schalke die Sperre einer Tribüne.Es braut sich also etwas zusammen.

An den schlimmen Randalen am Sonntag beim Kopenhagen-Derby sollen Ultras des Hamburger SV beteiligt gewesen sein: Nach Bröndbys spätem Siegestor sorgten Chaoten-Fans des FC Kopenhagen für schlimme Randale, eine 17minütige Unterbrechung, prügelten auf Polizisten und Ordner ein, bei denen es elf Verletzte gab. Borussia Dortmunds Chef Hans Joachim Watzke sprach Klartext: „Ich sehe die Tendenz, dass die Ultras-Szene näher zusammenrückt. Wenn Grenzen überschritten werden, kann es keine Gespräche mehr geben.“ Die „Kriegserklärung“ kommt nicht nur aus Dortmund, sondern auch von den Ultras aus Dresden. In ganz Deutschland soll es zirka 25.000 Ultras geben.

DFB-Präsident Reinhard Grindel: „Die Stadionordnung muss überall eingehalten werden. Alle sollen angstfrei zum Fußball gehen können.  Wir müssen noch mehr überlegen, wie unsere Strafen die wirklich verantwortlichen Gewalttäter treffen.“ Letzten Februar wurde die berühmte größte Stehplatztribüne der Welt, die Südtribüne in Dortmund, wegen Transparenten mit Hassparolen gegen RB Leipzig für ein Spiel gesperrt. Österreichs Polizei sagte  in den letzten Wochen Testspiele deutscher Klubs in Österreich aus Sicherheitsgründen ab. Grindel: „Einzelne Ultras wollen mehr Gewalt in die Stadien tragen.“ Dafür benützen sie die Fehlentwicklungen im Fußball als Vorwand. Klingt alles nach einer harten Saison in Deutschland. In Österreich ist zum Glück nicht annähernd so viel Geld im Spiel. Aber das schützt vor Zwischenfällen wie im Wiener Derby auch nicht. Und da kann´s nur eine Devise geben: Schon bei den Anfängen konsequent durchgreifen, bevor es wieder zu einem Platzsturm kommt.

 

Foto: FussballBild.

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