Fußball

Die Hand des Wunderteams: Erinnerungen an Legende Rudi Hiden

Im 22. Wiener Gemeindebezirk gibt es unweit des Kagraner Platzes seit zwölf Jahren eine Rudi Hiden-Gasse. Eine der wenigen Erinnerungen an den 11.September 1973 eigentlich in völliger Vergessenheit verstorbenen Torhüter von Österreichs Wunderteam aus den Dreißigerjahren, der besten Mannschaft in Österreichs Länderspielgeschichte. Seit letzter Woche gibt es eine neue: Eine Biografie des weltberühmten Grazer Keepers im Leykam-Verlag über 210 Seiten von David Herrmann-Meng. Mit bisher unbekannten Dokumenten und Fotos, allen interessanten und tragischen Details über den gelernten Bäcker und Frauenliebling. Der stets mit Rollkragenpullover zwischen den Pfosten agierte, was noch Jahrzehnte später Nachahmer fand. Das Vorwort des ORF-Reportlegende Sigi Bergmann hat den Titel Wundertorhüter, Don Juan, Bankrotteur und ein tragisches Lebensfinale. Der sagt alles in Kurzform.

Vor acht Jahren enthüllte der Grazer AK eine Gedenktafel für den berühmtesten Spieler der Klubgeschichte.  Im steirischen Verband gibt es ein Hiden-Museum, der Hiden-Raum dient als Besprechungszimmer. Bereits mit 16 brachte sich Hiden mit seinen Leistungen in die Schlagzeilen zwei Jahre später übersiedelte er nach Wien. Der WAC zahlte für ihn 500 Schilling Ablöse. Gleich bei seinem Debüt erfand Hiden das „Steirertor“. Ein Begriff, der bis heut für einen peinlichen Tormannfehler, durch den ein leicht vermeidbarer Treffer entsteht, seine Gültigkeit hat. Der geht auf Hidens berühmten Mitspieler  Karl Sesta zurück, der nach dem Fehler des Debütanten ausrief: „So ein Tor kann nur ein Steirer kriegen“. Die Geburtsstunde des Steirertors.

Präsentierte wurde das Buch auf der Hohen Warte. Wo Hiden öfters im Tor des Wunderteams geglänzt hatte. Meist mit weißem Rollkrangenpullover unter dem schwarzen Dress, mit weißer Kappe. Neben dem grandiosen Stürmer Matthias Sindelar wuchs er zum zweiten Fixtsern des Wunderteams, der sich den Ruf erwarb, zu den drei besten Torhütern der Welt zu gehören. 1930 hielt er auf der Hohne Warte beim 0:0 gegen England so grandios, dass ihn Arsenal nach London holen wollte. Das scheiterte nur daran, dass  er damals keine Arbeitsgenehmigung bekam. Also musste er von der Insel nach Wien zurückkehren. Drei Jahre später gab es mit der Arbeitsgenehmigung in Frankreich keine Probleme. Hiden wechselte mit dem jungen Floridsdorfer Angreifer August Jordan zu Racing Paris, aus Rudi wurde 1937, als er die französische Staatsbürgerschaft annahm, Rodolphe. Zwei Jahre zuvor forderte er  ein höheres Gehalt, trat während der Wartezeit erstmals als Elfmeterkiller im Zirkus auft. Als Merlin verzauberte er alle, ab 1936 auch wieder Racing Paris. 1940 während des zweiten Weltkriegs bestritten Jordan und er sogar ein Länderspiel für Frankreich. Hiden revolutionierte damals en Tormannstil. Fangsicher, mutig, konsequent, mitunter sogar brutal beim Herauslaufen. Mit Stümern kannte er keine Gnade. Fritz Gschweidl, ein Mitspieler Hidens im Wunderteam, wurde von ihm schwer verletzt.

So erfolgreich Hiden als Fußballer war, so erfolglos wirkte er als Trainer, so ruinös  als Geschäftsmann. Zuerst mit einer tollen Bar in Paris, in die er sein ganzes Vermögen steckte. Wenn Hiden pleite war, gab´s wieder ein Engagement im Zirkus, mit dem er den Lebensunterhalt verdiente. Auch der Versuch mit einem Hotel am Wörthersee ging in den Sechzigerjahren total daneben. Verarmt und krebskrank kehrte er in die Heimat zurück, Bittbriefe an den damaligen Bundeskanzler Bruno Kreisky hatten Wirkung. Denn der war au seiner Jugend-Zeit her ein glühender Hiden-Fan. Ich hatte als junger Journalist bei einem meiner ersten Einsätze bei einem Länderspiel die Gelegenheit, Rudi Hiden kennenzulernen: Es war im September 1970 im damaligen Grazer Liebenau-Stadion. Vor dem 0:1 gegen  Jugoslawien gab es in der Kabine einen Medientermin: Hiden trifft auf einen Nachfolger als steirische Tormannlegende, auf Gernot Fraydl, zu dieser Zeit Legionär in der deutschen Bundesliga bei 1860 München. Es war  Hiden schon damals anzusehen, dass es ihm nicht gut ging, der Krebs bei ihm rasende Schmerzen verursachte.

1970 sorgte Kreisky dafür, dass Hiden wieder die österreichische Staatsbürgerschaft bekam. Damit konnte er eine Invalidenrente beziehen.1972 musste Hiden ein Bein amputiert werden, am 11. September 1973 starb er verarmt und vergessen. Kreisky sorgte für sein Begräbnis am Stammersdorfer Friedhof und für eine Ehrenpension an Hidens französische Gattin. 44 Jahre später lebt die Erinnerung an den besten österreichischen Tormann der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in lesenswerter Buchform wieder auf. Mit Interviews von Nachfolgern Hidens im Teamtor. Mit Otto Konrad, so wie Hiden ein Grazer, und mit Michel Konsel. Eine Parallele zwischen Hiden und Konrad: Hiden begann beim GAK als Mittelstürmer, Konrad war bis zum 13. Lebensjahr Feldspieler beim Grazer Sportclub. Konrad kann sich noch an das Gemälde des Wunderteams erinnern, das ihm einst sein Großvater gezeigt hat; „Hiden war ein Pionier des Fußballs. Er hätte es sich verdient, dass man sich an ihn erinnert“. Das Buch bietet dazu die Gelegenheit.

 

Foto: Rudi Hiden – Die Hand des Wunderteams.

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