Fußball

Gegen den Weltmeisterfluch, um die Fortsetzung der Erfolgsserie Europas

Sonntag in Doha Auftakt zur ersten Weltmeisterschaft in der Wüste, die im Winter und in klimatisierten Stadien gespielt wird, in der nur eine Woche zwischen der letzten Runde in Europas Ligen und dem Startspiel zwischen Katar und Ecuador liegt. In der mit Ausnahme von Deutschland alle Teilnehmer in Doha ihr Quartier bezogen, in Fünfsterne-Hotels. In der erstmals in der WM-Geschichte Schiedsrichterinnen im Einsatz sind. Aus Frankreich, Japan und Ruanda. Die Vorfreude hält sich vorerst in Grenzen. Selbst vor der letzten wegen des Austragungsorts Russland ebenfalls umstrittenen WM war sie gefühlt größer. Auch, weil sie wie gewohnt im Sommer über die Bühne ging. Die Wettanbieter fürchten allerdings auch im November und Dezember nicht um ihr Geschäft. Weil die WM praktisch ohne Pause ins „normale“ Programm passt. Wie die europäischen Bewerbe.

Bleibt die Frage nach der Fitness der Spieler nach der Hetzjagd mit englischen Wochen seit Oktober. Einige erwarten ausgelaugte Stars, andere sehen das anders. Wie etwa Österreichs Ex-Teamverteidiger Florian Klein mit der Erfahrung seiner 45 Länderspiele und EM-Teilnahme 2016, als Experte von Servus TV vier Wochen in Katar: „Die Spieler sind wohl so fit wie nie. Im November steht man voll im Saft. Im Juni hast du 40, 50 Spiele hinter dir. Der Temperaturunterschied ist aber schon ein Thema!“ Nicht wegen der Spiele, da es in den Stadien höchstens 23 Grad haben wird, sondern etwa wegen des Trainings in der Hitze um 30 Grad. Das sagte Klein Mittwoch in Wien bei einer Podiumsdiskussion im Breakfast Club von sportbusiness.at

Freitag flog Klein nach Doha. Ob dort die Serie der Weltmeister aus Europa weiter geht?  Schafft eine der 13 europäischen Teilnehmer den fünften Titel des Alten Kontinents nach Italien (2006), Spanien (2010), Deutschland (2014) und Frankreich (2018)? Von den 13 waren in Russland Holland und Österreich-Bezwinger Wales nicht dabei. 2018 stellte Europa zehn der 16 Mannschaften im Achtelfinale, sechs von acht im Viertelfinale, mit Frankreich, Belgien, Kroatien und England alle Semifinalisten. Letztmals verpasste Europa den Titel vor 20 Jahren in Südkorea und Japan, wo Brasilien im Finale Deutschland 2:0 bezwang.  Welches  europäische Mannschaft hat Chancen, Weltmeister zu werden? Holland zeigte zuletzt einen Aufwärtstrend, ist in der Gruppe mit Gastgeber Katar, Ecuador und Senegal klar zu favorisieren. Mit seinem Abwehrchef Vigil an Dijk, Mittelfeldmotor Frenkie de Jong und Schlüsselspieler Memphis Depay, der in der Qualifikation bester Torschütze und Vorlagengeber war. Dazu kommt die Erfahrung von Louis van Gaal in seiner dritten Teamchefära. Der 71jährige hatte bei der WM 2014 Oranje bis ins Semifinale geführt. Depay war im Herbst beim FC Barcelona praktisch nicht „existent“, kam nur auf drei Einsätze. Der Torhüter gilt zudem als eine Problemposition, Afrikameister Senegal muss auf seinen Topstar verzichten: Ex-Salzburg-Legionär Sadio Mane wurde wegen der bei Bayerns Kantersieg gegen Werder Bremen erlittenen Verletzung am Wadenbeinköpfchen Donnerstag in Innsbruck von der Kapazität Christian Flick und einem englischen Spezialisten operiert. Drei Monate soll er ausfallen.

England hat mit Kapitän Harry Kane, Raheem Sterling und Phil Foden ein Offensivtrio, von dem andere nur träumen können. Die Abwehr gilt als Sorgenkind. Nach dem jüngsten Abstieg in der Nations League geht´s auch um den Job von Teamchef Gareth Southgate. Die Gruppenphase gegen die USA mit dem Ex-Salzburger Brenden Aaronson, Iran und Wales wird kein Problem sein. Für Polen wird es gegen Argentinien (mit Weltstar Lionel Messi seit 36 Spielen ungeschlagen), Mexiko und Saudiarabien um Platz zwei gehen. Bei den letzten drei WM-Teilnahmen 2002, 2006 und 2018 war bereits nach der Vorrunde Schluss. Außer Torjäger Robert Lewandowski hat Polen nur Durchschnitt zu bieten. Er hat nicht nur auf dem Spielfeld großen Einfluss. Das muss Teamchef Czeslaw Michniewicz akzeptieren. Zumal er nur dritte Wahl war. Der Italiener Fabio Cannavaro und der Ukrainer Andriy Shevchenko gaben den Polen  einen Korb.

Frankreich kämpft gegen den Weltmeisterfluch, will nicht nach Italien, Spanien und Deutschland der vierte Titelverteidiger in Serie sein, der in der Gruppenphase scheitert. Das sollte gegen Dänemark, Tunesien und Australien nicht passieren. Gegen die Dänen bezogen die Franzosen zuletzt in der Nations League zwei Niederlagen. Trotz der Ausfälle von N´Golo Kante und Paul Pogba gehören die Franzosen durch ihr individuelles Potenzial zu den Topfavoriten. Allein wegen der Offensive mit Kylian Mbappe (Bild oben), Karim Benzema, Kingsley Coman, Ousmane Dembele, Antoine Griezmann und Olivier Giroud. Wenn „Les Bleus“ eine Einheit sind, kann Teamchef Didier Deschamps seinen Legendenstatus mit dem zweiten WM-Titel als Teamchef noch vergrößern. Das wäre erstmals seit 60 Jahren, seit Brasilien 1962 in Chile, dass eine Mannschaft den Titel verteidigt. Die Dänen, bei der Europameisterschaft letztes Jahr im Semifinale, gelten mit dem Ex-Salzburger Rasmus Kristensen als Geheimtipp. Alles dreht sich um Christian Eriksen, der seinen Zusammenbruch vor einem Jahr bei der EM in Kopenhagen gegen Finnland völlig überstanden hat, wieder glänzende Leistungen zeigte.

Mit Deutschland und Spanien treffen schon zwei europäische Schwergewichte in der Gruppe aufeinander. Japan mit acht Legionären aus der deutschen Bundesliga und dem Ex-Salzburger Takumi Minamino  sowie Costa Rica werden nicht mithalten können. Die Spanier zeigten zuletzt bessere Leistungen als die Deutschen. Mit den Toptaten Pedro (20) und Gavi (18) im Mittelfeld. Es gibt aber Zweifel an der Abwehr, in der zentral mit Barcelonas Eric Garcia und Pau Torres von Villarreal zu wenig Klasse im Einsatz ist. Auf Deutschlands Teamchef Hansi Flick wartet seine erste große Bewährungsprobe. Er verlässt sich auf den Block seines ehemaligen Klub Bayern München mit Manuel Neuer, Joshua Kimmich, Leon Goretzka, Jungstar Jamal Musiala, Serge Gnabry, Leroy Sane und Routinier Thomas Müller, der Samstag nach wochenlanger Pause voll ins Training einsteigen soll. Auf den Ausfall seines torgefährlichsten Stürmers Timo Werner reagierte er Flick mit zwei Neulingen: Den 29 jöhrigen Niclas Füllkrug von Werder Bremen für die Variante mit der Brechstange und Dortmunds Yousoufa Moukoko, der am Tag der WM-Eröffnungseinen 18, Geburtstag feiert.

Die Gruppen mit Belgien, Kroatien, Marokko und Kanada wird Österreichs Teamchef Ralf Rangnick am meisten interessieren, weil der Weltranglistenzweite Belgien nächstes Jahr der Gegner im Kampf um das EM-Ticket ist, Die Belgier haben Weltklasseleute wie Kevin de Bruyne von Manchester City, mit dessen Kreativität alles steht und fällt, und Real Madrids Tormann Thibault Courtois, aber für den Titel wird es wie die Jahr zuvor wieder nicht reichen. Zumal hinter Torjäger Romelu Lukaku (68 Tore in 102 Länderspielen) wegen seiner Fitness nach einer Oberschenkelverletzung ein Fragezeichen steht. Nicht in Besetbestzung verlor Belgien Freitag den letzten Testgegen Ägypten mit Liverpool-Star Mo Salah 1:2 (0:1). Die Gruppe wird auch zum Oldietreffen: Bei Kanada der 39 jährige Atiba Hutchinson, Legionär bei Besiktas Istanbul, wo er bereits ein Mitspieler von Veli Kavlak war, bei Kroatien der herausragende Kapitön Luka Modric mit 37, bei Belgien mit Innenverteidiger Jan Vertonghen und Stürmer Dries Maertens zwei 35 jährige.

In der Brasilien-Gruppe werden die Salzburg-Legionäre Noah Okafor mit der Schweiz und Strahinja Pavlovic mit Serbien gemeinsam mit Kamerun um Platz zwei kämpfen. Die verpatzte Schweizer Generalprobe (0:2 gegen Ghana) sorgte bei Österreichs Nachbarn für „Nati-Alarm“. Bei Favorit sind in der Abwehr ein 39 jähriger (Rechtsverteidiger Dani Alves) und ein 38 jähriger (Thiago Silva im Zentrum) dabei, bei Kamerun gilt nicht nur Bayerns Mittelstürmer Eric Choupo-Moting als Hoffnungsträger, sondern auch Altachs Ex-Legionär Nicolas Ngamaleu, jetzt Legionär in Russland bei Dynamo Moskau. Portugal qualifizierte sich für seine sechste WM-Teilnahme in Folge erst via Play offs. Das ändert nichts daran, dass sich die Portugiesen alles zutrauen. Trotz der Probleme um Cristiano Ronaldo bei seiner fünften WM-Teilnahme: Die Manchester United-Legionär Bruno Fernandes und Diogo Dalot machen kein Geheimnis daraus, dass sie Ronaldos verbalen Abrechnung mit ihrem Klubs gar nicht gefällt. Ohne Ronaldo schlugen die Portugiesen Donnerstag in Lissabon Nigeria 4:0, das Fehlen des 37 jährigen hatte der väterliche Teamchef Fernando Santos schon vorher angekündigt. Der 37 jährige Ronaldo ist nicht Portugals ältester Spieler, sondern der 39 jährige Innenverteidiger Pepe. Auch bei Uruguay, dem Rivalen um den Gruppensieg, geht´s um Oldies, um einen erfolgreichen Abgang für zwei 35 jährige, für Luis Suarez und Edson Cavani. Einer von beiden wird der Sturmpartner von Liverpool-Torjäger Darwin. Südkorea und Ghana sind nur Außenseiter.

Gefühlt könnte Portugal das Viertelfinale schaffen. Ebenso Holland, England, Frankreich, Dänemark, Deutschland, Spanien, Belgien, Kroatien, Serbien. Zehn europäische Kandidaten für die letzten acht, Wer bleibt auf der Strecke?

Foto: UEFA.

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