Fußball

Graz + Wörgl = Erfolgsduo bei Southampton

Ein österreichisches Trainerduo funktionierte bisher dreimal in der deutschen Bundesliga. Von 2013 bis 2017 beim 1.FC Köln und im Frühjahr 2018 bei Borussia Dortmund mit Peter Stöger und Manfred Schmid, seit letzter Saison bei Eintracht Frankfurt mit Adi Hütter und Christian Peintinger, und seit Juli bei Wolfsburg. Dort hat Oliver Glasner mit  Michael Angerschmid, Thomas Sageder und Michael Berktold  drei Österreicher in seinem Trainerstaff. In England funktioniert das erste österreichische Trainerpaar, das in der Premier League am Werken ist, durchaus. Die Mischung aus Graz, sprich Ralph Hasenhüttl, und Wörgl, sprich Richard Kitzbichler ergibt ein Erfolgsduo beim FC Southampton. Vor einem Jahr arbeitet Kitzbichler noch in Peking an der Seite von Ex-Salzburger-Trainer Roger Schmidt in einer Stadt mit 21,54 Millionen Einwohnern, jetzt an der englischen Südküste in einer mit knapp 255.000. Einwohnern. Die Unterschiede sind natürlich gewaltig: Viel weniger Menschen auf den Strassen, viel, viel weniger Verkehr. Und eine  viel, viel  bessere Luft, wie Kitzbichler zufrieden feststellte. Und eine ganz andere, viel, viel intensivere Liga.

Sieben Jahre lang, von 2009 bis 2017, arbeitete er als Videoanalyst bei Salzburg. Unter Huub Stevens, Ricardo Moniz, Roger Schmidt,  Adi Hütter, Peter Zeidler, Thomas Letsch und Oscar Garcia. Dann reizte der Ruf von Schmidt, ihn nach China zu begleiten. Ein Abenteuer, das er nicht missen will. Beijing Guoan wurde Cupsieger, lag auf Platz zwei, als das Kapitel im Juli 2019 zu Ende ging, weil Schmidt seinen mit Jahresende auslaufenden Vertrag nicht verlängern wollte.  Mit dem Chef musste auch der Assistent gehen. Es traf sich gut, dass Hasenhüttl zu dieser Zeit nach einem Assistenten Ausschau hielt. Weil sein bisheriger, der Deutsche Danny Röhl, zu Bayerns München ins Team von Niko Kovac gewechselt war. Der Kontakt zwischen Hasenhüttl und Kitzbichler kam irgendwie über Schmidt zu Stande. Zu dessen Berater, dem Rechtsanwalt Marco de Angelis, hat auch Hasenhüttl einen guten Draht. erfuhr von ihm, dass Schmidts Assistent Kitzbichler  zu haben und an einem Job bei Southampton durchaus interessiert wäre. Schmidt und Hasenhüttl haben punkto Fußball und Pressing ähnliche Ideen. So ergaben sich Parallelen. Und bei den ersten Kontakten erkannten Hasenhüttl und Kitzbichler, dass sie fußballerisch ähnlich ticken. Der 52 jährige Hasenhüttl hat dem um sechs Jahre jüngeren Kitzbichler an Erfahrung doch etwas voraus, Kitzbichler kann damit „kontern“, mit 17 Länderspielen 15 mehr als Hasenhüttl bestritten zu haben. Aber das ist kein Thema.

Am 23. August, in der dritten Runde begann die Zusammenarbeit. Mit dem ersten Saisonsieg, dem 2:0 in Brighton. Kitzbichler genießt an der Seite von Hasenhüttl die vielleicht aufregendste Zeit in seinem Leben auf der Trainerbank: „Alles in dieser Liga ist sehr eng, da kann alles schnell kippen“. Es war nicht alles eitel  Wonne in den viereinhalb Monaten, es gab sehr schwere Wochen auf einem Abstiegsrang: „Aber die Reaktion war richtig. Wir besprechen alles, aber Ralph ist der  Boss.“ Mehr oder besser gegen den Ball arbeiten, das System auf 4-2-2-2 umgestellt, das sind für Kitzbichler Faktoren des Umschwungs bis auf Platz zwölf mit sieben Punkten Abstand zur Abstiegszone. Und die Topform von Torjäger Danny Ings: „Er hat nicht mehr mit Verletzungen zu kämpfen, kann voll trainieren, das merkt man. In Southampton fühlt er sich wohl, er stammt ja aus dieser Gegend. Ingsy kann alles“, behauptete Kitzbichler, „ist mannschaftsdienlicher Teamplayer und Knipser im Strafraum in einer Person.“ Im Moment herrscht eitel Wonne. Aber Österreichs Trainerduo weiß: „Man darf nie nachlässig werden. Auch nicht jetzt. Das wird hier brutal bestraft“, sagt Kitzbichler, „aber wir haben eine Supermentalität entwickelt, trauen ins inzwischen zu, in jedem Spiel zu punkten!“ Zunächst Samstag daheim im St.Mary´s gegen Wolverhampton, dann in der folgenden englischen Woche im Süden Londons gegen Crystal Palace und selbst an der Anfield  Road beim FC Liverpool.

Der Alltag spielt sich von Morgen bis Abends meistens im Trainingszentrum Staplewood, das mit zwölf verschiedenen Plätzen keine Wünsche offen läßt, ab. Dort wird die Mannschaft praktisch auch von den Medien abgeschirmt. Eine etwas neue Welt, die Kitzbichler da kennenlernte. Neu war für ihn auch, dass die Polizisten im Straßenverkehr ähnlich konsequent einschreiten wie die Abwehrspieler in der Premier League. Aber daran hat er sich inzwischen gewöhnt.Er ist immer ruhig, bleibt im Hintergrund. So auch letzten Samstag in Leicester. Hasenhüttl machte nach dem Siegestor von Ings zum 2:1 in Leicester in seiner Coaching Zone Jubelsprünge, Kitzbichler blieb einen Tag vor seinem 46. Geburtstag ruhig auf der Bank sitzen mit einem weißen Zettel in der Hand, (Bild oben rechts). auf dem er sich stets notiert, was ihm auffällt. Das 2:0 gegen Chelsea an der Stamford Bridge sieht er als bisherige Highlight. Weil in der Premier League die Spiele am Boxing Day einen speziellen Stellenwert haben. Wenn  dabei auswärts ein Sieg über Chelsea gelingt, dann ist das etwas besonders. Im Heimspiel hatten wir gegen Chelsea noch keine Chance“. Auch die Episode mit Jose Mourinho beim 1:0 über Tottenham am Neujahrstag wird er nicht vergessen: „Bei uns macht immer der Tormanntrainer die Austäusche, hält die Tafel in die Höhe. Da hat er irgendetwas in Richtung Tottenham-Bank gesagt, was Mourinho nicht passte. Dann folgten von ihm  Schimpfwörter. Als er zu unsere Bank kam, dachte ich, er will sich entschuldigen. Aber ganz im Gegenteil, er schimpfte weiter.“ Sicher komisch, aber abgehakt.

Zu Barnsley-Trainer Gerhard Struber hält Kitzbichler Kontakt: „Wir kennen uns aus gemeinsamen Salzburger Zeiten, sind befreundet.“ Der Weg vom Tabellenende hinauf in der Championship sei vielleicht noch schwerer als in der Premier League: „Bei uns gibt´s 20 Mannschaften, dort 24. Damit ist alles noch enger. Aber wie es aussieht, wird er es schaffen, Barnsley zu retten!“ Das gilt als das Saisonziel. Die Fans der „Saints“ in Southampton träumen derzeit schon von der Qualifikation zur Europa League. Doch davon wollen Hasenhüttl noch Kitzbichler vorerst etwas hören.

 

Meist gelesen

Nach oben