Fußball

Holt Ruttensteiner nochmals Koller? „Er wird glauben, es ist ein Scherz“

Sein neuer Job als Sportdirektor in Israels Verband begann bereits am 1. Juli, aber erst am Montag, einen Tag nach dem WM-Finale in Moskau, fliegt Willi Ruttensteiner von Wien nach Tel Aviv. Derzeit kümmert er sich noch mit seinen Brüdern Werner und Ralf um seine Sommercamps für Jugendliche in seinem Geburtstort Wolfern bei Linz, So wird es auch fünf Tage lang im August sein. Das ist Teil seines Vierjahresvertrags mit der aktuellen Nummer 93 der Weltrangliste Ebenso seine Firma, das Willi Ruttensteiner Sportmanagement, Consulting und Coaching. Die letzten Details mit den Israelis fixierte  Dino Lamberti, der Schweizer Berater  von Österreichs Ex-Teamchef Marcel Koller. Auch eine Ausstiegsklausel nach zwei Jahren. Für beide Seiten.

Um jeweils 70 Jugendliche kümmert sich der  ehemalige ÖFB-Sportchef Ruttensteiner in den Sommercamps  mit seinen Brüdern Werner und Ralf, eine Art Familienbetrieb von lizenzierten Trainern. Das Anliegen unterscheidet sich im Prinzip nicht entscheidend von dem in Israel: In jedem Bereich das Optimale bieten.  So gibt´s derzeit für die Jugendlichen eine Leistungsdiagnostik, ins Camp kommen auch spezielle Gäste: Aus dem Trainerteam von Österreichs  Nationalmannschaft Klaus Lindenberger für die Torhüter, ebenso wie der beim LASK engagierte  Wolfgang Wimmer, der Vater des Hannover-Legionärs. Auch Sportwissenschaftler Gerhard Zallinger war zu Gast. Oder Ex-Teamstürmer Roman Wallner.

Aber die Zukunft in Israel beschäftigt ihn auch während des Camps täglich. Mit mehreren Telefonaten. Viel Zeit hat er ja nicht, am 7. September beginnt die Nations League gegen Schottland und Albanien. Und auch in Israel  verhält es sich so wie in Österreich: Funktioniert die Nationalmannschaft nicht wie gewünscht, dann ist das Image schlecht. Dann interessieren alle anderen Projekte, so gut die auch sein mögen, unter Zugzwang. Israel hat aktuell keinen Verbandspräsidenten, seit acht Monaten keinen hauptamtlichen Teamchef. Die Devise des 29köpfigen Verbandspräsidiums: Zuerst den Sportchef installieren, der schlägt dann den Teamchef vor. Unter 19 Kandidaten setzte sich dann Ruttensteiner durch Auch weil Generalsekretär Rotem Kamer bei einem Anruf in Wien vom ehemaligen ÖFB-General Alfred Ludwig nur Gutes über Ruttensteiner und dessen sechzehn Jahre hörte.

Der 55jährige Oberösterreicher wird mit seiner Frau eine Wohnung im Norden von Tel Aviv beziehen. Nicht weit zur Autobahn, nicht weit zum Sportzentrum Shefayim, weiter entfernt vom Ramat Gan-Stadion, dem Verbandssitz. Beim alten Stadion, in dem Andi Herzog mit seinem Freistoß in der Nachspielzeit vor 17 Jahren Israels Chancen auf das WM-Ticket für 2002 zerstört hatte: „Darauf wurde ich sofort angesprochen, das Thema kommt immer wieder vor.“ Der erste Gedanke,als er erstmals in Shefayim war: „Das muss größer ausgebaut werden.“ Viele Gedanken spuken ihn im Kopf herum. Nicht den von ihm geschaffenen österreichischen Weg zu kopieren, sondern einen israelischen zu finden, Ein Superprogramm aufstellen, mit dem  die Regierung überzeugt werden kann, das finanziell zu unterstützen. Geld soll  keine Rolle spielen, das hörte er oft, um Israels Tief zu stoppen: Letztmals 1970 bei der Weltmeisterschaft, nie bei der Europameisterschaft, in den letzten Jahren erfolglos. Die Qualifikation der U17 für die EM war der einzige Hoffnungsschimmer.

Aber ergibt sich keinen Illusionen hin. Der Verband nicht so gut organisiert wie er es vom ÖFB gewohnt war. Obwohl ihn die Herzlichkeit, die ihm entgegenschlug, tief beeindruckte. Kein Angebot für das Nationalteam an internationalen Klassespielern wie in Österreich etwa durch  David Alaba auch nicht an Legionären, die bei Spitzenklubs in Europa regelmäßig zum Einsatz kommen. Letztes Jahr spielte noch Israels Rekordspieler Yossi Benayoun, der früher den Dress von Liverpool und Chelsea trug, mit 37 in der Nationalmannschaft.  Es gibt Israelis bei Eintracht Frankfurt, bei Brighton, bei Celtic Glasgow, ZSKA Moskau, FC Brügge, Sparta Prag: „Aber die spielen kaum.“ Anders als Munas Dabbur bei Red Bull Salzburg: „Aber der kommt im Nationalteam nicht so gut wie in Salzburg zurecht. Da muss ich mit ihm darüber reden.“ Als Stürmer mit dem besten Anlagen gilt der 30jährige Eran Zahavy, der in China bei Guangzhou R&F unter Vertrag steht. Aber da gab´s einen Zwischenfall: Genervt  von Pfiffen gegen ihn, warf er im Frühjahr beim Spiel gegen Rumänien die Kapitänsbinde weg, wurde suspendiert: „Ein Problem, das man lösen muss.“ Davon gibt es fast zu viele.

Das Umfeld des Nationalteams professioneller gestalten, dafür Spezialisten holen. Einen Sportmediziner, einen Fitnesscoach, wie es Roger Spry in Österreich war. Eine Spielphilosophie präsentieren, die  für alle Auswahlen gilt. Die Trainerausbildung auf ein besseres Niveau heben. Aber am dringendsten bleibt, einen Teamchef zu finden: „Ich weiß noch gar nicht welchen Trainer diese Mannschaft braucht. Das muss ich erst herausfinden.“ Aber wie? Eine Idee: Sich selbst als Interimslösung für die ersten Spiele auf die Bank zu setzen. Wie zweimal in Österreich.

Die Frage nach Marcel Koller drängt sich beim  fast zweistündigen Gespräch im Linzer Hauptbahnhof beim Leberkaspepi auf. Wird er ihn nochmals engagieren wie vor sieben Jahren in Österreich? „Ich würde ihn gerne holen, werde ihn auch anrufen, aber er wird denken, das ist ein Scherz. Er ist nur noch für außerordentliche Dinge bereit.“ Ruttensteiner tendiert in Israel wie damals nach Didi Constantini in Österreich zu einer ausländischen Lösung.  Kann die aus Österreich kommen? Er sagt mit einem Lachen: „Ich will, dass englisch die Amtssprache beim Team wird. Andi Herzog beherrscht diese Sprache außerordentlich gut.“ Aber wahrscheinlich würde er auch bei Ruttensteiners Anruf denken, dass es sich um einen Scherz handelt.“

Meist gelesen

Nach oben