Fußball

Hrubesch zwischen Tychy und Gijon

Was DFB-Sportdirektor Horst Hrubesch am Samstag, den 24. Juni 2017 auf der Tribüne des Stadions Miejsky im polnischen Tychy erlebte, mußte ihn eigentlich an etwas erinnern, bei dem er 35 Jahre vorher, am 25. Juni 1982 als Mittelstürmer des deutschen Teams am Rasen des Stadions El Molinon in der nordspanischen Hafenstadt Gijon mitwirkte: An einem Nichtangriffspakt. In Tychy zwischen den U21-Teams von Italien und Deutschland, weil beide bei einem 1:0 der Squadra Azzura ins Semifinale der EM-Finalrunde kamen.  Bei einem Tor mehr der Italiener oder keiner Niederlage Deutschlands hätten das die Slowakei als bester der drei  Gruppenzweiten geschafft und nicht Deutschland. 1982 in Gijon zwischen Deutschland und Österreich, weil beide bei einem 1:0-Sieg Deutschlands die zweite WM-Runde erreichten. Damals auf Kosten Algeriens, diesmal hieß das Opfer Slowakei. Deren Teamchef Pavel Hapal, von 1992 bis 1995 Legionär bei Bayer Leverkusen, sprach von einer Schande, dass Italien und Deutschland auf 1:0 spielten: „Das ist kein Fair Play!“ Nach Gijon war damals die Aufregung weltweit. Als Konsequenz daraus müssen seit damals die Gruppenspiele zur gleichen Zeit ausgetragen werden. Nützt auch nichts. Auf den Betreuerbänken von Deutschland und Italien wusste man Samstag immer, wie es beim anderen Spiel zwischen Dänemark und Tschechien in Krakau stand.

Der Torschütze 1982 in Gijon hieß Hrubesch, damals Torjäger und Kapitän des Hamburger SV, der verlängerte Arm des Wiener Trainergurus Ernst Happel. Schon nach zehn Minuten. Danach gab es nur noch Quer-und Rückpasses, kaum noch Zweikämpfe. Als Augenzeuge, der zuvor die glücklichen österreichischen Siege über Chile und Algerien, die vor allem Tormann Friedl Koncilia zu verdanken waren, sah, wusste ich: Warum auch immer, Deutschland begnügte sich mit dem 1:0. Vielleicht wegen der Verunsicherung nach der Startblamage gegen Algerien. Österreich hätte nichts mehr zusetzen können. Die algerischen Fans rüttelten empört  an den Stadiongittern, wachelten mit Geldscheinen. Die spanischen schwenkte weiße Taschentücher. Ein üblicher Protest bei Stierkämpfen, wenn der Torero den Zuschauern zu feig agiert.

Die ORF-Reporterlegende Robert Seeger forderte empört die Zuseher in der Heimat auf, ihre TV-Geräte auszuschalten. Sein deutscher Kollege Eberhard Stanjek stellte auch die Arbeit ein und schwieg. Hrubesch ist noch heute überzeugt, dass es nicht wie vermutet Absprachen zwischen den Spielern gab, die sich gut kannten: „Ich wusste und hörte auch nichts davon. Mit mir wäre das nicht gegangen.“ Ihm kann man das glauben. In beiden Ländern folgten sogar Forderungen nach den Rücktritten der Verbandschefs (Hermann Neuberger bzw. Karl Sekanina) und Teambetreuer (Jupp Derwall bzw. Georg Schmidt und Felix Latzke). Ganz schlimm auch einige gleichgültige und provokante Reaktionen auf die Schande, das langweiligste WM-Spiel deer Geschichte. Unübertroffen dabei ein Mitglied von Österreichs Delegationsleitung, der damalige burgenländische Verbandspräsident Hans Tschank: „Wenn jetzt 10.000 Wüstensöhne einen Skandal entfachen, dann zeigt das nur, dass es bei ihnen zu wenig Schulen gab.  Da kommt ein Scheich aus der Oase, darf nach 300 Jahren einmal WM-Luft schnuppern und glaubt, die Klappe aufreißen zu können.“ Damit schaffte er es, zum einzigen Mal  weltweit erwähnt zu werden. Das gab genug Arbeit und die ersten graue Haare für den damaligen jungen Pressechef. Für Alfred Ludwig, den späteren ÖFB-Generaldirektor.

Samstag beschränkte sich der Nichtangriffspakt in Tychy auf die letzten zehn Minuten. Daher meinte Hrubesch zur slowakischen Empörung: „Jetzt lasst mal die Kirche im Dorf. Im Finish auf sicher zu spielen, ist doch völlig normal.“ Die klar besseren Italiener führten seit der 31.Minute. 1982 schied Österreichs auch intern zerstrittenes Team in der zweiten Runde nach einem 0:1 gegen Frankreich und 2:2 gegen Nordirland aus, kam Deutschland ins WM-Finale, verlor das im Madrider Bernabeu-Stadion gegen Italien 1:3, wurde Vizeweltmeister. Was schafft Deutschlands U21 2017 nach dem „Mini-Gijon“ in Polen?

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