Fußball

Island vertraut auf seinen prominentesten Zahnarzt

Zweiter WM-Auftritt für Österreichs EM-Bezwinger Island nach der 1;1-Startsensation gegen Algerien mit vier österreichischen Daumendrückern: Michael Gregoritsch, der am Sprunggelenk operierte Martin Hinteregger und Kevin Danso  werden Islands ersten WM-Torschützen,  ihrem Augsburg-Mitspieler  Alfred Finnbogason (Bild oben rechts), ein zweites Erfolgserlebnis gönnen. Ebenso Stefan Kulovits, der Sandhausen-Kapitän mit Rapid-Vergangenheit. Er würde sich mit Rurik Gislason, dem Stürmer des deutschen Zweitligisten, freuen. Seit seiner Einwechslung gegen Argentinien hat der 30jährige Gislason knapp 600.000 neue, meist weibliche Instagram-Abonnenten. Warum? Blonde Haare zum Zöpfchen gebunden, bleue Augen, riesiges Tattoo auf dem Oberarm.

Die Karawane mit den tausenden isländischen „Huh-Fans“ zog von Moskau fast tausend  Kilometer weiter nach Wolgograd, um gegen Nigeria mit ihrem „Kampfruf“ für die nötigen Rückhalt auf den Tribünen zu sorgen, am Ende mit ihren Spielern zu feiern wie vergangenen Samstag im Moskauer Spartak-Stadion. Sie vertrauen voll auf den  prominentesten Zahnarzt Islands. Das ist Teamchef Helmir Hallgrimsson. Der 50jährige gehört zu den 4300 Menschen, die auf der Insel Heimaey wohnen. Die nur 13 Quadratmeter groß ist. Und damit rund 71-mal kleiner als Wien. Für Hallgrimsson sein Fluchtort aus der hektischen Welt: „Hier bist du einfach du selbst“, beschreibt er sine Gefühle. Zur Insel gehören auch zwei Vulkane, die zuletzt vor 45 Jahren ausbrachen. Im Erdgeschoss seines dreistöckigen Hauses  ist Hallgrimssons Zahnarztpraxis. Derzeit geschlossen. Ansonst praktiziert er auch nur drei Tage im Monat, um in Übung zu bleiben. Mehr Zeit bleibt einem Teamchef nicht. Welcher Beruf der schwierigere ist, lässt sich für Hallgrimsson so nicht sagen. Aber er profitiere im Fußball sehr vom Zahnarzt-Job, könne durch das Medizinstudium besser die Verfassung oder eine Verletzung der Spieler einschätzen: „Ich muss mich als Zahnarzt in meine Patienten hineinversetzen, gehe mit jedem anders um. Auch im Fußball muss ich mit verschiedenen Charakteren umgehen. Es hilft mir sehr, gerade in der Pause, um den richtigen Ton zu finden.“ Das funktioniert, seit er alleiniger Chef ist: Gruppenerster in der Qualifikation vor Kroatien, der Türkei, Finnland und dem Kosovo, ungeschaffen gegen Argentinien: „Wir sind eine kleine Nation, aber wir können einfacher unseren ganz speziellen Geist bilden und unsere Fans einbinden.“Huh, Hallgrimsson hat gesprochen.

Die Möglichkeit, gegen andere, größere Nationen zu gewinnen, biete sich für Island nur im Sport.: „Daher ist jedes Spiel etwas ganz besonders. Wir sind immer die Außenseiter, weil anderen Länder ganz andere Möglichkeiten haben. Wir sind ja erst gerade dabei, uns professionell aufzustellen. Mit einem Fitness-Trainer, größeren Betreuerstab.“ Gegen Nigeria sieht Hallgrimsson Island aber in der besseren Ausgangsposition, da die Afrikaner noch keinen Punkt haben: „Aber deswegen ändern wir nicht unseren bewährten Stil.“  Bleibt Island wieder ungeschlagen, dann könnte das Dienstag-Spiel gegen Kroatien von der Ausgangsposition ein ähnliches „Finale“ sein wie das gegen Österreich vor zwei Jahren bei der Euro im Stade de France von Paris: „Mein Wunsch ist, dass wir in Russland die Leute so begeistern können wie vor zwei Jahren in Frankreich. Dann wären wir alle glücklich.“ Der erste Schritt ist getan.

Serbien, der Bezwinger Österreichs in der WM-Qualifikation, hat die Chance, gegen die Schweiz in Kaliningrad einen großen Schritt in Richtung Achtelfinale zu tun. Aber die Eidgenossen mit ihrem bosnischen Teamchef Vladimir Petkovic sind nach dem glücklichen Unentschieden gegen Brasilien ziemlich selbstbewusst. Die Serben fühlen sich durch die Ankündigungen einiger Schweizer Spieler mit Kosovo-Hintergrund wie Granit Xhaka,  Xherdan Shaqiri oder Valon Behrarmi, unter Umständen mit einer Kosovo-Fahne auf den Schuhen zu spielen, provoziert. Da schüttete Serbiens Aussenminister Ivica Dadic Öl ins Feuer, als er feststellte: „Wir wissen ja nicht, ob wir Freitag gegen die Schweiz, Albanien oder Pristina spielen.“ Der deutsche Referee Felix Brych wird bei seinem ersten WM-Einsatz aufpassen müssen, dass die Wogen nicht zu hoch gehen.

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