Fußball

Jetzt bleibt Zeit, um Hinteregger genau kennen zu lernen

Sky und DAZN versuchen, ihren Kunden auch ohne Live-Übertragungen ein attraktives Programm zu bieten. Sky macht den  Montag zu einem „Merseyside Monday“ mit Klassikern des FC Liverpool und der Premiere der nach dem deutschen Trainerstar Jürgen Klopp benannten  Dokumentation „Come on Klopp“ über Liverpools Sehnsucht nach dem ersten Meistertitel seit 30 Jahren. Die durch die Corona-Auswirkungen möglicherweise noch einige Zeit unerfüllt bleiben wird, obwohl dazu nur zwei Siege fehlen. Bei DAZN kann man alle Endspiele der Champions League zwischen 1993 und 2019 sehen. Dazu Porträts und Interviews sowohl mit Topstars wie Cristiano Ronaldo oder Messi als auch mit interessanten Spielern. Dazu zählen im Rahmen der  Serie „Feel mehr“ auch zwei Österreicher: Eintracht Frankfurts Legionär Martin Hinteregger und der letzten Sommer vom FC Sevilla zu Red Bull Salzburg gewechselte Max Wöber. In Zeiten wie diesen, in denen man besser daheim bleiben soll, bleibt  genug Zeit, sich das anzusehen. Um Hinteregger in zwei Episoden über je eine Viertelstunde, die im Februar gedreht wurden, genau kennenzulernen.

Er redet offen und ehrlich über alles, was ihn sympathisch macht. Über den Sprung aus dem Kärntner Dorf Sirnitz im Bezirk Feldkirchen, das knapp 700 Einwohner hat, nach Salzburg. Dass er dort zweimal nahe daran war, aus dem Internat zu fliegen, weil er mitunter die Schule, in der es nicht gut lief, schwänzte oder sich nicht an die Hausordnung hielt. Oder selbst daran dachte, alles hinzuschmeißen. Sein Vater Franz, Gemeindesekretär in Sirnitz, verhinderte dies mit den einfacher Worten „Bua, sei net bled“. Wie er auch seinem Vater noch immer dankbar ist, dass er ihn vor sieben Jahren dazu überredete, besser in Sirnitz ein Haus zu bauen statt sich ein teures Auto zu leisten. Heute ist das Haus der Mittelpunkt der Familie Hinteregger, seine Schwester wohnt darin. Dort fühlt er sich immer wohl: „Fußball und Hausbau waren meine besten Entscheidungen!“

An seinen ersten Trainer als Profi in Salzburg, an Huub Stevens, erinnert er sich immer gerne. Als einen der wichtigsten seiner Karriere. Den Satz des Holländers  „du bist 18 und kannst keine Fehler machen. Wenn, dann habe ich sie gemacht“ wird Hinteregger nie vergessen. Zu seiner „Scheiß egal“-Mentalität steht Hinteregger: „Ich weiß, was ich kann, Daher bin ich mit mir auch öfters nicht zufrieden, wenn mich alle loben.“ Da gab es Zeiten, in denen er sich zu oft den Kopf darüber zermarterte, Wochen, in denen er deshalb nur zwei, drei Stunden pro Nacht schlafen konnte: „Ich habe mich nicht geniert, Hilfe bei einer Psychologin zu suchen“. Jetzt passt das Schlafverhalten. Eine Rezept zum Einschlafen ist für ihn die bekannte TV-Serie vom Bergdoktor,weil sie ihn immer ein Stück Heimat nach Frankfurt bringt. Den Bergdoktor-Darsteller Hans Sigl würde er ebenso gerne persönlich kennen lernen wie Mark Keller: „Weil das so coole Typen sind“.

Stichwort Berge. Die sind für ihn noch immer das beste „Heilmittel“, wenn es ihm nicht gut geht. Etwa nach Niederlagen mit Frankfurt: „Für einen Tag nach Salzburg, Tirol oder Kärnten fliegen, einmal in den Bergen kräftig durchatmen und schon geht es besser“. Dann kann es passieren, dass er mitunter mit Jagdjacke und“komischem Hut“ in Frankfurts Kabine kommt und damit auffällig wird: „Ich weiß schon, was ich an der Eintracht habe“. Dort geht es ihm entscheidend besser als zuvor bei den Stationen in Mönchengladbach und Augsburg: „Das mit Gladbach wurmt mich noch. Ich war zuvor drei Monate verletzt, fand nie meine Form.“ An Augsburg störte ihn, dass stets nur der Klassenerhalt als Ziel galt, er aber Sehnsucht nach dem internationalem Geschäft hatte.

Mit 18 absolvierte er die Jagdprüfung, weil er im Dorf mitreden wollte. Den Spitznamen „Jäger“ hat er in Österreichs Nationalteam noch immer. Dabei war er schon fünf Jahre nicht mehr auf der Jagd. Zuvor durfte er einmal mit Red Bull-Chef Didi Mateschitz in dessen Revier jagen. Seinen ersten Abschuss hatte er in Begleitung eines Berufsjägers von Mateschitz: „Ich brauchte lange, um abzudrücken, hatte irgendwie Angst davor.“ Die Gams wurde zu Weihnachten im Kreise der Familie in Sirnitz verspeist.

Hinteregger redet auch über den Eklat um ihn letztes Jahr bei Österreichs Team, bevor er im November zum zweiten Mal in seienr Karriere die EM-Qualifikation bejubeln konnte (Bild oben): „Es war keine gute Idee, drei Tage vor einem wichtigen Spiel Geburtstag zu feiern“. Vor dem 0:0 gegen Polen in Warschau. Dafür hat er sich bei Trainern und Mitspielern entschuldigt. Aber für das Medienecho hat er bis heute kein Verständnis: „Das Leben ist schon ein bisserl komisch, wenn das ein Skandal sein soll.  Ein Skandal ist doch nur, wenn man Leute niederschlägt, einem anderen schadet, Gesetze bricht. Hab´ich alles nicht getan. Wenn es der größte Skandal in einem Land sein soll, dass einer drei Tage vor einem wichtigen Match Geburtstag feiert, dann geht´s uns eh gut!“ Die aktuelle Corona-Situation unterstreicht das irgendwie. Es gibt größere Probleme. Viel größere sogar.

Derzeit muss er in Quarantäne leben. Es gibt im Kader von Frankfurt zwei Corona-Fälle. Schon zuvor machte sich der 27 jährige einige Gedanken um seine Zukunft. Hatte etwas Angst davor, wie es in sechs, sieben Jahren aussehen wird, wenn er ins Berufsleben einsteigt. Da ihm das Fliegen Spaß macht, heißt der Berufswunsch ist erster Linie Rettungspilot, erst danach kommt Polizist. Derzeit macht er mit Genehmigung der Eintracht die Ausbildung zum Hubschrauber-Piloten: „In der Luft ist viel weniger los als auf der Strasse. Daher ist das sogar einfacher als Autofahren.“ Noch etwas beschäftigt außer Familie, Fußball und derzeit Corona: Er sucht in Frankfurt einen Ziehharmonika-Lehrer. Um auf der Knöpferlharmonika die er „Quetschen“ nennt, nicht alles zu verlernen, was er bereits konnte. Er arbeitet daran, dass auch der Schneewalzer künftig zu seinem Repertoire gehören wird: „Den singen wir in der Kabine immer, wenn die Eintracht gewonnen hat!“

Foto: © ÖFB Media.

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