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Live bei Hasenhüttl an der Stamford Bridge: „War das nicht phantastisch?“

In der Nacht vor seinem ersten Spiel als Trainer von Southampton in London schlief Ralph Hasenhüttl mit seiner Mannschaft im noblen Royal Garden Hotel in der High Kensington Street. Das rief unliebsame Erinnerungen an September 1973 hervor, als Hasenhüttl gerade sechs Jahre jung war. Damals war dort Österreichs Nationateam abgestiegen und bezog dann das fürchterliche 0:7-Debakel in Wembley gegen England. Vor dem auch eine junge rot-weiß-rote Stürmerhoffnung namens Hans Krankl in der Luxusherberge für Aufregung gesorgt hatte. Als er am Abend vor dem Spiel das zum Essen servierte englische Beefsteak kategorisch ablehnte und sich ein klassisches Wiener Schnitzel wünschte. Allerdings vergeblich.

Bei Hasenhüttl gab´s keine ähnlichen Zwischenfälle Und kein Debakel. Drei Stunden vor dem Anpfiff prophezeite Southamptons Präsident mit erfolgreicher Feldkircher Eishockeyvergangenheit, Ralph Krueger, in der Hotellobby voller Vertrauen in den von ihm geholten neuen Trainer: „Er wird für einen guten Start ins neue Jahr sorgen, einen Punkt holen.“ Und das gelang wirklich. Genau 94 Minuten und 57 Sekunden musste Hasenhüttl auf der Bank im berühmten Stamford Bridge-Stadion um das 0:0 zittern, ehe der Jubel groß war. Bei den gut 3000 Southampton-Fans unter den 40.600 Zuschauern. Zu ihnen ging Hasenhüttl nach den Spielern noch extra, zog vor ihnen am Ende die dunkelblaue Kappe, die er beim Match (siehe Bild oben) getragen hatte.

Das Match davor war weit von einer Leckerbissen entfernt. Aber dennoch ein Erlebnis. Wegen seiner Intensität. Und wegen der temperamentvollen Trainer. Da der Italiener Maurizio Sarri, dort der Steirer Hasenhüttl, der mehr mitfieberte als man es  von ihm  bei Ingolstadt und RB Leipzig gewohnt war. Wie er da mitfieberte, mitging, das hörte man bis auf die Presseplätze hinter den Trainerbänken hinauf. Es war eine Mischmasch aus englisch und seinr deutschen Muttersprache: „Ja, ja, ja, come on, help, yes, yes, together.“So dirigierte er das Pressing, mit dem Southampton Favorit Chelsea das Leben schwer machte. Mitunter stand Southamptons Fünferabwehr tief, dann erfolgten die Pressingversuche deutlich höher. Der Mix bremste Chelsea ein. Schon das zweite Mal, das Hasenhüttl Sarri ärgern konnte. Letzte Saison gelang das im Sechzehntenfinale der Europa League bei Napoli-RB Leipzig. Hasenhüttl jubelte in Neapel über ein 3:1, konnte daheim das 0:2 verkraften – Leipzig stieg dank eines Auswärtstors mehr auf.

Was Hasenhüttl nicht gefiel: Wie so manche Konterchancce durch unnötige Fehlpasses verschenkt wurde. Spielerisch wirkt Southampton gar nicht so schlecht, kombiniert mitunter gut durch das Mittelfeld, aber  vorne gibt es keinen, der einen Gegner beunruhigen kann. Daher hörte man Hasenhüttl  mehrmals fluchen. „Scheiße ist das.“ Aber Ende gut, fast alles gut. „Na, war das nicht ein Superfight, phantastisch, wie wir gegen den Ball gearbeitet haben?“ fragte er im Presseraum der Stamford Bridge den Besucher aus der Heimat, eher er in fließendem englisch  den TV-Stationen und Gazetten Rede und Antwort stand: „Ohne acht neuen Spielern gegenüber dem 1:3 gegen Manchester City wäre das nicht möglich gewesen, weil  der Aufwand, den wir betreiben, so viel Kraft kostet.“ Der Hasenhüttl-Stil überfordert noch die Fitness der meisten Spieler. Ob er das noch ändern kann? Das ist die große Frage mitten in der Saison, in der es keine Pausen gibt.  Eine der acht Umstellungen war Hasenhüttls Königsidee: Das Debüt von Englands U 23-Keepdr Angus Gunn in der Premier League.. Er kam vor Hasenhüttls Zeit aus der Akademie von Manchester City, bringt mit 1,88 Metern die nötige Größe mit, hielt heikle Bälle von Eden Hazard, Alvaro Morata oder Marcos Alonso, hielt den Punkt fest. Damit hat Southampton unter Hasenhüttl gegen drei Topteams der Premier League, gegen Arsenal, Manchester City und Chelsea immerhin vier Punkte geholt. Damit könnte man leben.

Hätte es dazwischen nicht das 1:2 daheim gegen West Ham gegeben. Und so ist die Lage prekär. Trotz Sensation an der Stamford Bridge fiel Southampton wieder in die Abstiegszone zurück, da Burnley zum zweiten Mal hintereinander gewann. Der Rückstand an das rettende Ufer beträgt allerdings nur zwei Punkte. Aber im Jänner muss Hasenhüttl auf zwei wichtige Speiler verzichtdn: Der japanische Innenverteidiger Maya Yoshida ist beim Asien-Cup, der dänische Mittelfeldspieler Pierre Höjbjerg wurde nach seinem Ausschluss gegen Manchester City für vier Partien gesperrt. „Wir werden neue Spieler holen“, kündigte Hasenhüttl an, ohne konkreter zu werden. Sicher ist, dass der ehemalige italienische Teamstürmer Manolo Gabbiadini, im Februar 2017 von Napoli um 17 Millionen Euro geholt, gehen darf. Bologna, Milan und Fiorentina bekundeten ihr Interesse.

Mit den Worten „wenn´st immer einen Punkt mitbringst, darfst gerne wiederkommen“  verabschiedete sich Hasenhüttl zum Southampton-Bus. Samstag wartet der FA-Cup bei Derby County, dem  Sechsten der Championship, der zweiten Liga. Das wird ein hartes Brot.Knapp vor Mitternacht sah man im Hotelzimmer auf BBC1, wie Marko Arnautovic mit schwarzer Haube am Kopf seinen Doppelpack kommentierte,mit dem er Westhams 0:2 daheim gegen Brighton in ein 2:2 verwandelte: „Wir haben das Match nicht genug gedreht. Das ist enttäuschend.“ Mit nunmehr sieben Toren liegt Arnautovic auf Platz 17 der Schützenliste der Premier League. Wenig später lobte der BBC-Kommentator, wie gut Hasenhüttl Southampton gegen Chelsea organisierte. Das 0:0 sorgte für mehr Echo als Westhams 2:2.

 

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