Noch ungeschlagen ist Peter Stöger mit Borussia Dortmund in der Bundesliga seit seinem Amtsantritt am 9. Dezember. Über zwölf Spiele. Als einzige Mannschaft in der Rückrunde bisher nicht verloren. Die Erwartungen, dass diese Serie Samstag Abend in München im Kracher gegen Meister Bayern zu Ende geht, sind groß. Denn der Titelverteidiger und überlegene Tabellenführer kann mit einem Sieg schon drei Tage vor dem Champions League-Viertelfinale beim FC Sevilla seinen sechsten Meistertitel in Serie fixieren, sich selbst ein nettes Ostergeschenk machen. David Alaba wäre dann mit seinen erst 25 Jahren schon zum siebenten Mal deutscher Champion. 18 Punkte liegt Bayern vor den Dortmundern. Aber Stöger sagt fast etwas trotzig: „Mein Plan ist es nicht, dass Bayern gegen uns den Meistertitel holt.“ Er möchte lieber der Partyschreck sein.
Doch was spricht eigentlich gegen das Münchener Meisterstück? Borussia verlor bisher alle drei Saisonduelle gegen die Bayern. Das Supercupspiel zu Saisonstart in Dortmund nach einem 1:1 im Elferschießen, in der Bundesliga daheim 1:3 mit einem Tor von Alaba. Beider Niederlagen passierten noch unter dem holländischen Trainer Peter Bosz. Im dritten Spiel mit Stöger flog Borussia vier Tage vor Weihnachten im Achtelfinale gegen Bayern aus dem DFB-Pokal. Mit dem 1:2 im Allianz-Stadion war die in der ersten Hälfte total überforderte Borussia damals noch gut bedient. Warum sollte Bayern also auch nicht das vierte Saisonduell mit dem großen Rivalen gewinnen? Vielleicht wegen einer besonderen Statistik. Denn in den letzten 16 Monaten hat Dortmund keines der 32 Ligaspiele verloren, an denen der polnische Teamverteidiger Lukasz Piszczek beteiligt war. Samstag ist der 32jährige dabei.
Der Kracher in München ist zugleich der Startpunkt eines anspruchsvollen Restprogramms für Dortmund und Stöger, das darüber entscheidet, ob er auch nächste Saison noch Trainer der Borussia sein wird. Nacheinander warten der Rekordmeister, mit Stuttgart eine Mannschaft der Stunde, der ewige Ruhrpottrivale Schalke, der als Zweiter Samstag Freiburg empfängt, und zum Monatsende mit Bayer Leverkusen ein weiterer direkter Rivale im Kampf um die Champions League-Plätze. Knackige Aufgaben, die Stöger als „schwere Geschichte“ bezeichnet. Bei der ihm noch zwei Wochen der seit 10.Februar am Sprunggelenk verletzte Japaner Shinji Kagawa, der mit drei Toren und drei Assists zuvor unter Stöger einen persönlich Aufschwung erlebte und im Dortmunder Kreativzentrum unentbehrlich war, fehlen wird, heute auch noch Marco Reus, der nach seinen beim Ausscheiden in der Europa League gegen Red Bull Salzburg aufgetretenen Adduktorenbeschwerden noch nicht rund läuft. Da sagt Stöger mit Hinblick auf die verlangte erneute Qualifikation für die Champions League: „Auch wenn das keiner gerne hört, es wird kein Selbstläufer.“ Sein Plan für München: „Wir brauchen viel mehr Mut als letzten Dezember, Konzentration, mentale und physische Stärke. Bayern wird auch ohne einen Sieg gegen uns Meister, auf eine Woche kommt es dabei nicht an.“
Gelassenheit bei Bayern. Keiner kann sich vorstellen, dass nach Leipzig das zweite Bundesligaspiel hintereinander verloren wird. Keine Aufregung, obwohl in spanischen Medien lanciert wurde, dass Torjäger Robert Lewandowski um seine Freigabe für Real Madrid gebeten haben soll. Torhüter Manuel Neuer stieg im Kampf um sein Comeback nach dem dritten Mittelfußknochenbruch ins Lauftraining ein, das gibt positive Signale. Stögers Landsmann Ralph Hasenhüttl nahm aus dem von „Bild“ ausgerufenen Duell zwischen Bayern und Dortmund um eine Zukunft mit dem steirischen RB Leipzig-Trainer etwas Brisanz, als er am Gründonnerstag versicherte, er könne sich eine Zukunft in Leipzig über 2019 hinaus durchaus vorstellen, stehe noch immer zu seiner Einschätzung, für Bayern noch nicht erfahren genug zu sein. Leipzig, als Sechster derzeit fünf Punkte hinter Dortmund, zwei hinter Platz vier, gastiert in Hannover. Vielleicht schon wieder mit Marcel Sabitzer, der 14 Tage zuvor beim 2:1 über Bayern einen Bändereinriss im Sprunggelenk erlitt. Ein Spezialprogramm mit dem Reha-Trainer machte es möglich. Einerseits will Sabitzer keine längere Pause riskieren, anderseits sagt Hasenhüttl über seinen steirischen Landsmann: „Der Marcel ist ein harter Hund, der steckt schon einiges weg.“
Völlig unerwartet kam am Abend vor dem Kracher ein Dortmunder Paukenschlag: Boss Hans Joachim Watzke kündigt die Rückkehr von Matthias Sammer nach der Saison zur Borussia an. Als für Strategie zuständiger Berater, der wenig mit dem Tagesgeschäft zu tun haben, aber alles kritisch auf den Prüfstand stellen soll. Sammer war als Spieler mit Dortmund Champions League-Sieger und Meister, ebenso 2002 als Trainer. So jung wie der damals 34jährige Sammer gewann bis heute kein Trainer den deutschen Meistertitel. 2004 musste er gehen, von 2006 bis 2012 war er ein guter Sportdirektor beim DFB, von 2012 von 2016 erfolgreicher Sportvorstand bei Bayern, ehe er auf eigenen Wunsch aus gesundheitlichen Gründen aufhörte. In diesen vier Jahren war es zu heftigen Wortgefechten mit Dortmunds Chefetage gekommen, die Differenzen sollen ausgeräumt ein. In dieser Saison arbeitete der 50jährige Sammer als TV-Experte für „Eurosport“, führte im Jänner vor Dortmunds 3:2 in Köln ein langes Interview mit Stöger, äußerte sich dabei durchaus positiv über die Arbeit des Wiener Trainers. Sammers Rückkehr könnte für Stögers Zukunft hilfreich sein. Denn Sammer soll auch zur Trainerfrage seine Meinung kundtun.