Wer die 58.000 Einwohner-Stadt Mouscron im französisch-sprechenden Teil Belgiens, in der Provinz Hennegau, nicht kennt, dem kann man keine Vorwürfe machen, in der Schule beim Geographie-Unterricht nicht aufgepasst zu haben. Dort ist am vorletzten Tag der Sommer-Transferzeit Kevin Wimmer als Leihgabe bis Saisonende von Stoke City, wo er bis 2022 einen Vertrag hat, gelandet. Da kann man schon von einem Karriereknick beim 26jährigen Innenverteidiger aus Wels sprechen. Der hat schon bessere Zeiten miterlebt. Speziell beim 1.FC Köln unter Peter Stöger von 2013 bis 2015, ehe ihn Tottenham Hotspurs um sechs Millionen Euro kaufte. Dort schenkte ihm Trainer Mauricio Pochettino eigentlich nie so richtig das Vertrauen, besser als die Belgier Toby Alderweireld und Jan Vertonghen zu sein. Stoke holte ihn 2017 um 19,4 Millionen Euro von der White Hart Lane, stieg mit ihm aus der Premier League ab. Hatte danach für ihn und einen zweiten österreichischen Teamspieler, Moritz Bauer,in der Championship keine Verwendung. Wimmer wechselt auf Leihbasis nach Hannover, dort folgte der zweite Abstieg seiner Karriere, womit es dort auch vorbei war. Er trainierte danach zwei Wochen beim 1.FC Köln, zum Abschluss beim Ex-Klub kam es aber nicht.
Bauer landete vor erst vor zwei Wochen als Leihgabe bei Schottlands Meister Celtic Glasgow, Wimmer bei einem Klub, der mit vollem Namen Royal Excel Mouscron Peruwelz heißt. Der die letzte Saison auf Rang zehn beendete, was die beste Platzierung der Klubgeschichte bedeutete. Dort brachte der Hamburger Manaer Thies Bliemeister, zu dessen Klienten auch Österreichs Teamspieler Michal Gregoritsch, Salzburgs Torjäger Hee-Chan Hwang sowie Admiras Torhüter Andreas Leitner zählen, Wimmer unter. Zu Bliemeister war Wimmer vor zwei Saisonen auf einen Tipp seines besten Freunds aus Tottenham-Zeiten, Südkorea-Star Heung-Min Son, gewechselt, beendete die jahrelange erfolgreiche Zusammenarbeit mit Jürgen Werner und Stars&Friends. Weiter gebracht hat ihn das bisher eher nicht.
Neun Länderspiele absolvierte er für Österreich. In den letzten drei Minuten war Linksfuß Wimmer auch bei Österreichs einzigen Punkt bei der Euro 2016, dem 0:0 gegen Portugal im Pariser Park de Prince, dabei. Zuletzt trug er den Teamdress am 16.Oktober 2018 beim 0:2 gegen Dänemark in Herning, seither stand er lediglich auf der Abrufliste. Ob Wimmer bei Mouscron nochmals durchstarten kann? Das ist ein Multi-Kulti-Klub zur Potenz. Im Mega-Kader stehen nach 15 Ab- und elf Zugängen außer elf Belgiern 21 (!) Legionäre. Je zwei aus Frankreich, Serbien, Spanien, Montenegro und Kamerun, je einer aus Italien, Portugal, Polen, Bosnien, Angola, Ghana, Tunesien, Senegal, Nigeria, Kroatien und Österreich. Keine angenehme Aufgabe für den Trainer.
Das ist ein Deutscher, der auf Landsmann Bernd Storck, den siegreichen ungarischen Teamchef von der Euro 2016 gegen Österreich, folgte. Bernd Hollerbach war acht Jahre lang Spieler beim Hamburger SV, unter anderem auch unter dem österreichischen Trainer Kurt Jara, der damals den ersten Titel seit den Zeiten von Ernst Happel gewann, danach zunächst Co-Trainer unter Felix Magath, der ihn wohl prägte, bei Wolfsburg und Schalke. In seiner ersten Station als Cheftrainer brachte Hollerbach in seiner Geburtsstadt die Würzburger Kickers zwar in die zweite Liga, stieg mit ihnen dann wieder ab. Beim Hamburger SV war er nur sieben Spiele lang, vom 22.Jänner bis zum 12.März 2018, Trainer, gewann keines, holte nur drei Unentschieden. Statistisch ist er der erfolgloseste Trainer des Traditionsklubs in der Bundesligageschichte. Bliemeister verschaffte ihm den Job bei Mouscron.
Dem ersten Klub, bei dem Wimmer der Spieler mit dem höchsten Marktwert, nämlich noch vier Millionen Euro, ist. Die meisten anderen Legionäre schafften zuvor bei prominenten Klubs nicht den Durchbruch, sind Leihgaben wie Wimmer, haben die Chance, sich zu profilieren. Wie Diogo Queiros, der portugiesische Innenverteidiger, der vom FC Porto kam, oder de spanische Mittelfeldspieler Alexi Garcia, der Englands Meister Manchester City gehört, aber letzte Saison in Spanien mit Girona, wo Pep Guardiolas Bruder das Sagen hat, abstieg. Mit drei Millionen kommt er als einzige an Wimmers Marktwert heran.
In den ersten sechs Runden ohne Wimmer lief es sehr gut. Mouscron blieb über allen Erwartungen, verlor nur ein Match bei Tabellenführer Standard Lüttich, liegt als Vierter nur einen Punkt hintr Platz eins, gleichauf mit LASK-Bezwinger FC Brügge, einen Punkt vor Meister Genk, dem ersten Gegner von Red Bull Salzburg in der Champions League. Renommierklub Anderlecht mit Wimmers Landsmann Peter Zulj hat bereits sechs Punkte weniger als Mouscron. Mit Wimmer soll der Erfolgslauf prolongiert werden. Vor mehr als 11.300 Zuschauern wird er in Mouscron nie spielen. Mehr fasst das Stade Le Cannonier nicht. Die Zuschauerzahlen bei den ersten drei Heimspielen: 8257, 3753 und 3136.