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Österreichs erster Sieg über einen Weltmeister seit 81 Jahren!

Zwei Spieler aus dem österreichischen Team, das 1986 zur Eröffnung des überdachten Happel-Stadion Deutschland 4:1 geschlagen hatte, waren Samstag in Klagenfurt Augenzeugen des 2:1, des ersten Siegs über den großen Nachbarn seit damals: Manfred Zsak, Österreichs U16-Teamchef, sowie Jürgen Werner (Bild oben). Nicht als LASK-Mastermind, sondern als Berater von Sebastian Prödl. Toni Polster, der  zweifache Torschütze von 1986, schwärmte geradezu euphorisch beim „Sky“-Stammtisch in Wien über den Siegestreffer von Alessandro Schöpf: „Für solche Aktionen stehen ansonst eigentlich der FC Barcelona oder Real Madrid. Wie mit einem heißen Messer durch die kalte Butter.“ So fuhr Österreich durch die deutsche Abwehr.

Wenn man sich die rot-weiß-rote Länderspielstatik anschaut, bekommt der Sieg von Klagenfurt eine noch größere Dimension als „nur“ der erste über Deutschland seit 32 Jahren gewesen zu sein: Er war sogar der erste über einen regierenden Weltmeister seit 81 Jahren! Und über das 2:0 gegen Italien am 21. März 1937 im Prater-Stadion durch Tore von  Camillo Jerusalem und Josef Stroh kann kann man geteilter Meinung sein. Weil der schwedische Schiedsrichter das Spiel nach 73 Minuten wegen überharter Gangart beider Mannschaften abgebrochen hatte. Österreich nahm es trotzdem in die offizielle Statistik auf, Italien nicht. Aber ansonst endeten alle Duelle gegen einen regierenden Weltmeister ohne Sieg.

Die Prestigerfolge in der Nachkriegsbilanz: Das 3:1 bei der WM 1954 in der Schweiz gegen die Uruguay im Spiel um Platz drei kann man eigentlich nicht gelten lassen, da die Südamerikaner ihren vier Jahe zuvor gewonnenen Titel zu diesem Zeitpunkt bereits durch die Semifinalniederlage gegen Ungarn verloren hatten. Und das berühmte 3:2 gegen Deutschland bei der WM 1978 in Cordoba? Korrekt ist, dass Österreich damals Deutschland heim schickte. Allerdings war für den Titelverteidiger nur mehr das Spiel um Platz drei drinnen, nicht das Finale. Daher bleiben drei Unentschieden gegen Brasilien, als die Ballkünstler 1970 den Titel in Mexiko gewonnen hatten, 1990 in Wien ein 1:1 gegen Argentinien, den Champion von 1986, vier Tage nach dem Tod von Teamchef Ernst Happel das 0:0 in Nürnberg 1992 gegen Deutschland, ein 2:2 gegen Frankreich samt Zinedine Zidane in Wien beim ersten Spiel nach dem Triumph im der Franzosen eigenen Land 1998. Sowie ein 2:2 gegen Italien 2008 nach 2:0-Führung in Nizza, als von der aktuellen Stammbesetzung schon Prödl spielte. Ansonst  nur Niederlagen: 1957 2:3 gegen Deutschland, 1967 in Wien 0:1 gegen England, 1975 0:2 gegen Deutschland, 1980 in Wien 1:5 gegen Argentinien im Abschiedsspiel für Teamkapitän Robert Sara mit drei Toren von Diego Maradona, im März 1986 gegen Italien in Udine nach Polsters schneller Führung noch 1:2, 1994 1:5 gegen Deutschland in Wien.

Bemerkenswert an den drei Unentschieden gegen Brasilien, den nächsten Gegner am Sonntag im ausverkauften Happel-Stadion: Zwei gelangen in Sao Paulo. 1971 bei einem der Abschiedsspiele für Pele, als der junge Kurt Jara das Führungstor des Fußballgotts egalisierte. Und drei Jahre später knapp vor der verpassten Titelverteidigung der Brasilianer in Deutschland ein 0:0 im Morumbi-Stadion. Dazwischen gab es ein 1:1 im Wiener Stadion beim Teamdebüt von Cordoba-Held Hans Krankl. Die besondere, gewaltige Herausforderung für Franco Fodas derzeitige Erfolgstruppe am kommenden Sonntag: Für den ersten österreichischen Sieg gegen Brasilien im zehnten Duell sorgen! Der Rekordweltmeister schlug eine Woche davor Kroatien in Liverpool  2:0 (0:0), wobei dem zur zweiten Hälfte eingewechselten Neymar mit dem Führungstor nach einem Super-Dribbling ein starkes Comeback in seinem ersten Spiel seit Ende Februar gelang. Für das zweite Tor sorgte in letzter Minute Liverpool-Stürmer Firmino. Bei den Kroaten verteidigte ab der 53. Minute Salzburg-Legionär Duje Caleta-Car. Auch ihn trickste Neymar bei seinem Tor aus.

Aber vor diesen Brasilien-Träumen kommt für die Weltmeister-Bezwinger einmal die Ermahnung des Teamchefs, nicht durchzudrehen. Das darf man erwarten. Ebenso, dass es bis zum nächsten Sieg über Deutschland nicht noch einmal 32 Jahre dauern wird.  Nach den Eindrücken der ersten fünf siegreichen Spiele unter Franco Foda kann man erwarten, dass er anders als Vorgänger Marcel Koller gleich seine erste Qualifikation mit dem Team für ein Großereignis schaffen wird. Also für die Europameisterschaft 2020. Wenn die Devise „das Team kommt vor dem Ego“ weiter so konsequent gelebt wird wie bisher. Bei Koller war sie ausgerechnet nach der geschafften Qualifikation für die Europameisterschaft in Frankreich etwas verloren gegangen, daher ist Österreich bei der am 14. Juni beginnenden Weltmeisterschaft in Russland nur Zuschauer, Koller Analytiker im Wiener ORF-Studio. Die Siegen bei der österreichischen Mini-WM können bei aller Freunde kein gleichwertiger Ersatz sein.

Auch wenn es Samstag in Klagenfurt eine verkehrte Fußballwelt gab: Eigentlich konnte man jeden Österreicher loben, auch Tormann Jörg Siebenhandl und Martin Hinteregger trotz Fehler zur deutschen Führung. Aber beiden machten ihre Patzer wieder wett. Hinteregger vor allem mit dem Prachtvolley zum Ausgleich. Bei Deutschland verdiente sich nur Manuel Neuer für seine beeindruckende Rückkehr ins Tor, die eine höhere Niederlage verhinderte, Lob. Daher reagierte Teamchef Jogi Löw einigermaßen fassungslos, als ihn im Wörthersee- Stadion die ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein kurz nach der Niederlage live auf Sendung mit einer Umfrage konfrontierte, wonach die Mehrheit der Fans lieber Barcelonas Marc-Andre ter Stegen bei der WM im deutschen Tor sehen würde. Löws kurze, aber eindeutige Antwort: „Das ist mir aber so etwas von egal.“ So eine gereizte Stimmung gab´s bei Österreich nicht.

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