Fußball

Rangnick und seine Widersprüche: Zwei Neulinge, zwei Heimkehrer

20 Legionäre, davon elf aus der deutschen Bundesliga, drei Spieler von Red Bull Salzburg (Andreas Ulmer, Max Wöber, Nicolas Seiwald) und LASK-Tormann Alexander Schlager. Das ist der 24 Mann-Kader von Österreichs Teamchef Ralf Rangnick, mit dem in den letzten zwei Spielen der Nations League bei Weltmeister Frankreich im Stade de France von Paris am 22. September und drei Tage später im Happel-Stadion gegen Vizeweltmeister Kroatien (bereits 35.000 Karten verkauft) der Abstieg aus der Nations League verhindert werden soll. Ein interessantes Aufgebot mit zwei Neulingen (der 22 jährige Romano Schmid von Werder Bremen und der ein Jahr jüngere Muhammaed Cham-Saracevic von Frankreichs Aufsteiger Clermont-Foot), zwei Heimkehrern (Schlager, Ulmer) und Widersprüchen. Sollte Marko Arnautovic in beiden Partien eingesetzt werden, wäre er danach mit 104 Länderspielen Nachfolger von Andreas Herzog als Österreichs Rekord-Teamspieler. Die muskulären Probleme, die Sonntag bei Bolognas 2:1 gegen Fiorentina zu seinem Austausch führten, sollen kein Problem sein. Das versicherte er Dienstagvormittag Rangnick am Telefon.

Es gibt nicht nur je zwei Neulinge und zwei Heimkehrer, sondern auch zwei Ausfälle. Der von Konrad Laimer tut Rangnick schon weh. Er bezeichnete den Salzburger in Diensten von RB Leiozig als derzeit besten Umschaltspieler, was Laimer und Xaver Schlager letzten Samstag beim 3:0 über Borussia Dortmund zeigten, bezeichnete Augenzeuge Rangnick als „allererste Sahne“. Aber Rangnick sieht im zentralen Mittelfeld auch andere Möglichkeiten. Sprich Seiwald und Schlager. Den Ausfall von Kalajdzic, der letzten Mittwoch in London am Knie operiert wurde, sah Rangnick ebenfalls als schwerwiegend. Allerdings spielte der Zweimeter-Riese in den bisherigen vier Partien unter Rangnick nur bei den zwei Niederlagen gegen Dänemark.

Zu den Neulingen: Romano Schmid hatte Rangnick bereits am Radar, als er noch Sportchef von Red Bull Salzburg war. Damals wollte er das große Talent von Sturm Graz nach Salzburg lotsen. Das passierte 2017, als Rangnick nur noch wenig mit Salzburg zu tun hatte. In die Spur fand der offensive Mittelfeldspieler erst nach dem Wechsel zu Werder Bremen und als Leihspieler bei Wolfsberg. Er machte letzte Saison schon beim Aufstieg von Werder eine gute Figur, kam in dieser Saison in allen fünf Spielen nach einer Corona-Pause zum Einsatz. In den letzten zwei, bedingt durch den Ausfall des Brasilianers Leonardo Bittencourt, von Beginn an. Noch interessanter ist Cham-Saracevic: 2019 holte ihn die Admira von Wolfsburgs zweiter Mannschaft. Ein Jahr später sortierte ihn der damalige „Mastermind“ Felix Magath gegen den Willen von Sportchef Ernst Baumeister aus. Der von der englischen Agentur Stellar beratene Cham wechselte nach Frankreich zu Clermont-Foot. Funktionierte anfangs nicht. Ein Jahr nach Dänemark verliehen, das nächste zu Austria Lustenau. Mit 15 Toren und 14 Assists trug er viel zum Aufstieg der Vorarlberger bei. Bei der Rückkehr zu Clermont schaffte er es zum Stammspieler. Sieben Einsätze, drei Tore. Rangnick sieht in ihm den Tempodribbler, der dem Team guttun könnte. Da liegt er richtig. Cham spielte bisher viermal in der U 21 von Werner Gregoritsch.

Zu den Heimkehrern: Einer ist Salzburgs Kapitän Ulmer. Kein Zweifel, der 36 jährige hat es sich mit seinen Leistungen verdient. Aber im Mai meinte Rangnick noch, Ulmer sei in seinem Alter, in dem es besser wäre, sich auf den Verein zu konzentrieren. Vier Monate später sieht alles anders aus, weil noch nicht fest steht, ob der als linker Verteidiger eingeplante Max Wöber einsatzfähig sein wird. Rangnick entschied sich für den 36 jährigen Ulmer und gegen den 13 Jahre jüngeren Ex-Rapidler Robert Ljubicic, der auf dieser Position bei Dinamo Zagreb bei der 1:0-Sensation total überzeugte. Allerdings als „wingback“, wie Rangnick bemerkte, weil Dinamo mit drei Innenverteidigern agierte, wie der Teamchef bemerkte, als er sich das Spiel via TV ansah. Allerdings spielte Ljubicic bei Dinamo auch schon links in einer Viererabwehr. Ohne dass es Rangnick sah. Robert Ljubicic steht auf der Abrufliste. Sportchef Peter Schöttel nahm mit dem jüngeren Bruder des Köln-Legionärs, der zum Kader gehört, Kontakt auf, um die Frage zu klären, ob er für Österreich oder Kroatien, das Land, aus dem seine Eltern kommen, spielen wird. Der Wissensstand von Rangnick: „Ich nehme an, er wird für das Land spielen, das ihn als Erstes einberuft!“ Für Alexander Schlager sprach die gute Saison, die er bisher im LASK-Tor spielt. Im ersten Rangnick-Kader fehlte er, jetzt kam er statt Martin Fraisl dazu. Der für seinen neuen Klub, den Zweitligisten Arminia Bielefeld, erst zwei Spiele bestritt.

Zu den großen Widersprüchen: Rangnick begründete das Fehlen von Florian Grillitsch durchaus nachvollziehbar, dass er bei Ajax Amsterdam erst einmal als Joker zum Einsatz kam. Aber warum ist dann bei allem Respekt vor den Qualitäten von Stefan Lainer er im Kader dabei, obwohl er in dieser Saison noch nie bei Borussia Mönchengladbach spielte? Ähnlich liegt der Fall bei Innenverteidiger Stefan Posch, der für Hoffenheim  19 Minuten spielte und ein Match bei Bologna bestritt. Aleksander Dragovic, der in dieser Saison keine Partie verpasste, europaweit der Rekordspieler in der Europa League ist (Donnerstag hat er bei Roter Stern Belgrad gegen den türkischen Meister Trabzonspor seinen 65. Einsatz), steht zwar auf der Abrufliste, ist aber in Wahrheit aussortiert. Ähnliches gilt für Florian Kainz, der beim 1. FC Köln zum Stammpersonal gehört und starke Leistungen bietet. Auch er steht auf Abruf bereit, ohne wirklich gefragt zu sein. Obwohl er im offensiven Mittelfeld eine Bereicherung wäre.

Wie könnte Rangnicks Startformation in Paris aussehen`Wenn man von einem 4-2-2-2, das er bevorzugt ausgeht, werden in der Abwehr sicher Christopher Trimmel und David Alaba beginnen, als Linksverteidiger, wenn er fit ist, Wöber, ansonst Ulmer. Beim zweiten Innenverteidiger neben Chef Alaba fällt die Wahl zwischen Philipp Lienhart, Kevin Danso und Gernot Trauner. Die Doppel-Sechs werden Marcel Sabitzer (oder Seiwald) und Schlager bilden, für die Offensivpositionen bietet sich zwingend Hoffenheim-Legionär Christoph Baumgartner an, dazu entweder Cham oder Schmid. Ganz vorne ist Arnautovic gesetzt, sind Michael Gregoritsch, Karim Onisiwo und Andi Weimann, der einzige England-Legionär (diese Saison bei Bristol je vier Tore und Assists in neun Spielen) die Anwärter auf den zweiten Platz.

Foto: ÖFB/Tugrul Karacam.

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