Drei Stunden vor dem Anpfiff zum Play-off-Finale am Innsbrucker Tivoli machte Rapid seine dritte Neuerwerbung nach Roman Kerschbaum und Patrick Greil offiziell. Die erste, die Ablöse kostete. Überraschung war es keine mehr, dass der 22 jährige Rechtsaußen Nicolas Kühn bei Grün-Weiß landete. Sein Name fiel bereits vor Wochen. Kühn gehörte noch Bayern München, war aber an den Zweitligaabsteiger Erzgebirge Aue verliehen, bei dem er in 27 Spielen auf drei Tore und vier Assists kam. Keine herausragende Bilanz. Sport-Geschäftsführer Zoran Barisic und Sportkoordinator Steffen Hofmann beobachten im Frühjahr wegen Kühn drei Spiele von Aue. Hofmann bezeichnete den Neuzugang, der einen Marktwert von 700.000 Euro hat, als spannenden Spieler.
Wenn man will, kann man zwischen Hofmann und Kühn sogar Parallelen konstruieren. Er ist der erste nach Hofmann, der von Bayern nach Hütteldorf wechselte. 20 Jahre liegen dazwischen. Auch Steffen war damals 22 Jahre jung. Ob Kühn auch16 Jahre lang den grün-weißen Dress tragen und zweimal Meister werden wird? Werden ihn die Fans wie einst Hofmann als Fußballgott bejubeln und anhimmeln? Dann muss Kühn sich sehr steigern, viel besser sein als auf seinen bisherigen Stationen, die zuzugeben sehr prominent waren. Von RB Leipzig, wo er in der U 17 und 19 spielte, 2018 zu Ajax Amsterdam. 43 Spiele bestritt er in der zweiten Mannschaft, keines in der ersten. Von Amsterdam holte ihn im Jänner 2020 Bayern München. Auch dort reichte es nur zur zweiten Mannschaft (36 Spiele), mit der Meister der dritten Liga wurde, ehe er im Sommer 2021 nach Aue verliehen wurde. Die größten Vorschusslorbeeren bekam Kühn vor drei Jahren, als ihm die Fritz Walter-Medaille verliehen wurde. Die erhält der hoffnungsvollste deutsche Nachwuchsspieler. Vor Kühn unter anderem Weltmeister Mario Götze, Bayern-Star Leon Goretzka, die Chelsea-Legionäre Timo Werner und Kai Havertz, mit ihm Karim Adeyemi. Der ist inzwischen bei Borussia Dortmund gelandet, Kühn bei Rapid. Die großen Hoffnungen in den technisch versierten Offensivspieler erfüllten sich bisher nicht. Ein Talent, das den Sprung nicht schaffte. Rapid setzte darauf, dass dies in Hütteldorf sich ändert. Das mag zwar vertretbar sein, riskant ist es sicher.
Kühn unterschrieb bei Rapid einen Vierjahresvertrag bis 2026, ist bekannt dafür, einen aktuellen Auftritt bei Instagram zu „zelebrieren“. Allzu hoch wird die Ablöse im sechsstelligen Bereich nicht gewesen sein. Denn sein Berater Christian Nerlinger hat gute Kontakte zur Bayern-Chefetage. Weil er fünf Jahre bei Bayern spielte, 2008 Teammanager wurde, ein Jahr später sogar Sportchef. Nach drei Saisonen musste er gehen. Als „Opfer“ des verlorenen Finales „dahoam“ in der Champions League, des verpassten Meistertitels. Seit 2017 betreibt er eine Beratungsagentur. Der gebürtige Niedersachse Kühn zählt nicht zu den prominenten Klienten. Das sind Ex-Bayern-Star Jerome Boateng sowie die deutschen Teamspieler Jonathan Tah und Benjamin Henrichs.