Fußball

Stani Tschertschessow oder: Ein Tiroler Russe kennt keine Probleme

Kaum war Weltmeister Deutschland Donnerstag in Sotschi gelandet, stand auch schon „Omon“ bereit. Das ist Russlands Anti-Terror-Komando. Zur Sicherheit und Bewachung des Nationalteams stellte Russlands Präsident Wladimir Putin seine härteste und umstrittenste Truppe ab. Denn der Confed-Cup und ein Jahr später die Weltmeisterschaft sollen nach Putins Willen Propagandaveranstaltungen werden. Mindestens genauso schöne Ereignisse wie das deutsche Sommermärchen 2006. Der Welt soll gezeigt werden, welch ein freundliches Land Russland wirklich ist. Inmitten der Terrorgefahr: In St. Petersburg, wo  Samstag Russland den Confed-Cup gegen Neuseeland eröffnet und auch das Finale stattfindet, starben Anfang April 14 Menschen bei einer Bomben-Explosion in einer U-Bahn.

Russland hat auch ein Hooligan-Problem. Deutlich zu merken vor einem Jahr bei der EURO in Frankreich, als Chaoten in der Stadt und im Stadion von Marseille wahllos auf englische Fans einprügelten: „Solche Szenen wird es in Russland garantiert nicht geben“ versprach Alexj Sorokin, der Leiter des russischen Organisationskomitees für die WM, dessen Aufsichtsratschef Putin heißt. Sorokin hat noch ein anderes Problem: Wenig Interesse der russischen Fans. Einige Spiele von Deutschland, Portugal, Chile oder Kamerun werden sicher vor halb leeren Rängen stattfinden.

Putins Auftrag an die russischen Teamspieler: Wie echte Krieger auftreten. Dafür zuständig: Der Teamchef mit Tiroler Vergangenheit. Das ist der 53jährige ehemalige Klassetorhüter Stani Tschertschessow, der zwischen 1996 und 2002 dreimal mit dem FC Tirol Meister wurde, zuletzt  unter dem jetzigen Weltmeister-Teamchef Jogi Löw. Tschertschessow Familie lebt weiter in Rinn bei Innsbruck, der Sohn ist zweiter Tormann bei Dynamo Moskau. Kufstein, Wacker Innsbruck (2004 bis 2006), Spartak Moskau (mit Martin Stranzl),  Sotschi, Terek Grosny, Amkar Perm und Legia Warschau hießen die Trainerstationen. Mit Legia gewann er 2016 das Double, zog aber die Konsequenzen, hörte auf, als er keine Verstärkungen für die Champions League bekam. Nach Russlands schlimmem Ausscheiden der  EURO (1:1 gegen England, 1:2 gegen Slowakei, 0:3 gegen Wales) trat Teamchef Leonid Slutski zurück, bekam  Tschertschessow das Himmelfahrtskommando, in zwei Jahren eine starke Mannschaft für die Heim-WM  aufzubauen. Er entschloss sich zum Generationswechsel, viel anderes blieb ihm nicht übrig. Bekannt sind nur der 31jährige Torhtüer Igor Akinfeev sowie Krasnodar-Stürmer Fedor Smolov, in den letzten zwei Saisonen Schützenkönig der Liga. Ansonst ist auch gegenüber den Spielen gegen Österreich in der Qualifikation zur EURO 2016, die unter Fabio Capello zweimal 0:1 verloren gingen, alles neu.

„Wenn ich nicht kritisiert werde, läuten bei mir die Alarmglocken. Denn das bedeutet, dass sich kein Schwein für meine Arbeit interessiert“, behauptet Tschertschessow, der sein Team auch in der Wahlheimat Tirol, in Neustift im Stubaital auf den Confed-Cup vorbereitete. In seinem schweren und verantwortungsvollen Job dürfe für ihn das Wort Problem nicht existieren: „Wir werden mit Leidenschaft um diesen Pokal kämpfen“, versprach Tschertschessow, „unsere Gruppenspiele sind alle ausverkauft. Das beweist, das wir schön langsam wieder  Sympathien zurückgewinnen.“ Besonders die Duelle gegen Europameister Portugal und Südamerika-Sieger Chile sieht er als große Herausforderung. Und gab zu,  davor schon angespannt zu sein: „Wäre ich das vor einem solchen Turnier nicht, dann könnte man mich als praktisch tot bezeichnen“. Um den heißen Brei redete Tschertschessow noch nie herum. Auch nicht als Innsbruck-Trainer.

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