Fußball

Stanis Kult-Kraut trägt Russland: In Österreich drücken ihm viele die Daumen

Bringt die Weltmeisterschaft in Russland einen Premieren-Weltmeister? Das ist das Thema einer Spezialwette bei tipp 3. Die Quote auf Nein ist 1,35, die auf ja 2,70. In den letzten zwei Viertelfinalspielen am Samstag sind drei Teams im Einsatz, die ein Premieren-Weltmeister wären: Am Nachmittag Schweden in Samara, wenn es gelingt, gegen den Weltmeister von 1966, England, die zweite große Überraschung in Gelb nach dem Sieg in der  Deutschland-Gruppe zu liefern. Harry Kane, der Kapitän der „Three Lions“ spricht  seit dem ersten englischen Sieg bei der WM durch Elfmeterschießen am Dienstag von einem neuen Fußball-England, in dem Teamchef Gareth Southgate eine vorzeitige Vertragsverlängerung winkt. Der Sieger aus Russland-Kroatien am Abend in der Olympiastadt Sotschi könnte auch zum Premierenweltmeister werden. Das wird viel eher den Kroaten als den Veranstaltern zugetraut. Auch wenn ihr Teamchef Stanislaw Tschertschessow zur Jubelparty im ganzen Land, die der Überraschung gegen Spanien gefolgt war, mit allein einer Million Fans, die in Moskau auf die Strassen zwischen Bolschoi-Theater und Roten Platz gingen, ganz trocken bemerkte: „Für mich war das erst der Anfang.“ Mittwoch  bekam ein junger Steppenadler im Moskauer Zoo den Namen des Teamkapitäns, von Tormann Igor Akinfeev, den Elferhelden gegen Spanien. Zudem wurde eine Akinfeev-Gedenktafel am Adlergehege aufgestellt.

Tschertschessow hat den im Eröffnungsspiel verletzten ausgeschiedenen Alan Dsagojew, der eigentlich zur  Stammelf gehörte, wieder zur Verfügung, damit eine Möglichkeit mehr, die Kroaten und ihren Teamchef Zlatko Dalic irgendwie zu überraschen. „Stanis“ Oberlippenbart wurde inzwischen praktisch zum landesweiten „Kult-Kraut“, das Russlands Zuversicht durch die WM trägt. Den gibt´s inzwischen aus Plastik, viele Fans drücken ihn als Zeichen der Zustimmung in ihr Gesicht. In Österreich gibt´s dafür keine Nachahmer, aber doch viele, die ihm die Daumen halten. In Tirol die 1856 Einwohner-Gemeinde Rinn oberhalb von Innsbruck, in der er ein Haus hat, in dem seine Familie immer wohnt. Sein Freund Ralph Schader, der ihm half, die WM-Vorbereitung im Stubaital zu organisieren. Bei Aufsteiger Wacker Innsbruck Sportchef Alfred Hörtnagl, ein ehemaliger Mitspieler von ihm, der ihn Jahre später auch als Trainer installierte. Oder Kurt Jara als Schöpfer der ersten Tiroler Meistertruppe mit „Stani“ im Tor: „Er war für einen Trainer kein einfacher Typ. Aber er hat sich nicht entscheidend verändert. Er ist von sich überzeugt, geht konsequent seinen Weg, bringt auch viel Stolz mit.“ Was Jara  erst während der WM  erfuhr, ist „Stanis“ zweiter Vorname Salamowitsch: „Hätten wir das damals schon gewusst, wäre es sehr lustig geworden.“

Im Rapid-Trainingslager Windischgarten wird Samstag Abend im Hotel Dilly vor dem Fernsehschirm sicher der grün-weiße Fitnessguru, Toni Beretzki, der „Master of high performance“, die Daumen halten. Der Burgenländer war 2007/08 als Athletiktrainer bei Spartak Moskau ein wichtiger Mitarbeiter von Chef Tschertschessow:  „Er ist eine Riesenpersönlichkeit, von der ich viel gelernt habe. Er stellt hohe Ansprüche, an sich  selbst und die Spieler, hinterlässt deutlich seine Fingerabdrücke. Für ihn ist Fitness ein wesentlicher Bestandteil. Er sagte mir immer: Du machst mir die Spieler richtig fit,wie ist mir egal.“ Zu diesen Spielern gehörte damals mit Martin Stranzl auch ein Österreicher. Beide  wissen: „Stani“ ist stets überzeugt. dass  nur sein Weg der richtige ist, kein Mann für  Kompromisse oder halbe Sachen. Das merkten vor zwei Jahren auch die Bosse von Legia Warschau nach dem Meistertitel. Als sie keine Verstärkungen für die Champions League kaufen wollten, quittierte er den Job. Wenig später begann die Karriere als Teamchef.

In Wien erinnert sich Zoran Barisic noch gut an die letzte gemeinsame Saison in Innsbruck mit „Stani“, als dem damals 36jährigen viele nahe legten, er solle doch besser nach einer Knieoperation seine Karriere beenden: „Er lehnte das damals entrüstet ab. Sagte allen: Ich und aufhören? Ich werde noch in der Champions League spielen.“ Und so kam es auch. Er wechselte von Tirol noch einmal ins Tor von Spartak Moskau, spiele dort Champions League. Irgendwie erinnert das „Zoki“ jetzt an den unerwarteten russischen WM-Höhenflug: „Die wenigsten haben so etwas ähnliches erwartet. Er macht das, was ein Trainer ohne herausragende Einzelspieler tun muss: Auf gute Organisation, Aggressivität, taktische Disziplin und viel Laufarbeit setzen. So kann´s auch klappen.“ „Zokis“ Tipp für das Viertelfinale: „Stani läßt sich garantiert etwas einfallen, wird gegen Kroatien nicht mehr so defensiv wie gegen die Spanier spielen lassen.“ Tschertschessow nimmt sich trotz WM-Stress nach den Spielen Zeit, Glückwünsche aus Österreich, die er via SMS, bekommt, wenig später zu beantworten. „Stanis“ Dank ist kurz aber prägnant. Mit dem Wort „Spasibo“ und drei Emojis. Applaudierende Hände.

 

Foto: © FIFA.com (Getty Images).

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