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Vienna feiert mit Ehrengast Mario Kempes: „Um 30 Jahre zu früh geboren“

Zum 125.Geburtstag  stieg die Vienna in die vierthöchste Spielklasse, die Wiener Liga auf. Dort startete Österreichs ältester Fußballklub Samstag mit einem 1:0 beim Favoritner AC. Sonntag Vormittag landete einer der berühmtesten Spieler, der je den blau-gelben Dress trug, zu den Jubiläumsfeierlichkeiten am Flughafen Schwechat. Erwartetet von Magali, der zweitältesten seinen vier Töchter, die in Wien lebt: Mario Kempes kam in Begleitung seiner Töchter Natascha und Nicole aus Hartford, der Hauptstadt des amerikanischen Bundesstaats Connecticut. Dort lebt er derzeit wegen seines Jobs als Kommentator für den US-Sender ESPN. Mit 65 Jahren wirkt die dominierenden Figur bei Argentiniens WM-Triumph im eigenen Land vor 41 Jahren  erstaunlich fit, wenn man bedenkt, dass er sich 2014 einer schweren Herzoperation hatte unterziehen müssen. Zwei Jahre später war er bis zur  Ankunft am Sonntag letztmals in Wien. Als Botschafter seines Ex-Klubs Valencia beim Europa League-Spiel gegen Rapid im Happel-Stadion. Da sah man einen wütenden Kempes. Wegen Transparenten von Rapid-Fans gegen Valencia, die schwer unter der Gürtellinie waren.

Wann die Vienna wieder ähnliche Schlagzeilen wie mit dem Kempes-Engagement im Februar 1986 liefern kann? 1978 war er nicht nur Torschützenkönig der WM, der das 3:1 im Finale gegen die von Ernst Happel gecoachten Holländer mit zwei Toren, dem 1:0 und dem Solo zum 2:1 in der Verlängerung möglich gemacht hatte, sondern galt auch als der beste Spieler und der mit dem meisten Sex-Appeal. 32 Jahre alt war er, als ihn der bereits verstorbene ehemalige Vienna-Manager Josef Schulz und sein Partner Rainer Ellerich mit Hilfe eines Sponsors nach Wien lotsten Aus Spanien von Hercules Alicante, wo er nach seiner Zeit bei Valencia spielte.  Mir fiel damals in der „Krone“ der Satz ein, dass dies ungefähr so sei, als würde demnächst der Pfarrer von Grinzing Papst werden. Aber so attraktiv wie erhofft wurden die 20 Spiele von Ihm zwischen Februar 1986 und Juli 1987 mit sieben Toren nicht.

Damals gab es den ersten Versuch mit der Zwölferliga und Play-off. Sogar mit drei. Die Vienna kämpfte im mittleren um einen Platz unter den ersten vier und den Aufstieg in die Bundesliga. Mit Kempes sollte das gelingen. Schon das Debüt endete am Dienstag, den 18.März 1986, mit dem 1:1 gegen VOEST Linz enttäuschend. Trotz Wochentag mit Anpfiffzeit um 18 Uhr waren 4500 Zuschauer gekommen.  Das erste Kempes-Tor gab es im vierten Spiel beim 3:1 gegen Alpine. In Erinnerung blieben die 11.000 Zuschauer samt der Wiener Schickeria, die das Duell der WM-Helden Kempes und des beim Wiener Sportklub gelandeten Hans Krankl, am 4. April 1986 auf die Hohe Warte gelockt hatte. Krankl hatte sechs Jahre vor Kempes für ähnliche Schlagzeilen gesorgt, als er wenige Monate nach dem Europacupsieg mit dem FC Barcelona für ein halbes Jahr den Vienna-Dress anzog. Krankl stieg 1980 mit Vienna ab, Kempes 1986 auf. Auch dank des 1:0 gegen den Sportklub im kleiner Wiener Derby durch ein Tor von Thomas Niederstrasser. Trotz eines 1:6 im „Retourspiel“, bei dem Krankl zweimal traf, trotz eines 0:5 bei VOEST Linz, trotz eines 0:2 in Eisenstadt. Monate zuvor hatte Kampes wahrscheinlich nicht gewusst, dass es Eisenstadt gibt. Zudem hatte Kempes am Ende seiner Spanien-Zeit einen Kreuzbandriss erlitten. Die Heilung ohne Operation gelang nicht hundertprozentig. Er trug stets eine Bandage um das Knie. Für das die vielen Übungen mit dem Medizinball, die zum Programm von Trainer Ernst Hlozek gehörten, nicht gerade gut waren.

Mitspieler von Kempes waren unter anderem Ex-Belgien-Legionär Richard Niederbacher, Alfred Tatar, jetzt Sky-Analytiker und der spätere Teamspieler Peter Artner. Bei Tatar gab es keine Sprachbarriere, er konnte spanisch: „Mario war total auf den Fußball fokussiert, dachte nie daran, was nach der Karriere kommt. Er wurde um 30 Jahre zu früh geboren.“  Was Tatar damit ausdrücken will: Beim gestiegenen Preisniveau der Fußballszene für Stars wie Kempes wäre er jetzt Multimillionär. In der Bundesliga kamen nur noch 5500 Zuschauer zum zweiten Duell gegen Krankl auf die Hohe Warte. Es gab Partien, in denen der frühere Weltstar vor weniger als 2000 Besuchern spielte. Muss deprimierend für ihn gewesen sein. Die Highlights: Ein 3:1 gegen FC Tirols Startruppe um Hansi Müller mit einem Kempes-Tor, ein 4:2 gegen Austria samt Herbert Prohaska, Erich Obermayer, Toni Polster und Andi Ogris. Da traf Kempes zweimal. Am Ende fehlte ein Punkt für einen Platz im oberen Play-off. Also wieder ins mittlere. Dort dann Trainerwechsel von Ernst Hlozek zu Ernst Dokupil. Das änderte nichts daran, dass Kempes stets einen Dolmetsch brauchte, um mit dem Trainer reden zu können. Vienna schaffte nochmals den Aufstieg, aber Dokupil beendete das Kapitel Kempes in Döbling, setzte lieber auf den jungen Peter Stöger.

Kempes und Tatar wechselten gemeinsam in die zweite Division zu St. Pölten. Dort war sein „Erfinder“ Schulz Trainer. Nach einem halben Jahr ersetzte ihn Thomas Parits. Unter dem blühte Kempes dann auf. Parits sprach seit seiner Legionärszeit bei Granada spanisch, konnte mit ihm kommunizieren, gab ihm zudem mehr Freiheiten als er sie bei Vienna hatte. St.Pölten stieg auf, wuchs in der Bundesliga zur Sensation. Im ersten Heimspiel ein Kempes-Goldtor zum 1:0 gegen Rapid, im zweiten traf er zweimal zum 6:1 gegen seinen Ex-Klub Vienna. Parits holte Spieler mit Vergangenheit bei Austria, Rapid oder FC Tirol wie Hubert Baumgartner im Tor, Franz Zach, Ernst Ogris, Rudi Weinhofer, Rudi Steinbauer. Mit 7091 Zuschauern hatte St.Pölten den zweitbesten Zuschauerschnitt der Liga. Wäre heute unvorstellbar. Beim Duell gegen den FC Tirol waren sogar mehr als 10.000 Zuschauer am alten Voith-Platz. Tirols Trainerstar Ernst Happel feierte auf viel kleinerer Bühne 20 Jahre nach dem WM-Finale Revanche. Ich kann mich noch erinnern, wie Happel nachher in der ihm eigenen Sprachschöpfung meinte: „Worauf hätt´ ich doda warten sollen? Auf die Freistöss vom Kemper?“

Das letzte Spiel für St.Pölten bestritt Kempes am 15.Mai 1990 am Innsbrucker Tivoli, verabschiedete sich beim 3:5 mit drei Toren. Dann folgten noch zwei Saisonen bei Krems, ehe das Österreich-Kapitel vorbei war. 17 Jahre später hat Kempes in Wien drei gedrängte Tage: Dienstag ab 17 Uhr ein Talk bei Viennas Sponsor Uniqa, auch mit Peter Stöger, inzwischen Austrias Sportvorstand, der ab 18 Uhr live im ORF auf Sport+ live zu sehen ist. Mittwoch Abend präsentiert Kempes im Instituto Cervantes am Schwarzenbergplatz seine Biographie mit dem Titel „Matador“, in der auch das Österreich-Kapitel ein Thema ist. Danach bittet Argentiniens Botschafter Rafael Grossi zu einem Empfang. Donnerstag Abend das große Geburtstagsfest der Vienna auf der Hohen Warte. Zudem baten einige um einen „privaten Termin“ bei Mario, unter anderem Hans Krankl und Thomas Parits. Freitag besucht er das Vienna-Training, nimmt sich Zeit für Fotos mit den Fans. Dann heißt es zurück über den großen Teich. Der Dienst bei ESPN ruft.

 

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