Fußball

Von Belgrad bis St.Peter: Erinnerungen an Ivica Osim

In Graz ist Ivica Osim dieser Tage nicht zu übersehen. Fans von Sturm haben anlässlich des 80. Geburtstags des Legenden-Trainers am Donnerstag sein Konterfei an den verschiedensten Plätzen der Stadt aufgehängt. Unter anderem auch am Uhrturm. Das Land Steiermark ehrt ihn mit dem großen  Verdienstkreuz. Jenen, der Sturm die erfolgreichste Zeit der Klubgeschichte beschert hatte: Meistertitel 1988 und 1999, drei Cupsiege, dreimal Champions League, als bisher einzige österreichische Mannschaft die Gruppenphase der Champions League überstanden. Am 9. November 2000 hatte Sturm auch im deutschen Massenblatt „Bild“ seine Headlines als die Sensation Europas. Darauf wartet Red Bull Salzburg noch. Via FIFA schickte eine andere Legende, Arsene Wenger, ein Gratulationsvideo nach Graz. Wenger nannte „Ivan“, wie ihn seine Freude rufen, eine der größten Fußballer und Persönlichkeiten, die er kennen gelernt hat. Bei gemeinsamen Zeiten in Straßburg.

In Sarajevo, wo Osim geboren wurde,  wurde er wegen seiner blonden wehender Haare, seiner Größe und deutscher Ahnen „Svabo“ genannt. Der „Strauß“ verzückte als Mittelfeldspieler alle mit seiner Technik. Als Trainer mit einem Blick  für das wesentliche, wie er Spieler und Mannschaften entwickeln konnte. Das erste Interview führte ich mit Osim als er jugoslawischer Teamchef war. Am 29. Oktober 1990 in den Katakomben des Marakana in Belgrad. Monate zuvor war er bei der WM in Italien mit seiner Mannschaft im Viertelfinale an Argentinien und Diego Maradona erst im Elfmeterschießen gescheitert. Jetzt ging es in der  EM-Qualifikation gegen Österreich. Noch mit Serben (wie Torjäger Darko Pancev) und Kroaten (wie Ex-Innsbruck-Tormann Tomislav Ivkovic, Robert Prosinecki oder Zvonimir Boban) in der Mannschaft. Osim wollte mit österreichischen Journalisten nur dort reden, wo keiner hören konnte, was er antwortete, wenn er auf die explosive Situation in Jugoslawien angesprochen wurde. Er machte kein Hehl aus seiner Angst über die Entwicklung, ahnte nichts Gutes. Jugoslawien gewann nach einem 0:1 klar 4:1. kam 13 Monate später als Tabellenführer der Gruppe nach Wien. Damals war es noch üblich, dass Journalisten zur Ankunft von Gegner auf den Flughafen fuhren, um mit Teamchef oder Stars zu reden. Osim fehlten schon die kroatischen Spieler. Die wollten oder durften nicht mehr für Jugoslawien spielen. Auf dem Flughafen verwickelten einige Kroaten Osim in heftige Diskussionen, die ihm gar nicht recht waren, sogar wütend machten. Jugoslawien gewann damals mit Darko Milanic, der später zu Sturms Erfolgstruppe gehörte, und „Il Genio“ Dejan Savicevic, einige Jahre später Star von Rapid, locker 2:0. Galt im Frühjahr als einer der  Favoriten für die Europameisterschaft 1992, wurde aber von der FIFA wegen des Bürgerkriegs  ausgeschlossen. Der „Ersatz“ Dänemark holte sensationell den Titel. Osim war zuvor im Mai als Teamchef zurückgetreten. Sagte unter Tränen, weil Bomben auf seine Geburtsstadt Saeajevo flogen: „Das ist letzte, was ich für meine Heimat tun konnte!“

Zwei Jahre später war Osim in Graz. Dank Sturm-Manager Heinz Schilcher, der Osim so wie Wenger in Straßburg schätzen gelernt hatte: „Man braucht Zeit, um eine gute Mannschaft zu bauen“, sagte er zum Antritt. bei Sturm, Zwei Jahre später war Sturm erstmals Cupsieger. Der Höhenflug begann. Es gab  Szenen zum Schmunzeln, als Osim anfangs versuchte, den Siegesküssen von Präsident Hannes Kartnig zu entgehen, nur reserviert jubelte. Auf viele Fragen kamen vor der Antwort zuerst die Worte „schwer ist“. Das waren auch die Zeiten, als er sich mit seinen Co-Trainern vor dem Spiel einen Schluck Whisky zur Beruhigung gönnte. 2002 war die Zeit in Graz vorbei, er wechselte nach Japan. Wurde dort drei Jahren später Teamchef. Spielte mit seinem Team 2007 in Klagenfurt zur Eröffnung des Wörthersee-Stadions gegen Österreich. Es fielen keine Tore. Erst im Elferschießen.

Drei Monate später erlitt er einen Schlaganfall, von dem er sich nie erholte. Das ist an seiner Stimme zu hören.  Das letzte Mal sah ich ihn letztes Jahr im Grazer Stadtteil St. Peter, wo er bis heute wohnt. Er kam zum traditionellen Sommerfest, zu dem Kartnig in sein Haus einlädt. Die Dissonanzen beim Abschied von Sturm sind längst ausgeräumt. Osim genoss es im Kreis seiner ehemaligen Spieler zu sitzen. Mit dem magischen Dreieck  Ivo Vastic, Mario Haas und Hannes Reinmayr, mit Franco Foda, Milanic, Roman Mählich usw . über vergangene Zeiten zu reden, die ihm besser gefielen als die aktuellen. Weil sich damals noch nicht so viel um Geld drehte.

 

Foto: ORF Sport.

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