Es geht zwar um die ersten Schritte in Richtung WM 2022 in Katar, aber die 24 Teilnehmer an der Europameisterschaft haben sicher auch die zweieinhalb Monate davor im Hinterkopf. So wird Österreichs Teamchef Franco Foda in Glasgow sicher Dienstag Abend mit Interesse die Resultate von Holland und der Ukraine registriert haben. Die gemischte Gefühle hervorgerufen haben: Die Holländer mit dem Teamchefwechsel von Ronald Koeman, durch dessen Wechsel zum FC Barcelona, im letzten Sommer erstmals verunsichert, durch den Kreuzbandriss von Kapitän und Abwehrchef Vigil van Dijk im Herbst noch viel mehr. van Dijk und Matthijs de Ligt von Juventus galten als beste Innenverteidigung der Welt, de Ligt und Daley Blind sind es wohl nicht wie Dienstag das 2:4 gegen die Türkei in Istanbul bewies. Die Oranje-Presse titelte bereits von der „Alarmstufe eins“, de Boer erinnerte an August 2015, als er noch Ajax Amsterdam-Trainer war. Damals sprach er in der Johan Cruyff-Arena nach dem Scheitern gegen Rapid in der Qualifikation der Champions League von einem „Desaster“, Dienstag in Istanbul auch.
Aber es gab auch einen Warnschuss für Österreichs Hoffnungen, bei der EM die Gruppe mit Holland, Ukraine und Nordmazedonien zu überstehen, anders als 2016 ins Achtelfinale aufzusteigen. Der kam aus dem Stade de France von Paris, wo Österreich vor fünf Jahren durch das 1:2 gegen Island ausgeschieden war, und trug Gelb. Wenn die Ukraine Weltmeister Frankreich dort ein 1:1 abringen kann, dann ist ihr auch zuzutrauen, am 21. Juni in Bukarest Österreich in größere Schwierigkeiten zu bringen. Frankreichs Didier Deschamps gestand nach der Enttäuschung: „Ich habe 20 Spiele der Ukraine analysiert, aber der Matchplan meines Kollegen hat mich total überrascht. Den hätte ich nie erwartet“. Vor allem nicht nach dem 7:1 im letzten Oktober. Bei diesem Testspiel in Paris waren die Ukrainer allerdings durch mehrere Corona-Ausfälle entscheidend geschwächt.
Der Kollege ist die große Hoffnung des Ukraine-Fußballs: Andrij Schwetschenko (Bild oben) seit 2016 im Amt, als Spieler Rekordtorschütze seines Landes, Star von Milan, 2004 Europas Fußballer des Jahres. Der 44 jährige überraschte den Weltmeister mit einer neuen Variante der Raumdeckung: „In eins zu eins-Duellen hätten wir gegen Könner wie Kylian Mbappe, Antoine Griezman und Kingsley Coman keine Chance, die mussten wir verhindern“. Gelang offenbar ganz gut. Zudem verjüngte Schewtschenko seine Mannschaft im Vergleich zum letzten Jahr. Der 36 jährige Langzeittormann und Kapitän Andriy Pyatov ist trotz der Erfahrung seiner 96 Länderspiele nicht mehr erste Wahl, der als unverzichtbar gehaltene Westham-Stürmer Andriy Jarmolenko gehörte nicht zum Kader, drei Legionäre aus Belgien, je einer aus Italien und Ungarn saßen auf der Bank, ebenso die eingebürgerten Brasilianer Moraes und Marlos. Das Durchschnittsalter der Startelf betrug nur 24,9 Jahre, Innenverteidiger Serhij Krywtsow von Schachtjor Donezk war der einzige 30 jährige, der spielte. Schewtschenko vertraute unter anderem dem erst 18 jährigen Dynamo Kiew-Verteidiger Illia Zabarnyi. Nur drei Legionäre waren erste Wahl: Im Mittelfeld Oleksandar Zinchenko, einer der Lieblingsschüler von Pep Guardiola bei Manchester City, vorne der torgefährliche Roman Yaremchuk von Gent und Ruslan Malinowskyi von Atalanta Bergamo.
Foto: UEFA.