Reiner Calmund zu sehen und hören, ist immer ein Erlebnis, das auch Unterhaltungswert hat. Etwa bei „Sky“, wenn ihm am Samstag immer markige Sprüche zur deutschen Bundesliga einfallen. Oder auf „Vox“ als Juror bei Kochsendungen wie „Grill den Profi“, bei denen das 140 Kilo-Lebensgewicht fast immer Höchstwertungen vergibt. Donnerstag Abend kamen auch die Mitglieder des Rapid Business-Clubs auf Initiative von Rapid-Stimme Andy Marek in den Calmund-Genuss. Über eine Stunde lang referierte er nicht nur über vergebliche Versuche, sein Lebendgewicht zu reduzieren, etwa durch Hypnose, sondern vor allem darüber, wie man mit Kompetenz und Leidenschaft zum Erfolg kommt. Zuvor gab er stundenlang Interviews. Rapids Pressechef Peter Klinglmüller wurde mit Anfragen überhäuft. Auch aus Deutschland kamen Anrufe. Zum aktuellen Thema Jupp Heynckes.
Kein Wunder, stand doch der Calmund 16 Jahre lang an der Spitze von Bayer Leverkusen, leitete ab 1988 den Aufstieg des Werkklubs zu einer deutschen Spitzenmannschaft, die den UEFA-Cup gewann, ins Finale der Champions League kam. Aber der Fußball läßt den nunmehr 68jährigen nie los. 2008 war der im Zuge der EURO in Österreich internationaler Botschafter der Stadt Klagenfurt, zuletzt beriet er auch den Milliardär Klaus Michael Kühne, der den Hamburger SV jahrelang finanziell über Wasser hielt, ihm einige Spielertransfers ermöglichte. Zu seinen Leverkusen-Zeiten konnte Calmund mit Jorginho, Lucio, Emerson und Juan noch vier brasilianische Spitzenspieler, die es alle auch zum „Kapitän“ der Selecao brachten, um insgesamt 17 Millionen Euro kaufen. Der teuerste Brasilianer, den er damals holte, Ze Roberto, kostete 9,8 Millionen. 15 Jahre später kostet einer allein 220 Millionen. Die Summe für Neymar macht Calmund kein Kopfweh: „Über Refinanzierung müssen wir gar nicht nachdenken. Der Scheich von Katar hatte doch noch nie weltweit so eine gute Werbung wie durch die Präsentation von Neymar in Paris.“ Angst, dass sich der Fußball mit dem Ablösen-und Gehälterwahn immer mehr von der Basis entfernt, hat Calmund auch nicht: „Bayern könnte doch für das Rückspiel gegen Paris St. Germain Anfang Dezember das Stadion siebenmal verkaufen. Alle wollen den Supersturm der Franzosen sehen.“ Was Calmund doch Sorgen macht: „Man muss den Wettbewerb wieder fairer machen. Und dazu braucht es gemeinsame Aktionen. Von der EU über den Weltverband FIFA bis zur UEFA. Anders geht es nicht. Ich bin sicher, das wird zwar nicht sofort, aber doch kommen.“
Die gestiegene Macht der Stars, die siehe Bayern auch zu Trainerwechseln führen kann, hat Calmund registriert. Die Zeiten, in denen er seine Devise gegen unwillige Spieler, die da hieß „eine Briefmarke auf den Arsch kleben und ab“ hieß, sind vorbei. Heute wäre es nicht nur im Fußball, sondern im ganzen Berufsleben wichtig, dass die „Führungspersönlichkeiten die Truppe hinter sich haben, sonst wird´s schwierig.“ Bei Carlo Ancelotti war das offenbar nicht mehr der Fall: „Ich bin zuerst der Vertreter der Trainer. Ancelotti kann große Erfolge aufweisen, der muss etwas verstehen. Aber wenn er die Verwandschaft in seinem Trainerteam installiert, also Sohn und Schwiegersohn, das macht die ganze Angelegenheit schon etwas schwammig. Und kann einem zum Verhängnis werden.“ Bei Heynckes sieht er auch mit 72 Jahren kein Problem bei der Rückkehr der Bayern: „Der weiß, was er zu tun hat, auch wenn er kein moderner Laptop-Trainer ist. Der hat alle für ihn wichtigen Daten im Hirn gespeichert.“
Ein Trainer, von dem Calmund sehr viel hält, heißt Peter Stöger. Calmund weiß speziell aus seiner Leverkusen-Zeit, wie schwer es ist, beim „Nachbarn“ 1. FC Köln so lange auf Erfolgskurs zu bleiben, wie es Stöger war: „Und dabei ist er immer sympathisch und bodenständig geblieben. Darum ist er als Wiener selbst jetzt als Tabellenletzter noch immer der König von Köln. Nach der letzten Niederlage gegen Leipzig hat er gesagt, er würde sofort über Konsequenzen nachdenken, wenn er merkt, die Mannschaft nicht zu erreichen. Das war für mich das Wort zum Sonntag. Besser geht´s nicht. Daher ist noch immer Ruhe in dem schwierigen Klub. Ich kenne den Toni Schumacher sehr gut. Der würde Stöger nie opfern.“ Bei den österreichischen Legionären fällt ihm derzeit Martin Harnik als Vorbild ein („sensationell, wie wichtig er für Hannover ist“) und läßt er über Schalkes „Burgknaller“ namens Guido Burgstaller nichts kommen: „Ohne seine Tore im Frühjahr wäre Schalke vielleicht gar nicht mehr in der Liga. Das ist eine richtige Kampfsau. Die Bundesliga ist nicht Eiskunstlauf, bei dem es um Schönheit geht. Da zählen Tore und Punkte.“ Und das gilt auch für Rapid. Boss Michael Krammer und das Präsidium, Trainer Goran Djuricin und seine Spieler, alle in den schicken neuen Bugatti-Klubanzügen (siehe Bild oben), hörten gespannt und auch amüsiert zu.