Fußball

Wie 1978 in Velez Sarsfield: Neuer Stolz der Nation widmet alles Hannes Wolf

Der vielfach unterschätzte und falsch gesehene Werner Gregoritsch hat´s schon in seinem ersten Spiel mit seiner U 21 bei einer Europameisterschaft geschafft: Sie machten mit dem 2:0 (1:0) gegen Serbien die Österreicher stolz, was sie als ihr Ziel einschätzten. Erstes Spiel,erster Sieg, auch auf Grund der Begleitumstände etwas ganz besonders spezielles. Das für eine eine Aufbruchstimmung sorgt. Da gibt es welche, die mit ihren Mitteln einer Mannschaft, die in ihrer Kreativabteilung mit  Spielern von Real Madrid, Benfica Lissabon und Olympique Marseille einen Marktwert von zusammen 75 Millionen Euro hat, die sich selbst als besser einstufte, den Titelgewinn als Ziel nannte und sich damit selbst unter Druck setzte, nicht nur die Stirn, sondern nahm sie nach allen Regeln der Kunst auseinander. Gewiss zu solchen Überraschungen gehört ein Quentchen Glück dazu, das vorhanden war, als Luka Jovic in seiner einzigen auffälligen Szene in der Offensive per Kopf nur die Latte traf. Das wäre das 1:1 gewesen. Aber in Summe bleibt nur festzustellen: Österreich hätte zur Pause schon klarer führen und am Ende höher gewinnen müssen. Ausgerechnet mit Xaver Schlager ließ der beste und herausragende Österreicher zu viele Chancen aus. Teamchef Franco Foda werden auf der Tribüne die vergebenen  Sitzer an das letzte Spiel der  EM-Qualifikation beim 4:1 in Skopje erinnert haben. Damals brachte ein Elfmeter die erlösende 2:1-Führung, in Triest ein Freistoß das entscheidende 2:0. Zuvor verhinderte Serbiens 1,94 Meter-Riese zwischen den Pfosten, Boris Radunovic, mehr Tore.  Obwohl dies eigentlich mehr ein Verschulden der späteren Sieger war

„Österreich war besser und physisch stärker“, gab  der zuvor so selbstsichere Verlierer-Teamchef Goran Djorovic zu. Die Begründung für die Überraschung aus der Sicht der Sieger? „Wir haben sehr gut verteidigt“ meint der Fels in der Brandung, Abwehrchef Kevin Danso. „Wir haben alles reingehauen, was wir haben, werden das auch weiter tun“ sagte Kapitän Philipp Lienhart, der nach 75 Minuten selbst um den Austausch bot. Weil ihn das hohe Laufpensum in seiner Mittelfeldrolle nach mehreren Monaten ohne Spielpraxis eben körperlich an die Grenzen brachte. Was verständlich ist. Dass er selbst dies signalisierte, Gregoritsch um den Aufstieg bat, zeigt die Reife der Führungsspieler der Himmelstürmer. Auf die kann sich Gregoritsch verlassen.

Es war ein Glück, dass erstmals bei einter Unter 21-EM der Videobeweis zur Anwendung kam. Denn beim Führungstreffer  von Hannes Wolf nach einem Stangenschuss von  Sascha Horvath zeigte der Linienrichter zu Unrecht Abseits an, ehe nach einer Videoüberprüfung die Führung nach 37 Minuten zählte. Auch beim zweiten Treffer half der Videobeweis mit: Der schwache schwedische Schiedsrichter Andreas Ekerg hätte sonst glatt übersehen, dass Bordeaux.Legionär Vukasin Jovanovic mit einem Brutalofoul Hannes Wolf am Weg zu seinem vielleicht zweien Tor stoppte. Er schritt erst ein, als er am Kopfhörer  den Befehl bekam, sich in der Reviewarea die Szene nochmals genau anzusehen. Danach gab´s eine Konsequenz:  Rot für Jovanovic, Freistoss für Österrech. Den Horvath direkt ins lange Eck verwandelte. Danach wurde die 1,67 Meter große „Zaubermaus“ zum „Man of the match“ gewählt. Das empfand er kurz nach dem Abstieg mit Wacker Innsbruck als  „einfach geil“. Obwohl die Freude auch bei ihm gebremst war.

Weil Jovanovic Wolf für ein halbes Jahr außer Gefecht setzte. Er erlitt bei der Brutaloaktion einen Bruch des rechten Außenknöchels. Bitter für den 20jährigen, nicht nur mit Blickpunkt auf den neuen Arbeitgeber RB Leipzig. Sportchef Peter Schöttel hing nachher am Handy, um mit Wolfs noch aktuellen Klub Red Bull Salzburg und mit dem künftigen in Leipzig die weite Vorgangsweise, die wohl eine Operation unumgänglich macht, abzuklären.  Laut Teamarzt Alexander Mildner stand der Knochen raus. „Was Wolf passierte, tut uns allen weh. Er wird merkbar fehlen. Man kann es als Tragödie bezeichnen“, meinte Gregoritsch und kündigte an: „Alles, was wir noch erreichen, werden wir ihm widmen.“ Eine zusätzliche Motivation. Aber er war ein Schlüsselspieler, den auch Sasa Kalajdzic, der statt ihm wohl Donnerstag in Udine gegen Dänemark beginnen wird, nur schwer ersetzen kann.

Am Beispiel Wolf zeigte sich auch, wie gut Österreichs Trainerteam funktioniert: Oben auf der  Tribüne sass Enrico Kulovits, über Telefon mit Tormanntrainer Raimund Hedl auf der Bank verbunden. Nach etwa 20 Minuten meint „Tribünenadler“ Kulovits zu Hedl, dass Mathias Honsak, der als Solospitze begann, vielleicht auf der linken Außenbahn mehr Raum vorfinden würde, um seine Schnelligkeit zur Geltung zu bringen.  Daher also der Platztausch mit Wolf, der schon der „Plan B“ von Gregoritsch war, der sich als richtig erwies. Mit einem tragischen Ende für den Steirer. Der Zusammenhalt ist so groß, dass man die Ankündigung, in den nächsten Partie  auch für den viertjüngsten Spieler des Teams zu laufen, für ihn alles zu mobilisieren, als bare Münze nehmen muss

Mich erinnerte die Sternstunde von Triest an eine, die ich 41 Jahre zuvor im Velez Sarsfield-Stadion von Buenos Aires erlebte: Österreichs 2:1 als Außenseiter gegen Spanien in seinem ersten WM-Spiel seit 20 Jahren 1978. Der Beginn einer Euphorie, die eine ganze Fußballnation packte. Am Ende stand das noch immer legendäre 3:2 gegen Weltmeister Deutschland in Cordoba mit den zwei Toren von Hans Krankl. Das 2:0 gegen Serbien müsste der Startschuss für eine neue Euphorie werden. Denn Montag waren die österreichischen Fans unter den 5200 im Nereo Rocco-Stadion von Triest in der Minderzahl. Anzunehmen, dass nach Udine zu den Duellen gegen Dänemark und Deutschland mehr kommen werden. Wer weiß, vielleicht gibt es gegen Deutschland, 2019 ebenso Titelverteidiger wie 1978, Sonntag ein „Cordoba im Kanaltal.“ Zuzutrauen ist dies Österreiches neuem Fußballstolz trotz Deutschlands 3:1 (1:0)-Startsieg gegen die Dänen allemal.

 

Foto: Sky Sport Austria (© GEPA Pictures).

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