Fußball

Wohlfahrt weg: Kraetschmer erreichte, was er wollte, entscheidet alles allein

Es war Dienstag, 14.59 Uhr, als die Austria das violette Erdbeben offiziell machte: Im Zuge der neuen violetten Ära in der neuen Generali-Arena muss der Sportdirektor gehen. Franz Wohlfahrt, Austrias 53jähriger Jahrhunderttorhüter, ist nach dreieinhalb Jahren Geschichte, obwohl sein Vertrag erst im Jänner um drei Jahre bis 2021 verlängert wurde. Die Beurlaubung des Kärntners, der mit Austria als Spieler sechsmal Meister und viermal Cupsieger war, wird also  nicht billig. Obwohl ein zusätzlicher Sponsor, wie man hört, vor der Türe stehen soll. Mit Wohlfahrts Ende hat AG-Vorstand Markus Kraetschmer (Bild oben bei der Vertragsunterzeichnung mit einem der bisher sieben Neuen, James Jeggo) sein Ziel erreicht: Er entscheidet künftig allein und alles. Nicht nur in  wirtschaftlichen Angelegenheiten, sondern auch in sportlichen. Dass der von ihm vom Akademieleiter zum technischen Direktor beförderte Ralf Muhr oder Trainer Thomas Letsch mit dem AG-Vorstand auf Augenhöhe sind, das glaubt wirklich niemand. Aber was ist, wenn die neue Konstellation mit neuer, aufgerüsteter Mannschaft nicht funktioniert? Wen opfert  Kraetschmer dann? Dann gäbe es nur eine letzte Option: Die Rückkehr des letzten violetten Meistertrainers Peter Stöger, der sich nach erfüllter Champions League-Mission mit Borussia Dortmund eine Auszeit in Wien gönnt, mit dem aktuellen Vorkommnissen aber überhaupt nichts zu tun hat. Im Haus an einem Badesee, vielleicht zehn Autominuten von der Generali-Arena entfernt. Stöger zum Sportvorstand zu befördern,stand schon in der Meistersaison 2012/13 zur Debatte. Als dies nur beredet, aber nicht schriftlich fixiert wurde, entschloss sich Stöger zum Wechsel nach Köln.

Als Austria letzte Woche Muhrs Beförderung offiziell machte, durfte Wohlfahrt auf der Aussendung noch sagen, dass er sich über jeden Helfer angesichts der riesigen Aufgabe freue. Versicherte Kraetschmer, dass damit nicht an Wohlfahrts Position gerüttelt wurde. Rasch wurde alles anders. Aber das war sicher bereits in Planung. Dienstag ließ Kraetschmer mitteilen, dass nach einer eingehenden Analyse der Gesamtsituation die Trennung von Wohlfahrt für eine komplette Neuausrichtung als unumgänglich, als nötigeer Impuls für eine bessere Zukunft gesehen wurde. Was Wohlfahrt wohl nicht ganz überraschte. Weil er mir erst vor drei Wochen sagte: „Ich muss aufpassen, dass ich nicht zum Alleinschuldigen für alles gemacht werde.“ Er hat nicht genug aufgepasst. Kraetschmer betonte, dass alles satzungsmäßig unter Einbindung der Klubgremien geschah. Also muss auch Präsident Wolfgang Katzian, der Donnerstag zum neuen Chef im Gewerkschaftsbund gekürt wird, zugestimmt haben. Bisher galt er stets als Verteidiger Wohlfahrts, wenn es Kritik an der Personalpolitik gab. Die bezüglich der letzten Saison berechtigt war. Aber so ganz aus der Verantwortung für die Talfahrt kann sich Kraetschmer auch nicht stehlen. Schließlich betonte er bei jeder Kritik, alles sei in völliger Übereinstimmung zwischen ihm, Trainer (damals Thorsten Fink) und Wohlfahrt geschehen. Aber es ist auch eine Leistung, dass dies intern offenbar kaum beredet wurde.

Kraetschmer ist ein akribisches Arbeitstier. Sein Fehler: Er denkt vielleicht noch immer zu viel wie ein Fan und zu wenig wie ein strategischer AG-Vorstand. Mag sein dass er danach strebte, der „Mister Austria“ zu sein wie zu violetten Erfolgszeiten in den Achtzigerjahren Joschi Walter. Um das zu erreichen, erfüllte er auch den Wunsch des Aufsichtsrats, sich künftig weniger als bisher in der Bundesliga zu engagieren. Soll alles sein. Nur der Nachweis, ein neuer Joschi Walter werden zu können, der wird sehr schwer. Es kann doch nicht sein, dass sich Wohlfahrt in nicht einmal fünf Monaten so änderte, dass er nicht mehr tragbar ist, wie es Kraetschmer Dienstag durchblicken ließ. Der Dank an Wohlfahrt die für die geleistete gute Arbeit klingt wie Hohn, den man besser unterlassen hätte.

Fakt ist, dass Muhr als „Erfinder“ von Letsch gilt, den auch Kraetschmer schmackhaft machte. Wohlfahrt tendierte zum Ex-Austrianer Manfred Schmid, dem Assistenten von Peter Stöger bei dessen Erfolgen. Doch damit setzte er sich nicht durch. Die ersten Zeichen für den Machtwechsel. Wohlfahrts Agenden werden vorerst unter Kraetschmer, Muhr und Letsch aufgeteilt. Wer zweifelt, dass dies funktioniert, ist dem Triumvirat gar nicht böswillig gesinnt. Einen neuen Fitnesstrainer zu finden, da Niko Vidovic Fink zu Grasshoppers Zürich folgte,wird das geringere Problem sein als die Mannschaft weiter aufzurüsten. Denn es gibt ja auch zwölf Abgänge. Der Ghanese John Paintsil, von Wohlfahrt für den Offensivpart auf der linken Seite vorgesehen, entschied sich für Belgien und Genk. Der Wechsel von Kevin Friesenbichler zu Kasachstans Meister FC Astana zerschlug sich. Bleibt auch die Frage nach der neuen Nummer eins im Tor. Im Visier des Ex-Sportchefs stand Cican Stankovic von Meister Red Bull Salzburg. Der signalisierte Bereitschaft zum Wechsel nach Wien, weil er nach zwei Saisonen als Nummer zwei hinter Kapitän Alexander Walke mehr Spielpraxis haben will. Fragt sich nur, ob Salzburg bei diesem Wunsch mitspielt. Der Stankovic-Vertrag in Salzburg läuft bis 2020.

 

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