Fußball

Zum dritten Mal Frankreich: Der Unauffälligste ist der Wichtigste

Die Stunde vor dem ersten Semifinale der Weltmeisterschaften gehörten einem im Achtelfinale ausgeschiedenen Superstar, nämlich Cristiano Ronaldo. Durch seinen Wechsel nach neun Jahren Real Madrid mit vier Triumphen in der Champions League zu Juventus Turin. Italiens Meister zahlt Real Madrid 105 Millionen Euro Ablöse, Ronaldo pro Saison 30 Millionen Gehalt. Neun mehr als  Real  Madrid. Der 33jährige bekam einen Vierjahresvertrag. Das könnte ein Fingerzeig sein: Ronaldo peilt zum Abschluss der Karriere noch die Wüsten-WM in Katar an.

Aber am Abend hieß das Thema nur Frankreich: Mit dem 1:0 (0:0) im Derby gegen Nachbar Belgien zum dritten Mal nach 1998 und 2006 im Endspiel der Weltmeisterschaften. Dank gnadenloser Effizienz. Das Semifinale entschied vor den Augen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron keiner der Offensivstars wie Kylian Mbappe oder Antoine Griezmann, sondern ein Innenverteidiger: Samuel Umtiti vom FC Barcelona entwischte bei einem Eckball von Griezmann dem um elf Zentimeter größere Marouane Fellaini, kam daher früher zum Kopfball – das war die Entscheidung. Belgien erzielte in seinem sechsten WM-Spiel erstmals kein Tor, bezog die erst Niederlage nach 24 gewonnenen Spielen seit September 2016. Beeindruckend wie souverän Frankreich die sechs Minuten Nachspielzeit überstand. Die Mannschaft, die besser verteidigte, gewann. Wie so oft. Und wieder einmal entschied eine Standardsituation. Das 64. Standardtor im 61. WM-Spiel. Belgisches Spektakel? Fehlanzeige Weil Romelu Lukaku und Kevin de Bruyne nie wirklich auf Touren kamen.

Zwei Jahre nach der enttäuschenden  0:1-Niederlage nach Verlängerung im Pariser Finale der Heim-EM gegen Portugal lebt Frankreichs  Chance auf den ersten WM-Titel seit 20 Jahren. Damals galt der defensive Mittelfeldspieler Didier Deschamps als „General“ der  Weltmeistertruppe, der die Defensive perfekt organisierte. Jetzt fand er auf dieser Position seinen Nachfolger: N´Golo Kante. Vor zwei Jahren im Finale war er nur Ersatz, jetzt ist er der unauffälligste Spieler der Equipe Tricolore auch der wertvollste und wichtigste. Als Leicester vor  zwei Jahre sensationell Meister in England wurde, galt er als Zentralfigur. Ein Jahr später auch bei Chelsea, als die „Blues“ die Premier League beherrschten. Jetzt ist er der Spieler Frankreichs mit den meisten Ballgewinnen, mit den meisten Zuspielen zum eigenen Mann, kurzum der wertvollste. Und wenn es trotz der starken Defensive gefährlich wurde, reagierte der Kapitän im Tor, Hugo Lloris (Bild) so wie im Viertelfinale gegen Uruguay hervorragend.

Vor zwei Jahren in Paris war N´Golo Kante nur Ersatz. Von den damaligen Verlierern sind Loris, Umtiti, Paul Pogba, Blaise Matuidi, Griezmann und Olivier Giroud bei Deschamps noch erste Wahl: „Hut ab vor dem Charakter dieser Gruppe“, lobte Deschamps, der jetzt als Dritter nach Mario Zagalo und Franz Beckenbauer sowohl als Spieler wie auch als Teamchef Weltmeister werden kann, „wir wollen kein zweites Finale verlieren.“ Jetzt wartet Frankreich auf England oder Kroatien. Und hat den Vorteil von einem Ruhetag mehr vor dem Endspiel.

 

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