Fußball

Zum Tod von Maradona: Erinnerungen an zehn Live-Spiele von Diego in 14 Jahren

Alles, was im Fußball am 25. November 2020 weltweit passierte, stand im Schatten der schlimmen Meldung aus Buenos Aires: Argentiniens Nationalheld, die Ikone Diego Armando Maradona, erlag dreieinhalb Wochen nach seinem 60. Geburtstag am 30. Oktober einem Herzversagen. Am 2. November war er in eine Privatklinik gekommenen, wurde an einem Blutgerinnsel im Gehirn operiert, am 11. November entlassen. 14 Tage später starb er in seinem Haus in Tigres. Weltweites Entsetzen, die Spiele in der Champions League begannen mit einer Gedenkminute für Maradona.

Rebell, Held, Gott war der Untertitel eines bemerkenswerten Films über Maradona, der vor einem Jahr Premiere hatte. Alle Seiten beleuchtete. Die des umjubelten Weltmeisters, der in 91 Länderspielen für Argentinien 34 Tore erzielte, des Lieblings der Napoli-Fans. Aber auch die des gefallenen Helden in Zusammenhang mit Abhängigkeit von Drogen, Doping und Mafia. Ich erlebte in 14 Jahren zehn Spiele von Maradona live, darunter absolute Highlights. Und war erschrocken, wie ich ihn nach der Karriere erlebte.  Oder von den letzten Fotos von ihm mit aufgedunsenem Gesicht. Darum sind die hier auch nicht zu sehen.

Das erste Mal, Maradona live zu sehen tat der rot-weiß-roten Seele am Ende weh. Dann da spielte er am 21. Mai 1980 im ausverkauften Praterstadion mit Weltmeister Argentinien Österreich im Abschiedsspiel für Kapitän Robert Sara schwindlig. 3:0 stand es nach einer Viertelstunde, 5:1 hieß es am Ende, Maradona erzielte drei Tore. Das zweite Mal war im März 1983 im Nou-Camp von Barcelona. Maradona bei seinem Comeback nach einem Knöchelbruch im Achtelfinale des Europacups der Cupsieger gegen die Austria. Nach dem 0:0 von Wien schien alles gelaufen. Aber die Austria stieg nach einem 1:1 auf. Wir redeten mehr von Gerhard Steinkogler, dessen Auswärtstor die Entscheidung brachte, als von Maradona, freuten uns mit Friedl Koncilia, Sara und Erich Obermayer über die gelungene Revanche für 1980.

Drei Jahre nach Barcelona folgte viermal Maradona zum Genießen bei der WM in Mexiko. Drei Assists beim 3:1 gegen Südkorea im Olympiastadion von Mexiko City, ein Tor zum 1:1 gegen Titelverteidiger Italien in Puebla, und dann die zwei großen Partien im Aztekenstadion. Das 2:1 gegen England am 22. Juni mit dem berühmten Tor der „Hand Gottes“ und dem Supersolo über 60 Meter aus der eigenen Hälfte, das zum Tor des Jahrtausends gewählt wurde. Am Todestag Maradonas kommt das einem fast wie Gnade vor, da auf der Pressetribüne gesessen zu sein, unter den insgesamt 114.588 Zuschauern. Der Fußballgott stellte sich nachher zum Interview. Keine Mixed-Zone, keine Pressechefs, die ihn abschirmten. Er schien geradezu die Medienmeute zu genießen. Erst recht  sieben Tage später nach dem Finale. Der entscheidende, geniale Pass zum 3:2-Siegestor gegen Deutschland kam von ihm. So wie mit dem WM-Pokal strahlte Maradona später nie mehr.e

Danach vier Jahre warten auf die nächsten Chance, Maradona live zu bewundern. Vor und bei d er  WM 1990 in Italien. Vorher wieder im Wiener Stadion bei einem 1:1 (1:1) im Vorbereitungsspiel gegen Österreich. Die konsequente Bewachung durch Rapids Eisenfuß Robert Pecl passte Maradona gar nicht. Nach dem Spiel verabschiedete sich Diego mit Toni Polster ins Wiener Nachtleben. Österreich fuhr nach der WM-Vorrunde leider heim, da gab es Gelegenheiten, Diego zu sehen. Beim emotionalen Semifinale des Napoli-Stars gegen Italien. In seinem „Wohnzimmer“ im San Paolo-Stadion. Zuvor hatte er zweimal mit Napoli den „Scudetto“ geholt, einmal den UEFA-Cup gewonnen. Aber alle seine verbalen Versuche, die Napoli-Fans in Argentiniens Lager zu ziehen, scheiterten. 1:1 nach 90 Minuten, kein Tor in der Verlängerung, Elfmeterschießen. Ein ohrenbetäubendes Pfeifkonzert, als die Argentinier anliefen. Sie behielten die Nerven. Maradona traf auch, Argentinien kam ins Finale gegen Deutschland am 8. Juli im Olympiastaion von Rom.  Die argentinische Hymne war vor Anpfiff nicht zu hören, die Tifosi pfiffen sie nieder. Maradonas Schimpfworte auf die Italiener waren deutlich von den Lippen abzulesen, als die TV-Kameras den Kapitän groß zeigten. Deutschland gelang mit 1:0 die Revanche für 1986, Maradona stand im Schatten seines Bewachers Guido Buchwald. Die WM war der Anfang von Diegos Ende. Positiver Dopingtest nach einem Napoli-Spiel, Flucht aus Italien.

Vier Jahre später sah ich zum letzten Mal Maradona live. Bei der  WM in den USA, im verregneten Boston. Argentinien schlug im Gruppenspiel Nigeria 2:1,Maradona legte das Siegestor auf, wirkte nachher im TV-Interview mit seltsamen Gesten total aufgedreht. Trotzdem ahnte ich nicht, dass ich das letzte WM-Spiel von Maradona gesehen hatte. Zwei Tage später kam die Meldung vom positiven Dopingtest, Maradona von der WM ausgeschlossen. Argentinien unterlag danach Bulgarien und Rumänien, flog nach dem Achtelfinale heim. Der letzte Eindruck war leider nicht der beste. Noch schlechter waren die über ihn als Zuschauer bei der WM 2006 in Deutschland, als ich ihn auf der Tribüne erlebte oder als Argentiniens Teamchef bei der WM 2010 in Südafrika.

Ich weigere mich, einen andere Maradona als den von 1986 in Erinnerung zu behalten.

 

Foto: FIFA.

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