Oliver Glasner hat bei den Fans von Crystal Palace mindestens Heldenstatus. Das kann man auch von einem Trainer behaupten, der ebenso wie Glasner eine Rieder Vergangenheit hat, wenn auch eine viel kürzere, der im letzten Sommer keine Chance auf ein Engagement in Österreichs Bundesliga gehabt hätte: Jetzt ist Miron Muslic der Held in Gelsenkirchen, der Stadt der tausend Feuer, weil er den deutschen Traditionsklubs Schalke 04, der letzte Saison fast in die dritte Liga abgestiegen wäre, unerwartet zum Halbzeitmeister der zweiten Liga machte. Das steht schon vor dem Abschluss der Hinrunde fest. Schalke hat vor dem Abschusspiel am Sonntag in Braunschweig vier Punkte Vorsprung auf den Zweiten Elversberg, je fünf auf Darmstadt und Paderborn, acht auf Hannover 96. Keine Rolle im Kampf um den Aufstieg spielen die Bundesligaabsteiger Bochum (9.) und Holstein Kiel mit Ex-Rapid.Kapitän Stefan Schwab (13.)
„Miron wer?“ titelten vor sechs Monaten deutsche Medien, als Schalkes neuer Sport-Geschäftsführer Frank Baumann, der zuvor diese Funktion acht Jahre bei Werder Bremen hatte, als Spieler gemeinsam mit Sebastian Prödl 2009 den Pokal nach Bremen holte, das Engagement des 42 jährign Muslic bekanntgb. Da war er noch ein „No Name-Trainer“: In Österreich zunächst im Nachwuchs von Ried, im Herbst 2020 beim Floridsdorfer AC in der zweiten Liga, danach von Ried in die Bundesliga geholt. Nach zehn Spielen ohne Sieg mit nur drei Punkten war das Kapitel beendet. Die nächste Station war in Belgien Cercle Brügge. Zunächst Co-Trainer, dann Chef. Er führte Cercle unerwartet in den Europacup, musste im Dezember 2024 aber gehen, als Cercle Vorletzter war. Plymouth, damals Letzter der Championship in England, engagierte Muslic als Nachfolge der Legende Wayne Rooney. Muslic eliminierte mit dem Außenseiter in der vierten Runde des FA-Cups zwar Liverpool, stieg aber in die dritte Liga ab. Dennoch zahlte Baumann für ihn 700.000 Euro Ablöse, um ihn aus dem Vertrag herauszukaufen. Heute bezeichnet es Baumann als seine bisher beste Entscheidung für Schalke.
Die er in Absprache mit dem Sportpsychologen Andreas Marlovits traf. Der Tiroler hatte Baumann schon in Bremen bei der Trainersuche beraten. Diesmal wurde das zum Volltreffer. Schalke träumt vom Aufstieg, jedes Heimspiel ist mit 61.000 Zuschauern ausverkauft, 20.000 begleiten die „Knappen“ zu Auswärtsspielen. Der in Bosnien geborene und nach dem Bürgerkrieg in Tirol aufgewachsene Muslic wird in den deutschen Medien schon fast ähnlich gefeiert wie Glasner in den englischen nach dem Triumph im FA-Cup und im Community Shield. Weil es Muslic gelang, durchschnittlich begabte Spieler zu einem echten kampfstarken Team zu formen, zu einer wilden Horde von Kämpfern. Keine andere Mannschaft sprintet so viel, gewinnt so viele Kopfballduelle wie Schalke. Wenn es im Training nicht so funktioniert, wie sich Muslic das vorstellt, dann kann er auch schon einmal ausraten. Ihm geht es um eine Hochleistungskultur, die er mit Erfolg etablierte.
„Schalkes Aufstieg wäre mehr wert als der Meistertitel von Bayern“ stand dieser Tage über einer Lobeshymne auf Muslic. Kaum war Schalke Herbstmeister, gab es schon das erste Lied zu dem Mini-Titel:“ Wir schlugen Hertha, wir schlugen Bochum, wir schlugen Dresden sowieso, putzten Magdeburg. Fürth war wehrlos“. Die Stimmung ist so euphorisch, als wäre ein Sieg gegen die große Bayern gelungen. Gefühlt ist Schalke schon wieder Meister – obwohl er es in der Bundesliga noch nie war. Aber auch dank den Motivationskünsten von Muslic, der rhetorisch geschickt ist, fünf Sprachen beherrscht, ist der schlafende Riese wieder erwacht: „Es passt perfekt“, sagte Muslic bei ServusTV .
Foto: Schalke 04.