Fußball

Alles Gute zum Siebziger, Kurt Jara! Er sehnt sich wieder nach Emotionen

In aller Stille feiert ein Großer von Österreichs Fußball Mittwoch seinen 70. Geburtstag. Es hat aber nichts mit Corona zu tun, dass Kurt Jara auf ein großes Fest verzichtet. Auch nicht mit der etwas angegriffenen Gesundheit. Dem Tiroler geht´s gut, obwohl ihm vor kurzem nach einem Belastungs-EKG sechs Stents eingesetzt wurden. Er feiert lieber in aller Stille mit seiner Frau Jolanda bei Sohn Martin, dem CEO von Helvetia, der größten Schweizer Versicherung, Schwiegertochter und den zwei Enkelinnen in der Westschweiz. Von dort geht´s in sein Haus im Club Oliva Nova bei Valencia. Wo er zuletzt während des Lockdowns war, ehe er im März mit dem Auto 17 Stunden lang zurück nach Innsbruck „geflüchtet“ war.

49 Jahre ist es schon her, dass er als Linksaußen des FC Wacker Tirol sein Teamdebüt feierte. Am 11. JuIi 1971 in Sao Paulo bei einem der vielen Abschiedsspiele für Brasiliens Fußballgott Pele. Mit einem Volley erzielte Jara den Ausgleich zum 1:1 gegen den regierenden Weltmeister. In Folge hielt er, was der Paukenschlag im ersten Länderspiel versprach. Zwei Jahre später wechselte Jara um sieben Millionen Schilling, damals ein Riesenbetrag, zum FC Valencia, wo der berühmte Alfredo di Stefano sein erster Trainer war. Nach zwei Jahren ging´s in die deutsche Bundesliga zum MSV Duisburg, für den er bis 1980 160 Spiele bestritt, zwei davon im Semifinale des UEFA-Cups. Die folgende Saison bei Schalke war zum Vergessen, ehe vier schöne Jahre bei Grasshoppers Zürich folgten. Eine Supersaison unter dem renommierten deutschen Trainer Hennes Weisweiler, ehe der drei Wochen nach dem Double im Schlaf einem Herzinfarkt erlag. Drei Meistertitel und einen Cupsieg schaffte er bei den „Hoppers“ am Hardturm mit Österreichs Ex-Teamchef Marcel Koller an der Seite, ehe er mit 35 Jahren die Karriere beendete. Eigentlich wollte er noch in der Heimat weiter spielen, aber dort bestand offenbar kein Interesse an ihm.

In die Grasshoppers-Zeit fiel in besonders Kapitel in Jaras Teamkarriere, zu der auch die WM-Teilnahmen 1978 in Argentinien und 1982 in Spanien gehörten, bei der er als Folge eines Wadenbeinbruchs nur im letzten Spiel gegen Nordirland eine Hälfte um Einsatz kam. Danach war es mit Einberufungen  vorbei. Aber als es im Nationalteam nicht lief, er bei Grasshoppers aufspielte, begannen die Rufe nach ihm laut zu werden. Sehr laut sogar. Im November 1984 erhörte sie Teamchef Erich Hof, holte ihn nach einer Niederlage zum Auftakt der WM-Qualifikation in Ungarn zum Heimspiel gegen Holland zurück. Im Hütteldorfer Hanappi-Stadion siegte Österreich 1:0, Jara hatte beim Tor die Beine im Spiel. Die Topstars Marco van Basten und Ruud Gullit gehörten zu den Verlierern. Hof trat danach genervt von ständigen Kritiken zurück, Nachfolger wurde mit Branko Elsner ein ehemaliger Jara-Trainer in Tirol. Mit dem verspielte Österreich durch eine 0:3-Heimpleite gegen Ungarn das WM-Ticket, womit Jaras Zeit im Team  nach 58 Länderspielen endgültig beendet war.

1986 begann bei den Grasshoppers die Trainerkarriere. Nach Platz zwei und vier in zwei Saisonen ging es zum FC St. Gallen, wo unter anderem der spätere chilenische Weltklassestürmer Ivan Zamorano und der aktuelle Trainer von Christopher Trimmel bei Union Berlin, Urs Fischer, zu seinen Spielern zählten. Nach drei Jahren heuerte er beim FC Zürich, dem Lokalrivalen der „Hoppers“ an, was für einiges Aufsehen sorgte. Im Herbst 1995 gab es ein kurzes Kapitel beim VfB Mödling. Danach verschlug es ihn in den Süden Europas. Nach Griechenland (Xanthi) und auf Zypern (Apoel Nikosia). Dann erinnerten sich in Tirol 1998 einige an den „verlorenen Sohn“. Zunächst ein Jahr lang sportlicher Leiter, dann zwei Jahre lang Trainer. Drei Meistertitel, die ersten seit neun Jahren, holte er nach Tirol: „Anfangs war die Zahl der Skeptiker, die mir wenig zutrauten, ungefähr gleich groß wie die der Befürworter“, erinnert sich Jara zurück.

Aber seine Erfolge sprachen sich in der deutschen Bundesliga herum. Der Hamburger SV kaufte ihn 2001 um eine nette Ablöse aus dem Vertrag in Tirol heraus, holte als Nachfolger den jetzigen deutschen Teamchef Jogi Löw. Jara gewann mit Landsmann Manfred Linzmaier als Assistent in seinen zwei Hamburger Jahren mit dem Traditionsklub den ersten Titel seit der Ära seines berühmten Landsmanns Ernst Happel, die 1987 zu Ende gegangen war. Wie so viele Trainer in Hamburg vor und nach ihm wurde er beurlaubt, schaffte danach die Rettungsmission in Kaiserslautern. Ein neuer Zweijahresvertrag lag bereit, aber „Kaiser Franz“ Beckenbauer, damals Berater von Didi Mateschitz, lockte ihn zum Projekt Red Bull Salzburg, das gerade begonnen hatte.

„Austria Salzburg kämpfte in der Saison davor gegen den Abstieg. Da war noch sehr wenig, von dem da, was man heute an Salzburg bewundert“, erzählt Jara. Mit einer komplett neuformierten Mannschaft, in der Alex Manninger im Tor spielte, Marc Janko auf Torjagd ging, zu der er Teamkapitän Andi Ivanschitz von Rapid holte, ebenso Spieler aus seiner Tiroler Erfolgstruppe (Roland Kirchler, Patrik Jezek), zu der Rene Aufhauser (seit Jahren in Salzburger Trainerstaff), der deutsche Ex-Teamstürmer Alexander Zickler, (der vor einem Jahr als Assistent von Marco Rose mit dem „Chef“ nach Mönchengladbach wechselte) und der aktuelle Hartberg-Trainer Markus Schopp gehörten, wurde er Zweiter hinter der Austria. Zu wenig. Er musste gegen Beckenbauers Willen gehen.  Damals gab´s um Red Bull-Boss Didi Mateschitz noch viele Einflüsterer in Sachen Fußball und Intrigen. Den Vorwurf von Ungereimtheiten bei Transfers ließ Jara nicht auf sich sitzen, ging vor ein ordentliches Gericht, klagte auf Wiedereinstellung. Das Gericht erkannte keine Ungereimtheiten, schließlich einigten sich die Anwälte von Mateschitz und Jara auf einen Vergleich, bei dem Stillschweigen vereinbart wurde.

Jara hielt sich bis heute daran: „Bei Red Bull war schon immer viel auf Marketing aufgebaut. Mit einem Giovanni Trapattoni und Lothar Matthäus auf der Trainerbank erregte man international schon mehr Aufsehen als mit mir!“  Es gilt als offenes Geheimnis, das Mateschitz 2008 und 2011 die ÖFB-Präsidenten Friedrich Stickler und Leo Windtner wissen ließ, dass ihm eine Berufung Jaras zum Teamchef, die zweimal bevor stand, nicht sehr gut gefallen würde.  Keiner von beiden wollte einen Krach mit Mateschitz riskieren. Daher war Salzburg Jaras letzte Trainerstation, Schade drum, er hätte Österreichs Fußball noch einiges geben können.

Zuletzt war er am 14. Februar im Stadion. Das war bei seinem Ex-Klub FC Valencia, bei dessen Heimspielen im Estadio Mestalla stets zwei Karten für Jara reserviert sind. Damals sah er ein umkämpftes 2:2 gegen Atletico Madrid mit Emotionen. Die gingen seither dem TV-Zuseher und begeisterten Golfer Jara bei den sogenannten „Geisterspielen“ oder den Partien mit wenigen Zuschauern doch ab. Die sehnt er  zurück: „Emotionen beleben nicht nur den Fußball, sondern den ganzen Sport. Derzeit kommt mir alles etwas schaumgebremst vor. Etwas fehlt doch.“ Die Gedanken zu Österreichs Szene? Er spricht nur über das, was ihm positiv auffällt: „Salzburg ist auf einem richtig guten Weg und auch die Nationalmannschaft. Nie zuvor hätten wir so viele Ausfälle wie derzeit verkraften können!“ Wünsche zum Geburtstag? Vor allem Gesundheit. In diesem Sinne: Alles, alles Gute!

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