Fußball

Das Wunder von Mönchengladbach: Wolfsberg strahlt nach 4:0 sogar mehr als Salzburg

Das ist das größte österreichische Fußballwunder der letzten Jahre. Wolfsberg stahl Meister Red Bull Salzburg zwei Tage nach dessen 6:2-Gala in der Champions League gegen Genk die Show, zerlegte im Borussia-Park von Mönchengladbach als Ösi-Underdog, wie von „Bild“ bezeichnet, den deutschen Favorit mit 4:0 (3:0). So gedemütigt hat zuvor noch keine österreichische Mannschaft eine deutsche auswärts im Europacup. Unfassbar, was da den Ex-Salzburgern Marco Rose und Stefan Lainer an neuer Wirkungsstätte passierte. Rose verlor mit Salzburg in seinen zwei Saisonen kein einziges Heimspiel in der Europa League. Donnerstag Abend kam seine neue Mannschaft erst nach einer Stunde zur ersten Torchance.  Das bedeutet auch einen historischen Tag für Österreichs Bundesliga: Drei Sige in drei Spielen, da gab es zum Start noch ie. Offenbar ist sie doch nicht so schlecht, wie viele glauben.

Wolfsberg gelang in 28 Minuten, zwischen der 13. und 41, drei Tore. Aus fünf Schüssen in der ersten Hälfte, bei nur 23 (!) Prozent Ballbesitz. Unglaublich diese Effizienz. Die Führung erzielte Israels Neo-Teamstürmer Shon Weissman (Bild oben) nach einer idealen Flanke von Romano Schmid, der in Rose Salzburgs Ära keine Chance bekam. Danach jubele Weissman mit der israelischen Flagge, die er sich bei einem Fan aus seiner Heimat im Zuschauerraum besorgte. Nach 31 Minuten traf Mario Leitgeb nach einem Freistoß von Kapitän Michel Liendl per Kopf, nach 41 Minuten bezwang Ex-Holland-Legionär Marcel Ritzmaier Gladbachs Kapitän, den Schweizer Teamkeeper Yann Sommer. Da wirkte Rose so wie man ihn in Salzburg zuvor nie erlebte: Passiv in der Coaching Zone, keine Spur von temperamentvoll, ratlos, die Hände in der Hosentasche. Weiter ohne Heimsieg mit Mönchengladbach. Unvorstellbar, das er das Trainerduell mit Salzburger Vergangenheit gegen Gerhard Struber derart verlor. Wobei Struber nur beim Zweitligisten Liefering  einen Job bekommen hatte.

„Unvorstellbar, großartig“, schwärmte Wolfsbergs Präsident Dietmar Riegler schon in der Pause beim Puls 4-Interview, „ich komm mir vor wie im falschen Film, glaube, ich träume. Unsere größte Stärke ist der Zusammenhalt. Der kann nicht besser sein“. Aber es war Realität. Auch mit der Siegesprämie von 570.000 Euro hätte er nie gerechnet. Nach dem verten Wolfsberger Tor, das nach 68 Minuten wieder Leitgeb in seinem Europacupmatch per Kopf nach einem Eckball von Liendl gelang, verließen tausende der 34.846 Borussia-Fans fast fluchtartig das Stadion. Schon zur Pause hatte es ein gellendes Pfeifkonzert für die konsternierten Verlierer gegeben. Kapitän Michael Sollbauer zu dem Abend, in dem ein Klub aus dem Lavanttal nicht nur Kärntner Geschichte schrieb: „Wir sind über uns hinausgewachsen, weil wir unser Spiel durchbringen wollten. Das war der Schlüssel zur Sensation.“

Die Kehrseite der sensationellen Medaille, die Liendl als Extraklasse und einzigartig bezeichnete: Wolfsberg hätte am 3. Oktober gegen AS Roma, der Basaksehir Istanbul ebenfalls 4:0 bezwang, als Tabellenführer in Klagenfurt eine mit 30.000 Zuschauern restlos ausverkaufte Wörthersee-Arena. Aber dort stehen ja  die Bäume eine dubiosen Kunstprojekts, das trotz freiem Eintritt nicht einmal ein Zehntel so viele Besucher anzog, die Wolfsberg gegen Roma hätte. Selbst, wenn man den Wald als Reaktion auf das Wunder von Mönchengladbach sofort abholzen würde, könnte dies nichts mehr ändern: Wolfsberg hat bereits die Grazer Merkur-Arena als Stadion für die Heimspiele gemeldet. Dort passen 15.000 Zuschauer hinein. Ob so viele Wolfsberg-Fans über die Pack in die steirische Landeshauptstadt fahren werden? Die 100, die mit nach Gladbach gekommen waren, sangen mit Inbrunst: „Hier reagiert der WAC!“ Trainer Gerhard Struber nach seinem epochalen Europa League-Debüt: „Ich bin glücklich und stolz. Wir ließen Lainer nie auf Touren kommen, das war ganz wichtig. Cool, wie die Jungs auf Fire sind.“

Für den einzigen deutschen Sieg am Donnerstag sorgte Ex-LASK-Trainer Oliver Glasner mit Wolfsburg. Das 3:1 (2:0) gegen Olexandrija aus der Ukraine wollten nur 10.112 Zuschauer in der halbleeren VW-Arena sehen.

Foto: Wolfsberger AC Media.

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