Jürgen Säumel konnte Sonntagabend entspannt im Sky-Studio bei „Talk & Tore“ Rede und Antwort stehen. Feststellen, dass er sich ehrlich derzeit nichts Besseres vorstellen kann, als Trainer von Sturm Graz zu sein. Kein Wunder, war doch das Wiener Derby genauso ausgegangen, wie er es erhoffte, nämlich mit einem Sieg für Rapid. Damit verlor Sturm einen seiner Konkurrenten. Nur noch der Tabellenführer und Wolfsberg können aus eigener Kraft Meister werden. Wenn Sturm nächsten Sonntag vor mehr als 20.000 Zuschauern im Hütteldorfer Allianz-Stadion gewinnt und Wolfsberg die Austria nicht schlägt, dann gelingt die Titelverteidigung schon in der vorletzten Runde. Und fällt der ORF um sein erhofftes großes Live-Finale zwischen Sturm und Wolfsberg, in dem der neue Meister gekürt wird, um.
Die Austria leckte nach dem Derby ihre Wunden. In den letzten sechs Runden setzte es vier Niederlagen. So viele, wie zuvor in 24. Die je zwei verlorenen Derbys (0:2, 1:2) und Duelle gegen Salzburg (1:3, 0:2) kosteten Platz eins. Dabei sprach Sonntag die Statistik eher für einen violetten Sieg: 64 Prozent Ballbesitz, 14:8-Torschüsse, 10:3-Eckbälle, dazu auch die bessere Passquote (81 % gegen 71 %). In 31 Runden bekam die Austria nach Eckbällen ein Tor, Sonntag erstmals zwei. Das sorgte für die erste ärgerliche Heimniederlage gegen Rapid seit sechs Jahren, seit dem 1. September 2019. Weil es anders lief als beim letzten 2:1 in der Generali-Arena: Damals siegte die Austria durch Standards (einen Elfmeter, einen haltbaren Freistoß), verlor mit Rapid die bessere Mannschaft. Diesmal war die Austria besser und blieb durch zwei Tore nach Eckbällen ohne Punkt. Bitter. So wird Platz zwei das Maximum bleiben. Trainer Christian Helm merkte an, dass sich die Kräfteverhältnisse im Laufe der Saison extrem verschoben haben: „Es geht trotzdem in die richtige Richtung!“ Zu Saisonbeginn hätte keiner der Austria zugetraut, bis drei Runden vor Schluss im Titelrennen voll dabei zu sein.
Jetzt gilt es, daraus die richtigen Konsequenzen zu ziehen. Einkäufe wie Kelvin Boateng, der schnelle Ghana-Stürmer von Zweitligist Vienna, werden zu wenig sein. Auch die Leihspieler Maurice Malone, Nik Prelec und Matteo Perez Vinlöf zu halten, wird nicht reichen. Die Austria braucht keine Ergänzungsspieler, sondern mehr Qualität, um auch nächste Saison wieder im Titelkampf eine Rolle zu spielen. Es bräuchte noch eine Persönlichkeit wie Abwehrchef Aleksandar Dragovic auf einer Offensivposition.
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