Fußball

Die zwölf Baustellen in der neuen Zwölferliga

Auftakt zur neuen Zwölferliga Freitag Abend in einer neun Attraktion: In der neuen Generali-Arena der Austria. Wie viele Zuschauer werden zum Start gegen Aufsteiger Wacker Innsbruck kommen? „Etwas Neues ist immer eine Chance“, behauptete Austrias Trainer Thomas Letsch in Bezug auf den neuen Modus mit der Punktehalbierung nach 22 Runden, Meister-und Qualifikationsrunde der ersten sechs sowie der Vereine auf den Plätzen sieben bis zwölf.  Die Meisterrunde mag zum Hit werden. Aber ansonst, ist alles ein Fragezeichen. Es wäre ein Wunder, sollte es am Ende der ersten Zwölferliga in zehn Monaten nicht ähnliche Jubelszenen wie nach der letzten Zehnerliga beim Serienmeister Red Bull Salzburg geben. Nur mit der  Zahl 6 statt 5 auf dem Transparent. Aber selbst beim Titelverteidiger gibt es noch Baustellen, hakt es noch etwas. Es wartet bei allen zwölf Klubs noch jede Menge Arbeit auf die Trainer.

Salzburgs Trainer Marco Rose kann fast böse werden, wenn alle seine Mannschaft schon als Meister 2018/19 feiern. Aber er gab zu, das die Mannschaft in seiner zweiten Saison auf einem höheren Level ist als in der ersten. Nach dem 5:2 (2:2) im letzten Test gegen Rizespor bekräftite Rose: „Wir können mit breiter Brust in die neue Saison gehen!“ Eine gefährliche „Drohung“ für die Verfolger. Woran es  in Salzburg hakt? Weniger am Abgang von Valon Berisha, für den ja mit Zlatko Junuzovic ein gleichwertiger Nachfolger, wenn nicht mehr, präsentiert wurde. Aber es wird auch um durchaus geerdeten Junuzovic gar nicht recht sein, wenn man ihn schon als Topstar der neuen Saison feiert. Die Offensive dürfte mit der Rückkehr von Smail Prevljak aus Mattersburg noch torgefährlicher geworden sein. Wo es haken könnte? Im Abwehrzentrum, in dem mit dem Abgang von Duje Caleta-Car doch ein ruhender Pol fehlt. Abwarten, ob Marin Pongracic oder Jeremy Onguene besser zu Andre Ramalho passen. Stefan Lainer hat noch Trainingsrückstand, aber den macht er mit seiner Willenskraft wett. Der Wechsel im Tor zu Cican Stankovic als Nummer eins für die Bundesliga bedeutet normal kein Risiko

Die erste internationale Nagelprobe nach dem großen, so nicht geplanten Umbruch, bestätigte die Befürchtung, dass es noch einige Zeit brauchen wird, bis Sturm Graz  an die Stärke der letzten Saison anschließen kann. An der Defensive wird es nicht kranken. Die Baustelle liegt in der Offensivabteilung: Da ist noch nicht abzusehen, welche Lösung ohne Deni Alar, Thorsten Röcher und Bright Edomwonyi die erfolgversprechendste ist, wie es mit Emeka Eze, Philipp Hosiner und Markus Pink am besten zusammenpasst. Sturm bräuchte einen Hosiner, der an die Zeiten erinnert, als er Torschützenkönig war. Und einen Lukas Grozurek, der an seine Admira-Leisungen anschließt. Sonst wird das mit ihm nicht.  Die Devise bei Rapid heißt Sturm Graz überholen und Salzburg mehr als letzte Saison unter Druck setzen. Ob die Qualität der umgebauten Mannschaft mit diesen ehrgeizigen Plänen mithalten? Die bewegende Abschiedsgala von Steffen Hofmann, die es in dieser Form noch nie gab und nie mehr geben wird, wirft die Frage auf: Wird das Allianz-Stadion noch einmal im Herbst so gut gefüllt sein, wird es eine ähnliche Stimmung geben, die zeigte, wie „ausgehungert“ die Fans nach zehn Jahren ohne Titel sind? Die neuformierte Abwehr unter Lucas Galvao muss sich erst finden. Abwarten, ob Mateo Barac ihn ersetzen kann, wann das Comeback von Christopher Dibon gelingt. Mit ihm würde die Stabilität steigen. Das ist die eine Baustelle. Die zweite: Schneller als bisher in die Offensive kommen, um für Heimkehrer Deni Alar ähnlich viele Abschlusssituationen zu kreieren  wie er sie in den letzten zwei Saisonen bei Sturm vorfand. Wird nur gelingen, wenn Andrij Ivan außer Können auch die richtige Einstellung mitbringt.  Mit Thomas Murg und Dejan Ljubicic darf nichts passieren, sie sind  grün-weiße Lebensversicherungen. Wenn Rapid nicht gut in die Saison findet, nicht die Qualifikation für die Europa League schafft, beginnen schon im September unruhige Zeiten

.Die zweite Saison gilt für einen Aufsteiger immer die schwerste. Räumt der LASK auch mit dieser These auf? Könnte passieren, da die Mannschaft nicht entscheidend verändert, nur punktuell verstärkt wurde. Etwa mit Markus Wostry, der auf Sicht als Nachfolger für Emanuel Pogatetz geplant ist. Einige haben noch Luft nach oben wie Thomas Goiginger, Salzburg-Leihgabe Samuel Tatteh, Peter Michorl, der Brasilianer Joao Victor. Die größte Baustelle: Kann Alexander Schlager ein ähnlicher Rückhalt im Tor sein wie Pavao Pervan? Das Risiko nahm Trainer Oliver Glasner auf sich. Ein Platz unter den ersten sechs ist sicher drinn. Das Comeback im Europacup gelang jedenfalls nach Wunsch: Vor 10.000 Zuschauern im Linzer Stadion 4:0 (2:0) gegen Lilleström mit zwei Toren des auffälligen Goiginger. Die dritte Runde in der Qualifikation zur Europa League ist praktisch geschafft. Da kommt der türkische Spitzenklubs Besiktas Istanbul, garantiert ein ausverkauftes Haus.

Der Umbruch war gewaltig wie noch nie: Je drei Stützen in Offensive und Defensive weg. Da untertreibt Trainer Ernst Baumeister fast noch mit der Feststellung: „Die Meisterschaft beginnt für uns zwei Monate zu früh.“ Er hat noch keine Stammformation. Die neuen wie der 19jährige Däne Morten Hjulmland, Marco Sahanek und Türken-Stürmer Sinan Bakis können noch nicht helfen, General Manager Amir Shapourzadeh schickte Spieler wie Alexander Merkel weg, obwohl der bleiben wollte und der Trainer nichts dagegen hätte. Dann kommt noch Verletzungspech dazu: Kreuzbandriss bei Innenverteidiger Fabio Strauss, Sasa Kalajdzic nach dem im März erlittenen Mittelfußbruch noch nicht  dabei. Gerade er wäre wichtig, um die Offensive gefährlicher zu machen. So viel wird Baumeister nicht zaubern können, um Admira unter die ersten sechs zu bringen. Es geht darum, nicht in Abstiegsgefahr zu kommen. Mit dem 0:3 (0:3) bei CSKA Sofia, bei dem alle drei Tore in neun Minuten kassiert wurden, ist die Qualifikation zur Europa League vorbei, bestätigte sich der Eindruck.

Seit Trainer Gerald Baumgartner im Winter 2017 übernahm, ging es nur aufwärts. Aber jetzt hat Baumgartner mit Smail Prevljak, Masaya Okugawa, Markus Pink und Stefan Maierhofer 32 Tore verloren. Das zu kompensieren, wird mit dem derzeitigen Kader nicht gelingen. Mario Kvasina schaffte zuvor bei Austria und Twente Enschede nicht den Durchbruch, der von Rapid gekommene Andreas Kuen ist wegen eines Kreuzbandriss, noch in Grün-Weiß erlitten, erst 2019 ein Thema. Mattersburg stand dennoch zum Vertrag. An der burgenländischen Offensivbaustelle muss daher nachgerüstet werden, zumal der im Frühjahr angekündigte Aserbaidschan-Stürmer Ramil Sheybaev nicht kommen dürfte.  Baumgartner hat den Kampf um Platz sechs nicht aufgegeben, aber da muss noch personell im Angriff etwas passieren.

Trainer Thomas Letsch spürt die Aufbruchstimmung in der neuen Arena. Stimmt, es kann nur besser werden als in der letzten Saison. Aber wie viel besser? Die Meisterrunde ist nach dem großen Umbruch mit acht Neuen bei zehn Abgängen ein Muss. Gelingt nicht die Rückkehr in den Europacup, bedeutet das einen Misserfolg, der nicht ohne Konsequenzen bleiben würde. Da stehen auch AG-Vorstand Markus Kraetschmer und der neue technische Direktor Ralf Muhr genauso wie Letsch in der Verantwortung, wenn nicht noch mehr. Der monatelange Ausfall von Letsch-Wunschspieler James Jeggo im zentralen Mittelfeld sorgte für eine violette Baustelle. Daher brauchte er Thomas Ebner auf dieser Position, der auch als linker Verteidiger eingeplant war. Daher wurde mit dem Chilenen Cristian Cuevas nachgerüstet. Aber bei einem Spieler, der in den letzten vier Jahren nie länger als eine Saison bei einem Klub war, sollte man vorsichtig sein. Und dann bleibt es ein Fragezeichen, ob sich einer der neuen Stürmer, Bright Edomwonyi oder der Israeli Alon Turgeman als Knipser profilieren kann. Und ob Patrik Pentz im Tor eine Nummer eins für hochfliegende Pläne ist.

Platz acht galt letzte Saison als Enttäuschung, die zum Trainerwechsel führte. Jetzt hat Altach mit der internen Lösung Werner Grabherr den jüngsten Bundesligatrainer. Aber der 32jährige wird mit den vorhandenen Möglichkeiten keine großen Sprünge machen können. Der Ausbau der Infrastruktur lässt keine größeren Aktivitäten  auf dem  Transfermarkt zu. Und so wird die Offensive eine Großbaustelle sein. Ob die Rückkehr des Amerikaners Joshua Gatt eine Lösung ist oder der Iraker Sheik Gubari muss sich erst zeigen. Wenn Andreas Lukse im Tor nach seiner Schulterproblemen wieder an die Form vor der Operation anschließen kann, wäre schon geholfen. Auch die Rückkehr der Langzeitverletzten Boris Prokopic und Kristjan Dobras könnte ein Impuls sein. Aber Platz sechs wäre eine Überraschung. Eher wird man  im Ländle weiter kleine Bötchen backen müssen.

 

Neue Gesichter im Lavanttal. Christoph Ilzer kehrte nach einer Saison bei Hartberg auf die Trainerbank zurück. Aber als Chef, nicht mehr als Assistent wie unter Heimo Pfeifenberger. Mit zehn neuen Spielern, darunter Heimkehrer Michael Liendl und drei aus Ilzers Hartberg-Crew. Schnell und direkt will Ilzer Wolfsberg spielen lassen. So traut man sich sogar den Sprung in die Meisterrunde zu. Zu hören von Kapitän Michael Sollbauer beim Kick-Off der Bundesliga.  Forschere Töne als von den Konkurrenten auf Wolfsberger Augenhöhe.

Didi Kühbauer bewies bereits auf seinen bisherigen Trainerstationen bei Admira und Wolfsberg, dass er Mannschaften verbessern kann. Er zeigte das in kurzer Zeit auch vergangene Saison in St. Pölten beim Rettungskommando im Finish. Es ist ihm zuzutrauen, dass unter ihm der Weg weiter nach oben führt. Für die Offensive bekam er mit Rene Gartler einen dazu, der weiß, wo das Tor steht.  Im Mittelfeld hat er mit Robert Ljubicic, dem jüngeren Bruder des Rapidlers, ein vielversprechendes Talent und mit dem aus Hartberg gekommen  Roko Mislov einen Routinier. Der Geheimtipp ist Osarenren Okungbowa, der nach seinem Verletzungspech bei Rapid noch Zeit braucht, von dem Kühbauer aber viel hält. Die größte Herausforderung ist die Abwehr dicht zu bekommen Mit den Neuen Luca Meisl, Daniel Drescher und Manuel Haas zum Brasilianer Luan.  Gelingt das, wird auch Didis Kampf um die Rückkehr der Fans erfolgreich sein. Aber sein realistisches Ziel heißt: Nicht mehr in Abstiegsgefahr kommen. Das  könnte gelingen.

Gekommen um zu bleiben heißt die Devise in Tirol. Der wichtigste Mann bei der Umsetzung ist dabei „Sir Karl“ Daxbacher. Die Ruhe, Umsicht und Gelassenheit des ältesten Trainers der Liga wird Wacker Innsbruck brauchen, wenn es Gegenwind gibt. Denn von der Meisterrunde zu träumen, hilft nichts. Der 65jährige bekam in der Übertrittszeit mit den acht Neuen nicht die Verstärkungen geliefert, die man dazu bräuchte. Er muss größtenteils mit der Aufstiegsbesetzung leben, von der mit Florian Jamnig ein wichtiger Spieler an den LASK verloren ging. Wenn der slowenische Stürmer Zlatko Dedic nicht weiter trifft, wird´s eng. „Sir Karl“ weiß damit umzugehen. Und darum wird  Wacker Innsbruck bleiben.

Die Präsident Brigitte Annerl verdient größten Respekt. Wie die erfolgreiche Pharmaunternehmerin aus Wien erfolgreich darum kämpfte, die Bundesliga in die Oststeiermark zu bringen, hatte viel an Pioniergeist an sich. Vor allem ließ sie sich durch Rückschläge nicht entmutigen. In zwei Instanzen die Lizenz verweigert, vom Schiedsgericht aber bekommen. Trotz Aufstieg kamen Trainer und sechs Stützen abhanden. Spielte ihr keine Rolle. Ebenso wenig prominente Absagen bei der Trainersuche. Ihr Versprechen, Hartberg nicht fallen zu lassen, wenn das Unternehmen Bundesliga nicht gelingen sollte, klingt sehr glaubwürdig. Mit den ehemaligen Teamspielern Markus Schopp und Jürgen Säumel fand sie ein bodenständiges Trainerduo mit Sturm-Vergangenheit. Daher ist das steirische Derby am Sonntag in Graz zum Start  schon etwas spezielles. Ebenso erste Woche das erste Heimspiel gegen Admira im renovierten Hartberger Stadion.  Alle sehen im „Dorfklub“ Hartberg den Prügelknaben und Fixabsteiger. Darin liegt die Chance, das zu verhindern.

Freitag beginnt auch ein neues TV-Zeitalter. Erstmals hat sich die Liga in Bausch und Bogen in die Hände des Pay-TV  begeben. „Sky“ suchte sich den Partner für die vier Live-Spiele im Free-TV selbst aus. A 1-TV ist irgendwie eine Mogelpackung, denn auch da ist die Sky-Übertragung zu sehen. Also heißt es eigentlich  Sky schaltet sich auf A 1 frei. Ob das so gut  ist? Die ORF-Reichweiten wird die neue Lösung  nie schaffen. Alle A 1-Kunden bekamen Mittwoch eine SMS mit einem angeblichen Volltreffer von  A 1: „Am 27.Juli um 20.45 Uhr einfach auf A1.net/sport einsteigen, ohne Datenverbrauch streamen und mit etwas Glück ein Stadion-Abo Deiner Wahl gewinnen.“  Ob das so die Mehrzahl der Fans will? Sky hat große Ambitionen, sorgt auch mit neuen  Formaten ab Montag für die umfangreichste Liga-Berichterstattung aller Zeiten. Es muss sich aber erst zeigen, ob die Liga soviel her gibt. Etwa sechs Stunden von der Eröffnung, von Austria gegen Wacker Innsbruck.

 

 

 

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