Die Erwartungen bei Eintracht Frankfurt sind nach der vergangenen Saison groß. Im Moment zu groß: Denn schön langsam, aber sicher kommt Adi Hütter vor seinem zweiten Jahr am Main in Personalnot. Nach dem Serben Luka Jovic verlor er mit Sebastien Haller auch den zweiten Star aus seinem Super-Sturmtrio. Der wechselte nach England zu West Ham. Damit sind 32 Tore aus der vergangenen Saison weg, 15 von Haller,17 von Jovic. Dazu sind die Personalien um Tormann Kevin Trapp und den österreichischen Innenverteidiger Martin Hinteregger ungeklärt, ist der Rekordkauf Djibril Sow für zwei Monate außer Gefecht. Nächste Woche muss die Eintracht bereits in der Qualifikation zur Europa League ran. Da wartet auf den mehrfach zum Trainer der Saison gewählten Vorarlberger noch eine gewaltige Herausforderung.
Haller nahm wie befürchtet das Angebot aus London an. Der 25jährige Franzose, der in 60 Ligaspielen 24 Tore erzielte, dessen Vertrag bis 2021 lief, war dem Zehnten der Premier League als Nachfolger von Marko Arnautovic das Doppelte von der Summe wert, die Chinas Meister Shanghai SIPG für den 30jährigen Österreicher zahlte. Also 50 Millionen Euro! 75 Prozent davon sind sofort fällig. Ein Supergeschäft für Frankfurts Sportchef Fredy Bobic, der Haller 2017 für sieben Millionen aus Utrecht geholt hatte. Der sagte ja zu einem Fünfjahresvertrag bei West Ham mit einem Nettoverdienst von sieben Millionen pro Saison. Da kommt Eintracht Frankfurt nicht mit, das sah auch Hütter ein: „So ist das Geschäft.“
Von den 60 Millionen, die Real Madrid für Jovic zahlte, gingen 32 an seinen Ex-Klub Benfica Lissabon. Blieben Eintracht 32. Jetzt 50 für Haller dazu – die Kassa ist so prall gefüllt wie noch nie in der Klubgeschichte. Aber Bobic will weiterhin seinem Prinzip treu bleiben, keinen Spieler zu holen, der mehr als 15 Millionen Euro Ablöse kostet. Und die auch nicht für einen Abwehrspieler wie Hinteregger zahlen. Nur wird Augsburg im Wissen um die Haller-Millionen den Preis für den Kärntner sicher nicht senken. An den 50 Millionen für Haller hat auch der Salzburger Physiotherapeut Franz Leberbauer einen großen Anteil: Als ihn Hütter bat, die chronischen Adduktorenbeschwerden des Franzosen zu behandeln, sah alles nach einer Operation aus. Die Leberbauer-Therapie in seinem Institut am Fuschel-See wirkte. Haller hätte im Rückspiel des Europa League-Semifinales gegen Chelsea in London als Joker Eintracht beinahe ins Finale geschossen. War dann auch durch die Nachbehandlung so weit fit, dass er in die Vorbereitung einsteigen konnte, Dienstag den Medizincheck in London bestand. Bei einer Operation wäre Hellers Marktwert entscheidend gesunken, hätte Eintracht nie 50 Millionen bekommen, es diesen Transfer wahrscheinlich nicht gegeben.
Letzteres wäre Hütter durchaus recht gewesen. Er wollte Haller nicht verlieren. Aber das Fußballgeschäft ist kein Wunschkonzert, Derzeit hat er drei Stürmer im Kader: Kroatiens Vizeweltmeister Ante Rebic, der auch Abwanderungstendenzen zeigt, den 24jährigen Portugiesen Goncalo Paciencia sowie die um vier Millionen von Serbiens Meister Roter Stern Belgrad geholte Nachwuchshoffnung Dejan Joveljic. Keine Frage, jetzt ist auch Bobic gefordert.