Fußball

Mit leerem Tank immer zu spät: Höchste Heim-Niederlage seit sechs Jahren!

Statt österreichischer Allzeitrekord mit acht Siegen hintereinander, statt erstem Sieg über Brasilien die siebente Niederlage im zehnten Duell. Sogar die höchste. 0:3 (0:1) wie Sonntag Nachmittag im Happel-Stadion verlor Österreich zuvor gegen die Brasilien nur 1958 bei der Weltmeisterschaft in Schweden, als die Südamerikaner danach mit dem 17jährigen Pele den Titel holten. Gelingt ihnen das 60 Jahre später auch in Russlande? Pele gibt´s keinen neuen, aber Neymar ist nicht ohne. Wie er Aleksandar Dragovic vor dem zweiten Tor, seinem ersten in Wien austanzte, war große Klasse. Den ehrgeizigen Dragovic, der zuvor viele Zweikämpfe gewann, wird es zwar nicht trösten: Aber er ist nicht der erste, dem so etwas  passierte. Nur wird  Neymar bei der WM garantiert keinen Schiedsrichter finden, der auf seine Schauspieleinlagen so reinfällt wie in Wien der Ungar Viktor Kassai, der extrem kleinlich pfiff. Um kurz vor der Weltmeisterschaft keine Härte aufkommen zu lasen. Das hat durchaus etwas für sich. Grund für die klare österreichische Niederlage war das keiner.

Auffällig, wie klar die Brasilianer zum Unterschied von Titelverteidiger Deutschland acht Tage zuvor  in Klagenfurt Österreich beherrschten. Rot-weiß-Rot bekam nie einen Zugriff auf das  Spiel, sondern kam beim Versuch, Pressing zu spielen, nie richtig in die Zweikämpfe, sondern  stets zu spät. Nicht der den berühmten einen Schritt, sondern mitunter auch mehr. Die einzige Szene, in der eigentlich die Erwartungen übertroffen wurden, passierte schon in den ersten fünf  Minuten. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass Tomann Heinz Lindner es wagt, am Elferpunkt den anstürmenden Gabriel Jesus auszutricksen. Er tat dies sogar perfekt, obwohl das Spiel mit den Füßen ja nicht gerade zu den herausragenden Stärken Lindner zählt. Wenn man will, war er in der Abfuhr der einzige österreichische Sieger: Er verhinderte eine höhere Abfuhr. Lieferte damit ein starkes, überzeugendes Argument für Teamchef Franco Foda, ihn auch für die Nations League im Herbst als Nummer eins zu sehen.

Lag der Unterschied zwischen Klagenfurt und Wien an den drei Tagen Urlaub zwischen beiden Partien, die Foda den Spielern gab? Damit würde man es sich viel zu einfach machen. Fakt ist, dass Brasilien mit der stärksten Besetzung begann, Deutschland hingegen nicht. Fakt ist, dass sich die Brasilianer wesentlich ballsicherer präsentierten als Jogi Löws Team, vor allem in der Abwehr. Die Innenverteidiger fanden immer eine Lösung, wenn die Österreicher ein Forechecking versuchten. Bei dem zudem  die Raumaufteilung nicht stimmte: Der Abstand  zwischen Marko Arnautovic und dem vordersten Mittelfeldspielern Alessandro Schöpf und Xaver Schlager, der erstmals beginnen durfte, den Vorzug gegenüber Peter Zulj bekam, war viel zu groß. Zu wenig Nachrücken. Bei Angriffen war im Strafraum der Brasilianer viel zu oft nur ein Österreicher. Typisch: Der erste Schuss auf das Tor von Brasilien, bei dem Keeper Alison sein Könen zeigen musste, kam erst nach 79 Minuten vom eingewechselten Stefan Hierländer.

Der Tank der Österreicher war leer. Keine Energie, immer zu spät. Auch viel zu viele Ballverluste, die nicht notwendig waren. Fast immer dem Ball und den Brasilianer nachzulaufen, das  konnte nicht gut gehen. Auch wenn bei Brasiliens Führung Pech dabei war, dass der von Sebastian Prödl abgeblockte Schuss von Marcelo Gabriel Jesus vor die Beine fiel. Aber Brasilien hatte schon zuvor seine Chancen, Österreich nur einen gefährlichen Schuss von Alessandro Schöpf und eine Chance von Arnautovic, der nach Vorarbeit des von Schöpf gut eingesetzten Stefan Lainer knapp über das Tor schoss. Das waren die einzigen starken Szenen von Schöpf, dem Schützen des Siegestore gegen Russland und Deutschland. Ansonst kam er nie ins Spiel.  Beim Tiroler merkte man den Abfall vielleicht sogar am deutlichsten. Nicht sein Tag, bei dem am Ende Österreichs höchste Heimniederlage seit  sechs Jahren, seit dem 0:3 gegen die Elfenbeinküste am 14. November 2012 in Linz stand. 0:3 im Happel-Stadion verlor Österreich zuletzt am 6. Februar 2008 gegen Deutschland in einem Test vor der Heim-Euro. Höher danach nur am 18.November 2009 mit 1:5 gegen Europameister Spanien.

Auch als Brasiliens Teamchef Tite sechs Neue brachte, gab es keinen Bruch im Spiel. Bei Brasilien haben auch die Joker ihre Klasse. Bei Österreich brachten vier Neue auch keine neue Energie, dazu war Brasilien zu gut. Interessant, dass Florian Kainz und Louis Schaub, die vor eineinhalb Wochen gegen Russland in der Startelf standen, seit damals eigentlich außen vor sind. Marko Arnautovic meinte nachher, man habe gegen den kommenden Weltmeister verloren. Die Prognose könnte stimmen. Für Kapitän Julian Baumgartlinger bekam man in einer Art Lehrstunde die Grenzen aufgezeigt, David Alaba sah keinen Grund, warum man traurig in den Urlaub gehen sollte: „In den letzten zwei Wochen waren viele positive Dinge dabei, auf die wir stolz sein können.“

Das brutale 0:3 bedeutete aber sicher keinen Grund, Alarm zu schlagen. Trotz der ersten Niederlage unter Foda befindet sich das Team auf einem guten Weg in Richtung Nations League. Die Heimspiele gegen Bosnien und  Nordirland werden auch im Happel-Stadion steigen, nächste Woche beginnt der Verkauf von Abos. ÖFB-Präsident Leo Windtner fand mit Unterstützung von Generalsekretär Thomas Hollerer und Geschäftsführer Bernhard Neuhold eine Lösung, die vor dem Anpfiff mit Wiens Sportstadtrat Peter Hacker und Finanzstadtrat Peter Hanke unterzeichnet wurde. Hacker sprach von einem vernünftigen Kompromiss. Das Team trifft sich wieder Anfang September vor dem Spiel gegen Schweden. Auch in Wien, allerdings in der neuen Generali-Arena der Austria. Im Prater spielt das Team von Foda  wieder am 12.Oktober gegen Nordirland. Sicher mit mehr Energie im Tank als gegen Brasilien. Und dann wird Foda nicht so wie Sonntag konstatieren: „Die Mannschaft war zwar bemüht. Aber wenn du nicht die nötige Frische hast, wird das zum Problem.“

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