Es bedeutete keine Überraschung, dass die sensationelle Tabellenführung von Blau Weiß Linz nur bis Sonntag hielt. Zuerst eroberte sie Wolfsberg mit dem 3:0 bei Meister Sturm Graz, danach Rapid mit dem 2:1 (1:1) gegen die Austria vor 26.000 Zuschauern im ausverkauften Allianz-Stadion, dem zweiten Derby-Heimsieg, hintereinander. Zwei Bundesliga-Duelle in Folge gegen den Erzrivalen gewann Rapid zuletzt vor acht Jahren. Damit ist Grün-Weiß erstmals seit Juli 2022 Tabellenführer. Aber das alles steht leider im Schatten der Szenen, die sich nach dem Schlusspfiff abspielten. So wie nach Rapids 3:0 im Februar. Aus dem Austria-Sektor flogen Leuchtraketen auf die Rapid-Familientribüne. Als Folge waren wie vor sieben Monate zum Teil maskierte Fans von Rapid und Austria am Spielfeld, wieder Ausschreitungen und Handgreiflichkeiten. Peter Stöger, der Sky-Experte mit Vergangenheit bei Austria und Rapid, sah die Szenen im TV-Studio unweit des Stadions, bezeichnete sie schlicht und einfach als grauslich. Es gab mindestens einen Verletzten.
Das wird alles sicher ein Nachspiel haben, bei dem es jetzt doch zum Punktabzug für den neuen Tabellenführer kommen könnte. Das 343. Derby konnte wegen Pyrotechnik in beiden Fansektoren nur mit Verspätung beginnen, weil das Spielfeld eingenebelt war. Während des Spiels weiterhin beiderseits Pyrotechnik, Leuchtkörper und schlimme Sprechchöre, im Austria-Sektor explodierten auch Böller. Keine Frage, die Sicherheitsvorkehrungen versagten, wenn Böller etc. problemlos ins Stadion gebracht werden können. Langsam, aber sicher wird es nicht nur Sache der Bundesliga sein, Konsequenzen zu ziehen (etwa künftig bei den Wiener Derbys keinen Gästesektor mehr zu erlauben), sondern auch der Veranstaltungsbehörde. Es gab auch Vorwürfe gegen die Exekutive, weil es zu lange, fast zehn Minuten, dauerte, bis sie eingriff, Rapids Geschäftsführer Steffen Hofmann versuchte, Rapid-Fans aufzuhalten, stand jedoch auf verlorenem Posten. Wirkte danach beim Sky-Interview auch angeschlagen. Trainer Robert Klauß gab zu, schockiert zu sein, forderte harte Maßnahmen ein.
Lange dauerten die Jubelszenen bei ihm und dem Siegestorschützen, seinem Kapitän Matthias Seidl, nicht. Weil die Ausschreitungen begannen. Schwer, danach nur über die sportlichen Derbyaspekte zu reden. Rapid begann etwas überraschend mit Guido Burgstaller, der seit Mittwoch im Mannschaftstraining war, deshalb musste Youngster Nikolas Wurmbrand trotz des starken Debüts in Wolfsberg samt Tor auf die Bank. Burgstaller hätte Rapid schon beim ersten Angriff, der auf den Anstoß folgte, in Führung bringen können, scheiterte aber an Tormann Samuel Sahin-Radlinger. Das 1:0 fiel nach 23 Minuten eher zufällig, als eine Flanke von Jonas Auer, die Louis Schaub berührte, an den Kopf von Dion Beljo flog, von dort ins Tor der Austria. Ohne dass der Kroate eine Bewegung machte. Austria glich knapp vor er Pause durch Andreas Gruber aus. Weil Serge Raux Yao schlecht reagierte, zuvor Nenad Cvetkovic, ansonst ein Bollwerk, Maurice Malone flanken ließ.
Der entscheidende Treffer fiel nach einer Stunde. Sieben Minuten zuvor schied Austrias Abwehrchef Aleksandar Dragovic mit einer Oberschenkelverletzung aus, ihn ersetzte Philipp Wiesinger bei seinem Ligadebüt im violetten Dress, seinen ersten Ligaeinsatz seit März 2023, damals beim LASK. Da verschaffte sich Seidl nach einem Pass von Mamadou Sangare mit einer Drehung freien Raum und eine ideale Schussposition, ließ Sahin-Radlinger keine Chance. Am Ende halfen auch Austria die ersten 13 Minuten von Marko Raguz in der Bundesliga für Violett nicht, war Rapids Sieg verdient. Es gab im Finish noch Chancen auf das dritte Tor. Eine vergab der nach 71 Minuten für Burgstaller gekommene Wurmbrand. Dennoch fand Klauß: „In Summe war es unser schwächstes Heimspiel in dieser Saison!“
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