Am 23. Oktober 2016 hatte ein Tor von Alexander Grünwald die Serie der für Rapid sieglosen Heimderbys im neuen Allianz-Stadion eröffnet. Sonntag setzte sie ein Treffer des Austria-Kapitäns nach 57 Minuten, als er vom Strafraum genau ins Eck traf, fort. Sein Jubel (Bild oben) signalisierte auch, dass seine Leidenszeit nach einer schweren Knieverletzung, die er vor einem Jahr auch bei einem Auswärtsderby erlitt, endgültig vorbei ist. Weil die Sieger das Ende ihrer Negativserie in Auswärtspartien im siebenten Anlauf für den Rapid-Fanblock zu lange und zu provokant feierten, musste die Polizei aufmarschieren, als einige Rapid-Fans versuchten, den Austria-Sektor zu stürmen und damit anfangs die Exekutive am falschen Fuß erwischten. Am Ende waren gefühlt mehr Polizisten am Rasen als im Hanappi-Stadion beim Platzsturm der Rapid-Fans vor sieben Jahren. Ein Polizeihubschrauber kreiste über Hütteldorf, einige Straßen rund um das Stadion wurden zeitweise gesperrt. Szenen, die keiner sehen will.
Dabei begann dieses Derby attraktiv, blieb es auch in der ganzen ersten Hälfte. Zunächst Chancen für Rapid, dann für Austria, dann erneut für Grün-Weiß. Die Verlierer mussten sich am Ende des Tages selbst den Vorwurf machen, in den ersten 45 Minuten fünf Sitzer ausgelassen zu haben, mit denen die siegloses Serie in Heimderbys beendet hätte werden müssen. Zwei bereits in den ersten vier Minuten, als Christoph Knasmüllner, der bei seinem ersten Derby in Grün-Weiß zu oft abtauchte, und Andrei Ivan vergaben. Der Rumäne sündigte später noch einmal, ebenso Marvin Potzmann und Deni Alar. Auch wenn es derzeit nicht modern ist, dies zu behaupten: Da kann man den vom Rapid-Fansektor angefeindeten Trainer Goran Djuricin gar keinen Vorwurf dafür machen.
Aber sein Sager nach der schmerzvollen Niederlage wonach mitunter auch die unterlegene Mannschaft gewinnt, war nicht sehr glücklich. So unterlegen war die Austria speziell nach der Pause gar nicht. Und eine Antwort auf ihre Führung fiel den Verlierern nicht wirklich ein. Keine Ideen zu einer Überlegenheit, die Austria in große Verlegenheit gestürzt hätte. So sah es auch Lothar Matthäus, der auf dem aus der deutschen Bundesliga gewohnten Sky-Tisch neben Hans Krankl sass: „Nach der Pause hat die Austria das Heft in die Hand genommen, keine Chancen mehr zugelassen, selbst welche kreiert.“
Wenn man Djuricin Vorwürfe für machen kann, dann den, dass es keine sehr gute Idee ist, Innenverteidiger Mert Müldür auf der rechten Seite einzusetzen. Das ist nicht seine Position, da stellt er sich nicht sehr geschickt an. Über einen offensiv-und laufstarken rechten Verteidiger, hätte Rapid dieses Derby durchaus entscheiden können. Denn auf Austrias linker Abwehrflanke versuchte sich mitunter Innenverteidiger Igor. Die Beweglichkeit zählt nicht zu den größten Stärken des Brasilianers. Rapid nützte das Fehlen eines linken Austria-Verteidigers zu wenig. Und dann hätte Djuricin im Rückstand anders wechseln können. Stephan Auer statt Müldür wirkte wie ein spätes Geständnis, auf dieser Position falsch entschieden zu haben. Für den ersten Einsatz von Andrija Pavlovic, der nach monatelanger Pause wie erwartet nichts entscheidendes bewegen konnte, hätte sicher eher aufgedrängt, einen Defensivspieler wie Dejan Ljubicic oder sogar Kapitän Stefan Schwab, der nach der Pause keine Azente mehr setzte, zu opfern als mit Knasmüllner einen offensiven, bei dem man weiß, dass er mit einem Genieblitz alles umdrehen kann. Gogo raus-Rufe hörte man trotz Derbypleite nur kurz, aber in den sozialen Medien wurde die Kritik an Djuricin umso heftiger. Unüberhörbar blieben nachher die Sprechchöre aus dem Rapid-Sektor, die Schnauze voll zu haben. Kein Wunder, wenn sich Rapid selbst schlägt,wie Sportchef Fredy Bickel feststellte.
Kein Wunder, bei zwölf Punkten Rückstand auf Tabellenführer Salzburg , Platz sieben hinter Wolfsberg hängt Rapid schwer in den Seilen. Weil zudem der Rückstand nächste Runde in Salzburg nach dem Start in die Europa League noch größer zu werden droht. Da kann man es nicht mehr so wie Kapitän Schwab sehen, wonach dies derzeit nicht so tragisch sei, da es ja nach 18 Runden eine Puntketeilung gibt. Aber da bleibt der Rückstand trotzdem auch schon etwas heftig. Die Situation wirkt dramatisch. Und dass irgendetwas nicht stimmt, sah man auch schon vor dem Anpfiff: Das Aufwärmen leitete nicht mehr wie bisher Fitnesstrainer Toni Beretzki sondern der im Sommer neu als Betreuer installierte Sportwissenschaftler Rafael Pollack. Eine Art Fitness-Revolte in Grün-Weiß. Vorerst ohne merkbare Änderung zum Positiven. Daher wird´s schwer, die Saison noch zu retten. Speziell über die Europa League, die nicht zu großen Trostspender avancieren kann. Im Uniqa-Cup muss Rapid nach Mattersburg. Auch den Grün-Weißen aus dem Burgenland geht´s nicht gut: Nur Vorletzter.
Der in manchen Szenen bei seinem ersten Derby etwas überfordert wirkende Schiedsrichter Julian Weinberger verteilte elf gelbe Karten. Eine davon sah Rapids Ersatzkeeper Tobias Knoflach für seine Kritik von der Bank aus. Dort bekommt ihn offenbar auch Sportchef Fredy Bickel, der nicht weit von Knoflach entfernt sitzt, nicht in den Griff. Auch das macht keinen guten Eindruck. Noch mehr, dass Knoflach nach Schlusspfiff versuchte, vor dem Rapid-Fansektor Austrias Keeper Patrick Pentz, zuvor mit starken Reaktionen einige Male der violette Retter, zu attackieren. Weil der es im Finish so gar nicht eilig hatte. Knoflachs Verhalten darf Rapid nicht tolerieren . Wie die Austria, dass er bereits ausgetauschte Lucas Venuto bei einem Gerangel auf den Rasen stürmte und mitmischte. Auch die provokanten Gesten von Christoph Monschein nach seiner Einwechslung gehen gar nicht. Auch so etwas gehört abgestellt.
Aber bei Austria war nachher alles eitel Wonne. Der Fanblock sang „die Nummer eins in Wien sind wir“. AG-Vorstand Markus Kraetschmer kam auf den Rasen, um Trainer Thomas Letsch, der von einem „packenden Derby“ sprach, sowie seinen Assistenten Robert Ibertsberger und Roman Stary zu gratulieren. Für Austria war der Derbysieg irgendwie ein Befreiungsschlag, der aber nächsten Sonntag bestätigt werden muss. Da gastiert der LASK, dem mit dem 3:1 in Mattersburg der fünfte Sieg in Serie, der Sprung auf Platz zwei gelang, in Favoriten. Und das wird die nächste ganz große Herausforderung.
Die Sensation der Runde passierte aber um einen Ex-Austria-Trainer. Referee Markus Hameter gelang es, bei Wolfsbergs 3:1 über Wacker Innsbruck unter anderem mit einem Elfmeterpfiff den Trainer der Tiroler, „Sir Karl“ Daxbacher, derart aus seiner sonst stoischen Ruhe zu ring, dass er wegen Reklamationen auf die Tribüne geschickt wurde. So etwas passierte lange nicht. Daxbacher lieferte danach einen Einblick in sein Seelenleben: „Ich habe das Gefühl, dass derzeit gegen Wacker Innsbruck gepfiffen wird.“