Österreich bei seiner dritten EM-Teilnahme erstmals als Gruppensieger aufgestiegen und n0ch dazu in der schwersten der sechs. Wer hätte das erwartet? Selbst Ralf Rangnick gab nach dem mitreißenden 3:2 (1:0) gegen Holland vor 71.000 Zuschauern bei Superstimmungim ausverkauften Berliner Olympiastadion, den ersten Sieg über Oranje seit 30 Jahren zu, dass er bei allem Vertrauen in die Fähigkeiten seiner Mannschaft nicht erwartet hätte, die sogenannte Todesgruppe als Erster vor Frankreich (nur 1:1 gegen Polen)und Holland zu beenden. Dienstag konnte man im ZDF nach 23 Uhr davon hören, dass Deutschland zum Glück erst im Finale auf Österreich treffen könne, dass Österreich den Ruf einer Skifahrernation endgültig abgelegt habe. Fußball zählt schon genau so viel. Da glaubten Bundeskanzler Karl Nehammer und Vize Werner Kogler etwas für ihr angeschlagenes Image zu tun, als sie zur Siegesparty in die Kabine kamen und prompt Fotos davon ins Internet stellten.
Fakt ist, dass viele den Kopf schüttelten, als Rangnicks Aufstellung bekannt wurde. Die, wie er nachher zugab, durch Italiens Tor in der 98, Minute gegen Kroatien am Abend davor beeinflusst wurde. Weil damit der Aufstieg in die k.o.-Phase so gut wie sicher war, verzichtete er auf die mit einer gelben Karte belasteten Kevin Danso, Philipp Mwene, Konrad Laimer und Christian Baumgartner, um sie im Achtelfinale bringen zu können. Laimer und Baumgartner wechselte er nach dem Kopftor des kleinsten Österreichers, des 1,68 Meter großen Romano Schmid, zum 2:1, Danso ließ er aber im Talon, obwohl Lienhart angeschlagen rausmusste. Da brachte er lieber den EM-Debütanten Leopold Querfeld. Holland gelang zwar der zweite Ausgleich, aber Österreichs Reaktion war noch beeindruckender als die nach dem 1:1: Perfekte Kombination zwischen Joker Baumgartner und Marcel Sabitzer, der traf wuchtig mit links zu seinem 17. Tor für Österreich im 79, Länderspiel. Der Knaller (Bild) verhalf ihm sicher auch zum „Man of the match“. Etwas Balsam für die durch die Niederlage im Champions League-Finale mit Dortmund verwundete Fußballerseele: „Wir pushen uns gegenseitig!“
Österreich hat die Erwartungen übertroffen, aber dadurch sind sie gestiegen. Im Moment steht Österreich „nur“ wie vor drei Jahren unter Franco Foda im Achtelfinale, scheiterte dort nach 120 Minuten in Wembley nach einer Topleistung am späteren Europameister Italien. Jetzt erwarten alle Österreichs ersten Aufstieg ins EM-Viertelfinale. Der mögliche Gegner nach sechs Tagen Pause am kommenden Dienstag in Leipzig im achten und letzten Spiel des Achtelfinales, Tschechien oder die im März mit 6:1 im Happel-Stadion abgefertigte Türkei, liegt sicher im Bereich des Machbaren. Zumal muss das Team dorthin nicht fliegen, sondern kann mit dem Bus von Berlin aus hinfahren. Gelingt der fast schon erwartete oder sogar geforderte Sieg, heißt es zurück nach Berlin zum Viertelfinale. Gegen den Sieger aus der Belgien-Gruppe oder einen der vier Dritten. Der Marketing-Soruch des ÖFB, alles machbar beim Nachbar, erscheint nach den ersten drei Spielen mit zwei überzeugenden Siegen und sechs erzielten Tren nicht unrealistisch. Leipzig ist für Rangnick, Sabitzer, Laimer die Rückkehr in die alte sportliche Heimat, für Baumgartner und Seiwald ein Highlight in der aktuellen, im mit einer Kapazität von 40.000 Zuschauern kleinsten Stadion der Europameisterschaft.
Dienstag wurde auch England Gruppensieger. Aber die schwache Offensiv-Leistung beim 0:0 gegen Slowenien in Köln wurde erneut hart kritisiert. „Mit Rangnick würde England viel besser spielen“, behauptete die ZDF-Moderatorin Kathrin Müller-Hohenstein. Österreichs Nachbar Slowenien kam mit drei Unentschieden erstmals in die K.o-Phase. Auf Kosten von Serbien. Das 0:0 gegen Dänemark bedeutete den Abschied. Das Achtelfinale beginnt Samstag in Berlin (Schweiz-Italien) und Dortmund (Deutschland-Dänemark).
Foto: UEFA.