Was von Dienstag bis Donnerstag in Champions und Europa League passierte, das kann man nur als Sternstunden des Fußballs bezeichnen. Dramen mit Höhen und Tiefen, mit Helden und tragischen Verlieren in London an der Anfield Road, in der Johan Cruyff-Arena in Amsterdam sowie an der Stamford Bridge in London. Wobei auch wirklich wohltuend war, dass in beiden Semifinal-Entscheidungen der Videobeweis nie minutenlang bemüht werden mussten, die Referees aus der Türkei (Cüneyt Cakir) und Deutschland (Felix Brych) selbst genug Persönlichkeit waren, um auch enge Entscheidungen zu treffen. Die alle richtig waren. In der Europa League gibt es den Videobeweis erst im Endspiel. Am Ende blieb das Fazit: Im Fußball gibt´s keinen Brexit, ist England die Nummer eins in Europa. Und prompt fordern auf der Insel einige, die Endspiele Liverpool-Tottenham und Chelsea-Arsenal von Madrid und Baku nach England zu verlegen. Natürlich ein Ding der Unmöglickeit.
Der tragischeste Verlierer von allen: Eintracht Frankfurt. Erst im Elfmeterschießen an Chelsea gescheitert. Zuvor die Mannschaft, die beim 1:1 sowohl in der zweiten Hälfte als auch im Nachspiel dem zweiten Tor näher war. Und mitten drin im Tal der Tränen, bei den hängenden Kopfen zwei Österreicher: Adi Hütter, dem es nicht vergönnt war, auch als Trainer wie 25 Jahre zuvor als Speiler bei Austria Salzburg ein Europacupendspiel zu erreichen. Martin Hinteregger, der als erster von zwei Frankfurt-Legionären in der Penaltyentscheidung nicht traf. Über die große Leere, die in ihm danach war, sprach er zwar für die TV-Sender Puls 4, bei dem bis zu 440.000 Zuschauer das Londoner Drama sahen, und DAZN, aber danach nicht mehr. Frankfurts verständnisvoller Sportchef Fredy Bobic schleuste ihn nachher in der Mixed-Zone an allen wartenden Journalisten vorbei, bar um Verständnis, dass der sonst so robuste Kärntner lieber nichts mehr dazu sagen wollte. Erstmals bestritt er mehr als 50 Spiele in seiner Saison, das geht auch an seine Substanz.
„Im Elferschießen gibt es immer einen Pechvogel. Aber was er vorbei geleistet hat, war überragend“. Der Satz Hütters über den von den 2800 Frankfurter Fans zum Teil mit Shakehands spontan getrösteten Hinteregger kann eigentlich für die ganze Mannschaft gelten. Hinteregger degradierte sowohl in Frankfurt als auch an der Stamford Bridge Frankreichs Weltmeister Oliver Giroud mit Ausnahme einer Szene zur Bedeutungslosigkeit, verlor kaum einen Zweikampf. Bis zum Elferschiessen wirkte „Hinti“ wie ein unantastbares Monster. Bobic legte eine Stunde nach Mitternacht beim Bankett, das Eintracht erstmals nach einem Europacupspiel veranstaltete, im Londoner Hotel Corinthia Hütter die Hand auf die Schulter, als er sagte: „Egal, was noch herauskommt, es ist und bleibt ein überragendes Jahr!“ Da beste in Hüters Trainerkarriere. Weil Hütter mit seinen Spieler die Fans begeisterte, einen unerwarteten Erfolgsmarsch durch Europa antrat. Das ist schwerer als in der Schweiz mit Young Boys Bern den ersten Meistertitel seit 32 Jahren zu holen und zählt daher auch mehr.
Was noch herauskommt? Es droht die Gefahr, dass Hütter und seine Euro -Helden, nach ihren Speilen 49 und 50 in dieser Saison mit leeren Händen da stehen. Platz vier, der die erste Teilnahme an der Champions League bringen würde, verspielen, sogar aus den Europa League-Rängen purzeln. Leverkusen, punktgleich mit Frankfurt, Gladbach und Wolfsburg mit Ex-LASK-Tormann Pavao Pervan (je zwei Punkte zurück) und Hoffenheim mit Florian Grillitsch und Stefan Posch warten nur darauf, dass Frankfurt nach den kräftezehrenden 120 Minuten von der Stamford Bridge in seiner Enttäuschung Sonntag im Main-Derby gegen Mainz keinen Punkt holt, sich einen Umfaller leistet: „Das ist unser wichtiges Spiel, das wir gewinnen müssen“, weiß Hütter. Jetzt ist er auch als“Seelenklempner“ gefordert.
Leverkusen empfängt Samstag Schalke, Gladbach muss zum Vorletzten Nürnberg, Wolfsburg zum Drittletzten VfB Stuttgart, Hoffenheim trifft daheim auf Werder Bremen. Man kann annehmen, dass alle vier Frankfurt-Verfolger punkten. In der letzten Runde müssen Hütters unbelohnte Euro-Helden nach München zu Bayern. Wie schwer das wird, hängt auch davon ab, ob David Alaba & Co Samstag schon den ersten Matchball zum sechsten Meistertitel in Serie beim RB Leipzig mit einem Auswärtssieg nützen oder in der letzten Runde noch auf drei Punkte gegen Frankfurt angewiesen sind, um vor Borussia Dortmund zu bleiben. Samstag fehlt beim Österreicher-Duell zwischen Alaba bzw. Marcel Sabitzer und Konrad Laimer in Leipzig den Bayern weiterhin der verletzte Tormann Manuel Neuer.