Zwölf Punkte aus fünf Spielen ergeben einen Punkteschnitt von 2,40 pro Match. Damit liegt Österreich im Spitzenfeld der Nations League. Nur zwei Tabellenführer der acht Gruppen in der Nations League A und B haben einen besseren: Weltmeister Frankreich und Wales mit je 13 Punkten und einem Schnitt von 2,60. Belgien sowie Finnland als Tabellenzweiter der Wales-Gruppe schafften so wie Österreich 2,40. Da muss sich Franco Fodas Team also nicht verstecken. Aber der fünfte Sieg in Serie offenbarte am Sonntag auch „Baustellen“. Der Unterschied zwischen dem dominanten Marcel Sabitzer beim 2:1 in Norwegen vor zwei Monaten und dem Mitläufer gegen Nordirland war fast eklatant. Warum nur warum? Auch über die Rolle von David Alaba müßte man nachdenken. Links im Mittelfeld klappte nicht so gut wie linker Verteidiger bei den Auswärtssiegen über Nordirland und Rumänien. Sollte man es nicht doch einmal in einer zentralen Position versuchen?
Eine neue „Baustelle ist die des Tormanns. Aber nicht, weil die Leistungen von Pavao Pervan zu dieser Feststellung Anlass gaben, sondern weil sich Alexander Schlager, mit 24 Jahren neun Jahre jünger als Pervan, schwer damit abfinden kann, durch seine Adduktorenverletzung den Platz zwischen den Pfosten verloren zu haben. Er feierte am 16. November 2019, als Salzburgs Cican Stakovic verletzt war, im letzten EM-Qualifikationsspiel gegen Nordmazedonien, im Happel-Stadion sein Debüt. Drei Tage später kam Pervan beim 0:1 in Lettland zu seinem ersten Länderspiel. Im September beim Sieg in Oslo und bei der Niederlage gegen Rumänien in Klagenfurt spielte Schlager, ohne dass man ihm Vorwürfe machen könnte. Im Oktober fehlte er verletzt, stand Stankovic wegen der Corona-Fälle in Salzburg nicht zur Verfügung, kam Pervan zu drei Einsätzen gegen Griechenland, in Belfast und Ploiesti. Ohne einen Fehler zu machen, wenn er geprüft wurde. Was nicht oft der Fall war.
Es gibt Trainer, bei denen Spielern durch eine Verletzung nicht ihren Platz in der Hierarchie verlieren. Als Schlager im November wieder dabei war, blieb Foda aber bei Pervan, ließ Schlager sowohl in Luxemburg als auch gegen Nordirland auf der Bank. Es spricht wenig dafür, dass sich daran Mittwoch gegen Norwegen etwas ändert. Mit dieser Erinnerung an die Saison 2017/18 beim LASK (Pervan Nummer eins, er die Nummer zwei) kann der ehrgeizige Schlager (Bild oben) nicht gut leben. Ebenso wenig Stankovic, der mit Unterstützung von Salzburgs Trainer Jesse Marsch die Nummer eins in Österreich für sich reklamiert. Foda behauptet, sich zu dem Thema ständig mit Tormanntrainer Robert Almer auszutauschen. Also muss man annehmen, dass Almer die Entscheidung für Pervan mitgetragen hat. Der Teamchef versichert, mit all seinen Torhütern zufrieden zu sein aber jetzt keine Entscheidung fällen zu wollen, wer vor der Europameisterschaft die Nummer eins sein wird. Der Vorteil für Schlager und Stankovic gegenüber Routinier Pervan: Sie sind in Linz und Salzburg diskussionslos die Nummer eins, Pervan bei Wolfsburg die verlässliche Nummer zwei. Trainer Oliver Glasner weiß aus LASK-Zeiten, was er an ihm hat. Er kann sich auf Pervan verlassen, wenn er ihn braucht. Aber am Belgier Koen Casteels kommt Pervan nicht vorbei. Trotzdem verlängerte Wolfsburg seinen Vertrag bereits bis 2022.
Die Tormann-Baustelle beim Team wird also vorerst nicht geschlossen. Denn da gibt es auch das Argument, es würde gegen die Einstellung von Spielern sprechen, wenn sie einen Platz auf der Bank akzeptieren, ohne sich darüber zu verärgern. Zur Baustelle Angriff stellt sich die Frage, ob der Versuch mit dem Duo Marko Arnautovic und Adrian Grbic nach der geglückten 17 minütigen Premiere, die zum Siegestor gegen Nordirland führte, am Mittwoch fortgesetzt und länger dauern wird? Das Spielverständnis zwischen ihnen war vorhanden, ohne dass sie zuvor einmal gemeinsam zum Zug gekommen waren. Was Grbic darauf zurückführte, dass beide in ihren Jugend viel im Park spielten, nicht in Akademien ausgebildet wurden. Nur im „Käfig“ lerne man Dinge, die Grbic als Instinkt für spezielle Situationen bezeichnete. Arnautovic versicherte, zu 100 Prozent fit für 90 Minuten zu sein, nannte aber anderseits muskuläre Probleme und ein lädiertes Knie als Gründe, warum er zuletzt bei Shanghai SIPG nicht spielte. Das passt nicht ganz zusammen.
Einige sind sich alle über das größte Problem mit Norwegens Not-Team: Man weiß nichts von ihm und den Plänen von Interims-Teamchef Leif Gunnar Smerud, es gibt kein Videomaterial. Video-Analyst Stefan Oesen war emsig darum bemüht, etwas über die einzelnen Spieler aufzutreiben. Also bleibt das „Konzept“, die eigenen Stärken zur Geltung zu bringen, alternativlos. Besser als gegen Nordirland. Weiterhin ohne Christoph Baumgartner, der trotz negativem Corona-Test in der Hoffenheimer Quarantäne bleiben muss.