Es war ein Österreicher- Freitag bei der Europameisterschaft: Zunächst im Tollhaus Berliner Olympiastadion vor 71.000 Zuschauern, davon 20.000 Österreicher, aber 40.000 Polen, der erste Sieg gegen Polen seit 30 Jahren, das 3:1 (1:1) dank eines starken Starts und einem starken Finish mit viel Leerlauf dazwischen. Danach am Abend ein Leipzig das erste 0:0 dieses Turniers zwischen Österreich-Bezwinger Frankreich, der auch ohne Kylian Mbappe besser war, mehr Chancen hatte und gewinnen hätte müssen, und Holland. Das heißt: Dienstag hat Österreich mit einem Sieg über Holland in Berlin Chancen auf Platz eins in der schwersten der sechs Gruppen, wenn die Franzosen in Dortmund gegen Polen nicht gewinnen. Ihr bisher einziges Tor in zwei Partien ging auf das Konto des Wieners Max Wöber. Deutschlands Weltmeister Bastian Schweinsteiger legte sich als ARD-Experte bereits Freitag 45 Minuten vor Mitternacht fest: „Österreich wird gegen Holland nicht verlieren und ins Achtelfinale kommen!“ Das wäre genau der Punkt, der dazu nötig ist, den auch Ralf Rangnick trotz Freude über seinen ersten Trainersieg bei der EM ein mahnte. Österreich schoss gegen Polen ein Tor mehr als Holland (2:1), traf gegen Frankreich so wie „Oranje“ auch nicht.
Die Feststellung, dass der Sieger immer recht und alles richtig gemacht hat, galt Freitag auch für Rangnick. Die Diskussionen, ob es richtig war, auf Danso zu verzichten, Trauner und Lienhart im Abwehrzentrum zu bringen, an Grillitsch im Mittelfeld festzuhalten und Arnautovic trotz zuletzt eher desolater Vortellungen in die Startelf zu nehmen, beendete die schnelle Führung durch Trauners Kopfball. Dann kam der Bruch, der zu Polens Ausgleich führte: „Bei uns agierten bis zur Pause fünf unter Normalform. So gut sind wir auch nicht, dass wir uns das leisten können“, gab Rangnick zu. Zum Glück hielt der herausragende Lienhart in seinem ersten Spiel über 90 Minuten seit Dezember in der Abwehr alles zusammen, verlor keinen Zweikampf.
Daher führte Rangnick zur Pause in der Kabine auch ein Vieraugengespräch mit Baumgartner, der zu den fünf schwachen zählte. Das wusste auch er: „Ich machte Fehler, die nicht passieren dürfen. Aber wir rissen uns am Riemen, das zählt zu unseren Stärken!“ Nach 60 Minuten wechselte Polen seinen Torjäger Robert Lewandowski ein, drei Minuten später Rangnick Alexander Prass statt Mwene. Lewandowski sah nach 64 für einen Ellbogencheck gegen Lienhart gelb, zwei Minuten später verschaffte ein perfekter Pass von Joker Prass Baumgartner freie Bahn. Der traf aus 16 Metern, Polens Keeper Wojciech Szczesny flog ins falsche Eck. Baumgartner stürmte zum Jubeln in die Coaching Zone zu Rangnick. Als Dank für das Vertrauen und den Rückhalt, den er vom Teamchef bekam. Rangnicks Brille flog runter (Bild), doch das spielte eine Rolle. Er hatte beim Wechseln das bessere Händchen. Schon zur Pause, als er Grullitsch in der Kabine ließ und Baumgartner ins Zentrum stellte, wo seine beste Position ist, er prompt auch traf.
Was folgte, war Draufgabe. Arnautovic verwandelte den Elfmeter, der nach einem Foul von Szczesny an Sabitzer fällig war, zum 3:1. Laimer ließ den Sitzer zum 4:1 aus. Das störte die rot-weiß-rote Jubelparty nicht. „Immer wieder Österreich“-Sprechchöre aus der Fankurve und „so ein Tag, so wunderschön wie heute!“ ÖFB-Präsident Klaus Mitterdorfer kam in die Kabine, um der Mannschaft zu gratulieren, bei der Ehrenrunde plärrte Rainhard Fendrichs „we are from Austria“ aus den Lautsprechern. Das tat alles gut, Holland kann kommen. Auch wenn es Dienstag ein Heimspiel für Oranje werden wird.
Foto: UEFA.