Fußball

Ganz Österreich träumt von der Sensation gegen Italien

Im alten, 1923 eröffneten und 2000 abgerissenen Londoner Wembley-Stadion schaffte Österreich 1965 einen historischen 3:2-Sieg, erlitt acht Jahre später ein fürchterliches 0:7-Debakel. Im 2007 eröffneten neuen Wembley, einem 1,2 Milliarden Euro teuren, kühlen Glas-und Stahlpalast, spielt Österreich Samstag Abend erstmals. Und das ganze Land sowie Fans aus Südtirol, die beim Abflug aus Innsbruck Freitag Nachmittag mit dem Transparent „Südtirol hält zu Österreich“ auffielen, träumen, dass dabei die große Sensation gelingt. Der Sieg im Achtelfinale der  Europameisterschaft über das seit 30 Spielen ungeschlagene italienische Team, das in den letzten elf Partien kein Tor kassierte. Aber Österreichs EM-Aufgebot fühlt sich trotzdem „ready for Wembley“. Bereit, um in Wembley erstmals unter die letzten acht der  Europameisterschaft zu kommen, bereit keinen neuen italienischen Rekord, nämlich 31 Spiele ohne Niederlage zuzulassen. Und dazu muss die Leistung noch besser sein als in den bisher stärksten 45 Minuten in den bisherigen drei Spielen, in der ersten Hälfte beim 1:0 gegen die Ukraine am Montag in Bukarest.

Italiens Wiederauferstehung nach der verpassten Qualifikation für die WM 2018 ist strahlender als alles, was es bisher gegeben hat. Ganz Italien ist stolz auf diese Squadra – molto orgoglioso. Aich im Wiener Stadtbild sah man die letzten Tage einige südländisch wirkenden Menschen stolz das weiße Puma T-Shirt mit der Aufschrift Italia tragen. Obwohl es in der Mannschaft gar keinen echten, großen Welt-Star  wie etwa Cristiano Ronaldo gilt. Aber seit Roberto Mancini Teamchef ist, räumen die Italiener mit Vorurteilen auf. Mit Catenaccio und Mauern ist es vorbei. Sie haben zwar noch immer viel Kontrolle in der Defensive, greifen aber auch mutig an. Bei den bisherigen drei Spielen bei dieser Europameisterschaft war nicht von früheren italienischen Mätzchen wie auf Zeit spielen, am Boden liegen bleiben und Verletzungen vortäuschen, zu merken. Wie soll  das Österreich schaffen, gegen diese Mannschaft ein Tor zu schießen, zu gewinnen?

Noch dazu hatten die Italiener zwischen letztem Gruppenspiel und Achtelfinale einen Tag mehr Pause als Österreich schonte Mancini letzten Sonntag beim e2:0 gegen Wales in Rom acht Stammspieler. Was spricht für die rot-weiß-rote Topsensation? Dass Italien mehr Druck hat, die Tifosi schon vom EM-Titel reden. Bei Österreich würde bei einem Ausscheiden keiner von einer misslungenen Europameisterschaft reden. Italien kann erstmals nicht in Rom spielen, nicht mit 16.000 Fans im Rücken. Sondern muss sich auf den Rückhalt evon in England lebenden Italienern „verlassen“. Dazu gehören Watford-Besitzer Gino Pozzo, Geschäftsführer Christiano Giarella und Tormanntrainer Antonello Brambilla. Sie werden sicher für Italien sein und nicht für ihren Tormann aus Österreich, Daniel Bachmann. Österreichische Unterstützer? Die englische Gattin von Bachmann mit Tochter Arnelia und Sohn Henry, der in Birmingham lebende Ex-Teamstürmer Andi Weimann, der bei Marcel Sabitzer Karten organisierte. Und vielleicht die Angestellten der österreichischen Botschaft in London.  Es wäre eine Sensation, sollten die erlaubten 22.500 Zuschauer auf den Tribünen sitzen. Viel mehr droht in Wembley so etwas Ähnliches wie ein Geisterspiel.

1143 Minuten blieb Italiens Tormannlegende Dino Zoff zwischen 1972 und 1974 ungeschlagen. 88 Minuten fehlen Samstag auf diese Marke. „Es soll nicht unser letztes Spil in diesem wunderbaren Stadion sein“, bemerkte Mancini, „wir wollen nochmals zurückkommen.“ Zu Semfiinale und Endspiel. Napoli-Verteidiger Giovanni di Lorenzo, der den verletzten Alessandro Florenzi ersetzten wird, versprach: „Wir sind Italien, gehen auf den Platz, um zu gewinnen.“ Kapitän Giorgio Chiellini trainiert nach einer Wadenverletzung seit Donnerstag wieder, aber möglicherweise setzt ihn Mancini noch nicht ein, sondern vertraut Francesco Acerbi von Lazio. Die gr0ße Frage: Beginnt Marco Verratti, d er Regisseur von Paris St.Germain, der wegen einer Knieverletzung bei der ersten zwei Siegen noch pausierte? Dann müsste möglicherweise Manuel Locatelli, der Zweifachtorschütze beim 3:0 gegen die Schweiz, raus. So etwas nennt man ein Luxusproblem.

So eines hat Franco Foda nicht. Aber er betonte, Österreich sei durchaus in der Lage, gegen Italiens Superdefensive ein Tor zu erzielen. Marcel Sabitzer prophezeite, Österreich könne mit seinen Mitteln die unbezwingbar wirkenden Italiener durchaus bremsen, in Schwierigkeiten bringen: „Wir werden ihnen nichts schenken.“ Diskussionen um die Aufstellung? Eher nicht. Obwohl nach den Erfahrungen vom Sieg über die Ukraine es vermutlich nicht ratsam wäre, Marko Arnautovic wieder von Beginn an zu bringen. Denn er wirkte schon im Finish der ersten Hälfte platt. Die Kraft für 30 Minuten auf die volle Distanz aufzuteilen, ist für ein Achtelfinale kein guter Plan. Da wäre es schon ein besserer, wenn er im Finish noch alle Kraft einsetzen kann, um Akzente zu setzen. Ein gutes Omen gibt´s auch: Wie vor den Siegen in Bukarest durfte Österreich wieder nicht im Stadion trainieren. In London nicht wegen schweren Regenfällen, sondern um den  Wembley-Rasen für die noch folgenden vier Spiele zu schonen. Wenn aller guten Dinge drei wären, würde die ganze Fußballwelt darüber staunen.

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