Vor vier Monaten lieferte Österreichs U 21 bei der Endrunde der Europameisterschaft in Italien trotz knapp verpassten Aufstiegs ins Semifinale noch Schlagzeilen, stand im Mittelpunkt des Interesses. Jetzt fristet es in der neuen Qualifikation wieder ein Mauerblümchendasein. Das merkt man an Details. Als Dienstag die Verlängerung des Sponsorvertrags von Raiffeisen mit dem ÖFB offiziell gemacht wurde, nannte keiner die U 21 als eine der Mannschaften, die unterstützt wird. Sehr wohl das Nationalteam, die Damen, die U 19, die U 17. Auf der Homepage des ÖFB fand sich Donnerstag Vormittag außer des Kaders für die anstehenden Spiele in der Qualifikation am Freitag gegen die Türkei in Ritzing und Dienstag in Milton Keynes gegen Favorit England nur der Hinweis, wie viel die Karten am Freitag kosten, wie sie bezogen werden können. Sonst nichts. Sowohl Spielort als auch die Anstosszeit um 20.30 Uhr sind eigentlich zu hinterfragen.
Ritzing, das ist ein Dorf mit 899 Einwohnern im Bezirk Oberpullendorf im Burgenland. Das 5000 Zuschauer fassende Sonnenseestadion, in dem der Vierte der burgenländischen Landesliga spielt, hat zwei Vorteile: Von der Infrastruktur her bundesligareif, dazu ist die U 21 dort noch ungeschlagen. Aber Freitag Abend nach Ritzing zu fahren, wird außer den Fans aus der engeren Umgebung kaum jemanden reizen. Vor allem, wenn das Match erst um 20.30 beginnt. Ein Entgegenkommen gegenüber dem ORF, damit das Match in der sogenannten Prime time gezeigt werden kann. Eines, das droht zu einem Heimspiel für türkische Fans zu werden. Dabei ist es nicht nur eine von zehn Partien in der Qualifikation, sondern schon eine besondere: Die 75. in der Erfolgsära von Werner Gregoritsch. Seit 1. Februar 2012 ist er im Amt. Das Highlight bedeutete die erstmalige Qualifikation für die EM-Endrunde, aber auch die Gesamtbilanz kann sich sehen lassen: 43 Siege, 16 Unentschieden, nur 15 Niederlagen. Ein Punkteschnitt von 1,93 pro Match. Das muss dem 61jährigen erst einer nachmachen. Sein „Erfinder“, Willi Ruttensteiner, jetzt Sportchef in Israel, bezeichnet den Erfolg sogar als „herausragend. Man kann ihm dazu nicht oft genug gratulieren.“
Das Jubiläum wird eher vor leeren Tribünen stimmungslos in Szene gehen. Bei Österreichs erstem Heimspiel in dieser Qualifikation nach den Pflichtsiegen in Andorra (3:1) und Albanien (4:0) fehlt der Kapitän: Max Wöber wird nach dem Ausfall von Philipp Lienhart bei der Nationalmannschaft benötigt. „Max wird uns als Fühungspersönlichkeit fehlen“, wusste Gregoritsch, der auch Bremen-Legionär Marco Friedl an Foda abtreten, auf den an den Adduktoren verletzten, zuletzt bei Wolfsberg auffällige Romano Schmid verzichten musste. Beim neuen Kapitän überlegt Gregoritsch noch zwischen Southampton-Legionär Kevin Danso und Hoffenheims Kreativspieler Christoph Baumgartner, dem Pechvogel der Europameisterschaft mit dem vergebenen Elfmeter gegen Dänemark. Beide gehören auf jeden Fall zu denen, die laut Gregoritsch vorangehen müssen, wenn erneut das Ticket zur Europameisterschaft geschafft werden soll. Der Ersatz für Wöber in der Innenverteidigiung neben Danso wird Dino Maresic heißen, Neu-Legionär in Frankreich bei Stade Reims, dort noch in der Eingewöhnungsphase: „Er ist giftig wie alle anderen auch. Die Truppe ist schon in Ordnung.“ Von LASK-Stürmer Marco Raguz ist er ebenso überzeugt wie vom Rapidler Kelvin Arase: „Der ist wie eine Maschine, steckt mit seiner Lebensfreude einfach an.“
Die Türkei schaffte in den seinen drei Spielen bisher nur einen Sieg (2:1 in Albanien, daheim blieben beim 2:2 zwei Punkte liegen), unterlag Favorit England in Izmit nur knapp 2:3, wobei Ex-Rapidler Mert Müldür, jetzt in Italiens Serie A bei Sassuolo, für die 2:1-Führung gesorgt hatte. Müldür ist auch in Ritzing dabei. Das ändert nichts an der Ausgangsposition: Im 75.Spiel unter Gregoritsch muss der 44.Sieg her. Dafür gibt es keinen „Ersatz“.