Fußball

Keine Einheit und Leidenschaft: Sündenbock Löw spricht von klaren Veränderungen

Einen Tag nach der historischen Blamage in Kasan sind die enttrohnten deutschen Weltmeister wieder daheim. Kein Empfang wie vier Jahre zuvor am Brandenburger Tor in Berlin mit Helene Fischer und „Atemlos“, sondern nur der Frankfurter Flughafen. Dort stellten sich DFB-Präsident Reinhard Grindel, Teamchef Jogi Löw und Kapitän Manuel Neuer den Medien, der  die Spieler als Hauptschuldige für die Blamage, die eine Nation offenbar mehr erschütterte als die Regierungskrise, bezeichnete. Im Massenblatt „Bild“ musste Donnerstag die Politik auf den Seiten zwei bis vier für die Ex-Weltmeister Platz machen. Es lief ein Live-Ticker mit Reaktionen auf die unfassbare, nie erartete Peinlichkeit. Mit dem Schlusspfiff setzte ein Kesseltreiben wegen des erstmaligen WM-Scheiterns in der Vorrunde ein. Es war die Zeit von „kreativen Köpfen“,die via den sozialen Medien für Spott und Häme sorgen. Etwa mit dem sechs Jahre alten Bild der jubelnden Kanzlerin Angela Merkel beim Euro-Viertelfinale in Danzig und „entsprechendem Text“ (siehe unten). Oder mit einem Fake-Inserat von Ikea mit dem Text: Suchen deutsche Mitarbeiter in allen Filialen, damit die schwedischen Angestellten die WM schauen können. Im Rahmen blieb der ehemalige englische Torjäger Gary Lineker als BBC-Kommentator, als er seinen berühmten Spruch abänderte und aktualisierte: „Fußball ist einfaches Spiel. 22 Mann jagen 90 Minuten dem Ball nach. Und am Ende gewinnen die Deutschen doch nicht mehr jedes Spiel.“

Mitten in alle deutschen Schuldzuweisungen, das Suchen nach Sündenböcke, blieben besonnene Kommentare in der Minderheit. Wie etwa vom ehemaligen bayrischen Starjournalisten Gerd Rubenbauer Mittwoch knapp vor Mitternacht im ZDF, als er am Beispiel von Thomas Müller, der nur ein Schatten des gewohnten Müller blieb, dem nach der Einwechslung gegen Südkorea Fehler wie einem Anfänger passierten, meinte: „Das sind doch auch nur Menschen. Vielleicht waren sie einmal auch am Ende, einfach überfordert“. Was er damit ansprechen woltle:  Möglicherweise wurde die Bayern-Fraktion  mit ihrem  verpatzten Saisonfinish nicht fertig, verkraftete vor allem das k.o. in der Champions League gegen Real Madrid auch über einen Monat später nicht. „Bild“ schrieb hingegen über sieben bittere Wahrheiten. Die da hießen:

Wir sind zu satt!

Jogi Löw ließ bei der Kader-Nominierung das früher so glückliche Händchen vermissen. Dass er den dribelstarken Manchester City-.Jungstar Leroy Sane daheim ließ, war ein dramatischer Fehler.

Wir haben die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

Wir haben nach dem Confed-Cup-Gewin die Qualität unserer Spieler überschätzt. Außer Toni Kroos und Manuel Neuer gibt es keinen, der Weltklasseformat hat.

Wir hatten kein echtes Team wir Brasilien.

Der deutsch Fußball,, sowohl Bundesliga als auch Nationalmannschaft, hat nach Jahren des Booms seinen Zenit überschritten.

Wir sind zu Recht ausgeschieden.

Von Löw wird gefordert, aus seinen Fehlern zu lernen und den Umbruch radikal durchzuziehen. Nur dann wäre er der richtige Bundestrainer für die Europameisterschaft in zwei Jahren. Unglaublich, dass ein Teamchef, mit dem es zwölf Jahre lang gut lief, plötzlich angezweifelt wird. Auch Deutschlands Rekordspieler Lothar Matthäus muss natürlich abrechnen. Prangert keine Leidenschaft und Einheit an, outete sich zwar als Fan von Löw, kreidet ihm aber den Verzicht auf Typen mit Ecken und Kanfen wie Bayern-Reservist Sandro Wagner an. Schwere Zeiten, in denen Löw seine Linie aber nicht verlor. Nach der Landung in Frankfurt meinte er, es werde einige Zeit brauchen, um alles richtig aufzuarbeiten. Nächste Woche soll das Verbandspräsidium eine erste Analyse von ihm und Teammanager Oliver Bierhoff  über das Scheitern  bekommen. Löw sprach bereits von tiefgreifenden Maßnahmen und klaren Veränderungen. Aber nicht darüber, ob sein Rücktritt dazu gehören wird.

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